Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Viel Geld für Entwicklung auf dem Land
Regierung gibt mehr als 36 Millionen Euro aus, damit alte Ortskerne nicht veröden
STUTTGART - Leben und Arbeiten auf dem Land stärken: Diese Ziele wollen die Landesregierungen seit mehr als 20 Jahren mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) erreichen. 2019 steht dafür mit 75 Millionen Euro so viel Geld zur Verfügung wie noch nie – das sagte der zuständige Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Donnerstag in Stuttgart. Mehr als die Hälfte des Geldes soll dabei helfen, lebenswerte Ortsmitten und Wohnraum zu schaffen.
Landbewohner sollen im Südwesten ebenso gut leben können wie Stadtbewohner. Die gleichwertigen Lebensverhältnisse sind in der Landesverfassung verankert. Das ELR ist laut Minister Hauk eins der wichtigsten Instrumente, dies zu erreichen. In den Nebenabreden zum Koalitionsvertrag hat sich die grün-schwarze Koalition 2016 deshalb darauf geeinigt, die Fördermittel bis 2020 um 20 Millionen auf 72 Millionen Euro zu steigern. Das Ziel ist schon in dieser Förderrunde erreicht. Der Bedarf ist derweil deutlich höher: Hauk hätte die doppelte Summe gebraucht, um alle Förderanträge zu bedienen.
„Wir wollen, dass sich alte Ortskerne wiederbeleben“, nennt Hauk als ein Ziel der Förderung. So gibt es etwa Geld für Bäckereien oder Landgasthöfe in der Dorfmitte. Mit drei Millionen Euro fördert das Land solche Grundversorger. Die größten Einzelsummen fließen für Modernisierungen oder Neubauten von Dorfgemeinschaftshäusern. „Man weiß, dass Menschen Orte der Begegnung brauchen“, so Hauk. 20 Prozent des Fördergeldes fließen für solche Gemeinschaftseinrichtungen – beispielsweise rund 618 000 Euro nach Kolbingen im Kreis Tuttlingen.
Gestiegener Bedarf beim Wohnen
Insgesamt sei der Bedarf im Förderbereich Innenentwicklung und Wohnen deutlich gestiegen. Für Projekte in dieser Kategorie fließen 54 Prozent der Mittel. „Das wirft ein Schlaglicht darauf, dass wir nicht nur Wohnungsmangel haben in den Ballungszentren“, sagt Hauk. Mit dem Geld sollen fast 1300 Wohnungen entstehen, die zu 70 Prozent von den Antragstellern selbst genutzt werden. Bei dieser Wohnraumförderung gehe es vor allem um die Innenentwicklung in den Dörfern, erklärt Hauk. So sollen freie Flächen am Ortsrand geschont werden. Geld fließt etwa, um ein ungenutztes landwirtschaftliches Gebäude umzubauen, oder auch dafür, ein unbebautes Gründstück an die Versorgungsnetze anzuschließen. Anträge auf Zuschüsse können Kommunen, Unternehmen und Privatleute bei den Regierungspräsidien stellen. Bei der Prüfung haben diese laut Hauk diesmal noch genauer auf Bedürftigkeit geachtet. Etwa: Wie viele Einwohner hat eine Gemeinde pro Quadratmeter? Wie groß ist die Steuerkraft vor Ort?
20 Prozent der ELR-Mittel dienen dazu, Arbeitsplätze auf dem Land abzusichern. 160 Unternehmen werden mit insgesamt 15,5 Millionen Euro bezuschusst. Dadurch sollen 840 neue Jobs entstehen und 1250 gesichert werden – etwa dadurch, dass wie in Leutkirch (Kreis Ravensburg) eine Firma aus dem Ort ins Gewerbegebiet umzieht.
Das Geld kommt zudem Gemeinden zugute, die einen besonderen Förderbedarf haben und ein Entwicklungskonzept vorgelegt haben. Sie erhalten über fünf Jahre kontinuierlich Geld für öffentliche Projekte – in der Regel ein bis zwei Millionen. Zu diesen gehören unter anderem Unterschwarzach (Kreis Ravensburg), Bartholomä (Ostalbkreis) und Ostrach (Kreis Sigmaringen).
Im Sommer will Hauk Mittel, die nicht abgerufen werden, an Projekte verteilen, die in der ersten Runde leer ausgingen. In den vergangenen Jahren waren dies zwischen drei und vier Millionen Euro.
Der Gemeindetag als Vertreter kleinerer Kommunen freut sich über die ELR-Rekordsumme. Die Projekte zeigten, wie motiviert Kommunen seien, den ländlichen Raum lebenswert zu halten, so eine Sprecherin. „Neben einer guten und wichtigen Strukturförderung über das ELR brauchen wir aber auch eine grundsätzliche Stärkung der ländlichen Räume in Baden-Württemberg.“Der Gemeindetag fordert einen Flächenfaktor. Dieser würde dazu führen, dass Gemeinden mit viel Fläche und wenigen Einwohnern mehr Geld vom Land bekommen.