Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Einigung ist nicht nur rosig
Was für ein Abschiedsgeschenk von Frank Bsirske an die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder! Bevor der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im September nach 18 Jahren in Rente geht, hat er eine Tariferhöhung von acht Prozent durchgesetzt. Dabei hatte er nur sechs Prozent gefordert.
Nüchtern betrachtet fällt das Ergebnis der Tarifverhandlungen längst nicht so rosig aus. Wer nur auf Prozentzahlen schaut, übersieht die ungewöhnlich lange Laufzeit von 33 Monaten. Aufs Jahr gerechnet steigen die Gehälter um gut drei Prozent. Das entspricht in etwa dem, was 2018 für die Angestellten bei Bund und Kommunen vereinbart wurde. Es liegt nur leicht über dem Durchschnitt aller Tarifverträge im vergangenen Jahr. Zum Aufholen gegenüber der privaten Wirtschaft wird es kaum reichen. Der öffentliche Dienst muss attraktiv bleiben und daher mit der Privatwirtschaft Schritt halten. Das werden nicht nur die Länder als direkte Arbeitgeber unterschreiben, sondern auch die Bürger, die das alles bezahlen.
Die entscheidende Frage ist, ob es beim Kernthema der langen Verhandlungen genug Fortschritte gab: Entspricht die Struktur der Tarifverträge noch modernen Anforderungen? Das ist nur zum Teil gelungen. Die Einstiegsgehälter wurden aufgewertet. Pflegekräfte an Unikliniken bekommen eine Zulage, angestellte Lehrer ebenso, wenn auch nicht so viel, wie sie sich erhofft hatten. Allerdings fällt die Tariferhöhung in den unteren Lohngruppen durch Mindestbeträge besonders groß aus. Das ist schön für sie. Es heißt aber auch: Für die anderen bleibt etwas weniger zum Verteilen übrig. Das macht diese Positionen nicht attraktiver, obwohl die Konkurrenz zur Privatwirtschaft besonders groß ist.
Völlige Fehlanzeige herrscht beim zentralen Thema anderer Branchen von der Bahn bis zur Metallindustrie: der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Mehr Urlaub statt Lohnerhöhungen ist für viele Beschäftigte attraktiv. Nur im öffentlichen Dienst wird darüber erstaunlicherweise nicht geredet.
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