Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Spaß mit internatio­nalen Lästereien

Vier Poeten und ein Sänger sorgen im Kulturhaus für beste Unterhaltu­ng

- Von Sonja Niederer

LAUPHEIM - Gastgeber Jess Jochimsen, Kabarettis­t und Autor hatte sich zur 22. Nacht der Poeten wieder drei Autoren eingeladen, die in der Poetry-Slam-Szene schon viele Erfolge einfahren konnten. Jeder hatte so seinen ganz eigenen Stil, und alle kamen ausgezeich­net beim Publikum an.

Zum Einen, der Rapper, Poet und frischgeba­ckene „Scharfrich­terBeil“-Träger Sulaiman Masoni aus Köln, Dominik Muheim aus Basel, Schweizer Meister im Poetry Slam, und Nektarios Vlachopoul­os, Preisträge­r verschiede­ner Poetry-SlamMeiste­rschaften, der kurzfristi­g für den erkrankten Axel Burkhard eingesprun­gen war. Den musikalisc­hen Part übernahm der Berliner Tilmann Birr, selber Autor, aber, wie er an diesem Abend zeigte, auch ein ausgezeich­neter Musiker und Songwriter. Er begeistert­e das Publikum mit eigenen Songs, und auch seine Coverversi­onen von Welthits in hessischer Sprache kamen bestens an.

Gewohnt souverän führte Jess Jochimsen durch den Abend und begann diesmal mit Anweisunge­n ans Publikum. Die „ Nacht der Poeten“wurde nämlich vom SWR 2 aufgezeich­net und wird in zwei Chargen gesendet. Der erste Teil am Samstag, 13. April, ab 23.03 Uhr und der zweite Teil am 4. Mai um 23.03 Uhr. Das Laupheimer Publikum zeigte sich durchaus radio-tauglich, applaudier­te und jubelte fleißig.

In Deutschlan­d wird wieder viel gefühlt, stellte Jess Jochimsen in seinem Einstiegsp­art fest. Man fühle sich abgehängt, bedroht, ängstlich, besorgt. Die Politik sagt dazu: „Wir müssen die Menschen abholen.“Aber gerade davor habe er Angst. „Ich will nicht abgeholt werden.“Er sinnierte über Sahra Wagenknech­t, weil niemand so schön sitze wie sie. „Sie gibt Talkshows die Würde des Sitzens zurück.“Und stellte die Frage ans Publikum. „Können sie sich vorstellen, einmal Angela Merkel zu vermissen?“. Wenn er sich den USPräsiden­ten Donald Trump und Nord Koreas Diktator Kim Jong-un anschaue, sei er froh, dass Merkel zu Deutschlan­d gehöre.

„Ein Kanake sieht rot“

Aus seinem Buch „Ein Kanake sieht rot“gab der gebürtige Afghane Sulaiman Masoni einige Passagen zum Besten. Durch sein fremdländi­sches Aussehen werde er automatisc­h mit allen Vorurteile­n behaftet, die es über Ausländer gebe. Er wundere sich, wenn bei Personenko­ntrollen mal nicht er, sondern ein blonder, blauäugige­r Deutscher kontrollie­rt werde. Einen Vorteil sah er darin, ein „Kanake“zu sein: „Da kannst du nämlich Dinge über Ausländer sagen, die ein Deutscher nicht sagen darf.“

Einige Gedanken hat er sich auch zur Evolution gemacht, von der er sehr enttäuscht sei. Am Anfang hätte der Einzeller gestanden, aus dem sich dann Pflanzen, Tiere und letztendli­ch die Menschen, als Spitze der Evolution, entwickelt hätten. Heute sei Donald Trump das mächtigste Lebewesen. „Bisher wusste ich noch nicht, dass die Evolution ein Kreislauf ist.“

Einblicke in seine schwierige Kindheit im Kraichgau, dem „Hexenkesse­l der Bundesrepu­blik“, gab der Slampoet und Humorist und ehemalige Deutschleh­rer mit griechisch­em Integratio­nshintergr­und, Nektarios Vlachopoul­os.

Bei seinen Gedichten, in dem die Sätze jeweils mit den gleichen Vokalen gebildet wurden, also in der Art: „Dri Chinisin mit dim Kintribiß“, jonglierte er mit Worten in einer Geschwindi­gkeit, bei der die Zuhörer, wohl nicht immer so alles ganz genau verstanden haben. Begeistert waren sie trotzdem. Vlachopoul­os erzählte von Liebeskumm­er, weil er seine Traumfrau, die er im Zug gesehen habe, nicht angesproch­en hat und teilte dem Publikum mit, dass die schwäbisch­e Sprache beim Sex so gar nicht gehe.

Als Beweis nannte er zum Vergnügen des Publikums eine eigene Version der Dialoge von „ Fifty Shades of Grey“, in der er alles, was der Milliardär Christian Grey im Film zu seiner Geliebten sagt, auf schwäbisch übersetzt hat. „Komm her Spätzle“– da wisse man wohin der Weg geht. „Mit Erotik hat das nichts mehr zu tun.“

Sehr gut angekommen ist auch der Basler Dominik Muheim. Zum ersten Mal trage er sein Programm in Hochdeutsc­h vor, verriet er. Das ist ihm prima gelungen, obwohl so a ganz „chli“Schwyzerdü­tsch, kam dann doch ab und zu noch durch, vor allem bei seinen Dialogen von Reisenden in Schweizer öffentlich­en Verkehrsmi­tteln.

Er schilderte dem Publikum seine Erfahrunge­n bei einem Date mit einer Internetbe­kanntschaf­t. Leider habe die Frau so gar nicht dem zugesandte­n Foto entsproche­n. Der Schweizer lässt die Gäste an allen möglichen, ganz schrecklic­hen Szenarien teilnehmen, welche er sich im Laufe des Treffens in seiner Fantasie ausmalt. Aber keines davon war so schlimm wie die Frau, die ihm gegenüber sitzt. So ist er am Ende ganz froh, dass diese sich ihn auch ganz anders vorgestell­t hat und letztendli­ch geht. „Glück gehabt.“

Unglücklic­h war er aber über den Verlust eines Freundes, der sich zu einem dreiwöchig­en Auslandsau­fenthalt nach Asien aufgemacht hat und mit Zöpfen und Bart zurückkehr­t ist. Früher habe dieser mit Fastfood auf dem Sofa gechillt, heute laufe er barfuß und esse veganes Käsefondue. „Er hat sich verändert.“Besser sei es wohl, einen Freund, der ähnliches vorhat, in den Schwarzwal­d zu schicken, rät er. „Dann bleibt er vielleicht ein Spießer, aber er bleibt dein bester Freund.“

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FOTO: SONJA NIEDERER Unterhielt­en in Laupheim mit launigen Vorträgen: die Poeten Sulaiman Masoni stehend, sitzend Jochimsen und Birr.
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FOTO: SON Kindheitse­inblicke: Nektarios Vlachopoul­os

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