Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein unerwartetes Treffen
Basketball, ProA: Die Begegnung der Steeples mit Kanzlerin Angela Merkel in Chemnitz
EHINGEN - Für die Zweitliga-Basketballer des Teams Ehingen Urspring gab es nach dem Doppelspieltag zwei trainingsfreie Tage – am Montag und Dienstag erhielt die Mannschaft von Trainer Domenik Reinboth Zeit, sich zu erholen und sich die Erlebnisse vom Wochenende in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. Denn es war kein gewöhnliches Wochenende für die Steeples, die am Freitagabend zu Hause gegen den Tabellenletzten Baunach gewannen und am Sonntag beim Spitzenreiter Chemnitz unterlagen.
Rund 800 Zuschauer, unter ihnen Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann und der frühere Landrat Heinz Seiffert, beklatschten den 88:71-Sieg der Steeples über die Baunach Young Pikes. Nach Anlaufschwierigkeiten hatte sich der Tabellenfünfte gegen das Schlusslicht letztlich sicher durchgesetzt. Reinboth wies nach dem Spiel darauf hin, dass seine Mannschaft, die vor der Saison eher als Abstiegs- denn als Play-offKandidat eingestuft worden war, die Favoritenrolle nicht gewohnt sei. „Damit muss man umgehen können“, so Reinboth, der kein Geheimnis daraus machte, dass „die Rolle des Underdog uns lieber ist“.
Außenseiter war Ehingen Urspring dann am Sonntag vor rund 2300 Zuschauern beim Tabellenführer Chemnitz, auch wenn die Niners zwei Tage zuvor ein verrücktes Spiel gegen die Nürnberg Falcons nach hoher Halbzeitführung (65:43) noch verloren hatten (95:97) – in derselben Halle und vor demselben Publikum, zumindest fast demselben Publikum. Am Sonntag saß am Rand der ersten Stuhlreihe hinter einem der Körbe die Kanzlerin Angela Merkel, begleitet von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig. Erneut spielten die Steeples somit in Anwesenheit politischer Prominenz – wenngleich die Politiker beim Spiel in Chemnitz prominenter waren als die am Freitag in Ehingen. „Ich will OB Baumann nicht zu nahe treten“, sagte Steeples-Trainer Reinboth, der den Gedanken nicht weiter ausführte. Doch es war klar, was er meinte. Eine Bundeskanzlerin als Zuschauerin bei einem Steeples-Spiel ist eine andere Hausnummer; das war, ist und dürfte wohl einmalig bleiben.
Die Steeples erfuhren erst nach Eintreffen in der Richard-HartmannHalle in Chemnitz von dem hohen Besuch. Bei der Anfahrt zur Halle hatten sie sich noch über die große Polizeipräsenz gewundert. Nach Worten von Steeples-Pressesprecher Johannes Hübner standen an einer Kreuzung an allen Zufahrtsstraßen Polizeiwagen. Noch mehr Beamte waren auf dem Parkplatz an der Halle versammelt. Die Gäste aus Württemberg dachten zunächst an eine Demonstration, an ein Fußballspiel und gewalttätige Fans. „Es war schon ein komisches Gefühl“, so Reinboth.
In der Halle wurde Reinboth über das bis dahin geheim gehaltene Erscheinen von Angela Merkel informiert. Dass sich die Kanzlerin das Zweitliga-Spiel anschaute, ging auf ihren Besuch im November in Chemnitz zurück. Nach der tödlichen Messerattacke auf einen Deutsch-Kubaner war die sächsische Stadt im Herbst vergangenen Jahres aufgewühlt; Merkel fuhr hin und kam auch zu den Basketballern der Niners. Weil deren ProA-Team an jenem Tag zu einem Auswärtsspiel unterwegs war, traf sie Nachwuchstalente unterschiedlicher Herkunft. Damals luden Vereinsverantwortliche die Kanzlerin zu einem ProA-Spiel der Niners ein – nun, wenige Monate später, kam sie der Einladung nach, auch zur Freude der Gastmannschaft.
Einen „glücklichen Zufall“nannte Johannes Hübner das Zusammentreffen. Das Team Ehingen Urspring wollte die seltene Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und die Halle ohne Erinnerungsfoto mit der Kanzlerin verlassen. Merkel hatte sich ja vor Jahren schon mal mit der deutschen Fußball-Weltmeistermannschaft ablichten lassen, warum also nicht jetzt auch mit den Steeples? Unmittelbar nach Ende der Partie „habe ich zu Tim (Tim Hasbargen, Spieler des Teams Ehingen Urspring; Anm. d. Red.) gesagt, dass das eine einmalige Chance ist“, sagte Hübner. Beide gingen die paar Meter zu Merkels Platz, stellten sich vor und baten um ein Gruppenbild mit der Mannschaft. Die Kanzlerin musste sie für den Moment vertrösten, doch später klopfte es an der Tür zur Umkleidekabine der Steeples. Merkel war bereit für ein Foto, das in den Katakomben der Halle entstand. Man plauschte, dann war der hohe Besuch mit ihren Bodyguards wieder weg. „Cool“fand Hübner die kurze Begegnung. „Sie war sehr nett, es wirkte überhaupt nicht aufgesetzt.“Die US-Amerikaner im Team, sofern sie es noch nicht gewusst hatten, klärte man kurz und prägnant über die Person auf, mit der sie gerade für ein Foto posierten. Hübner: „Was für Euch Trump ist, ist für uns Merkel.“
Merkel bedankt sich für gutes Spiel
Reinboth musste man dies nicht erklären. Aufgrund der Anwesenheit der Kanzlerin seien Aufregung und Anspannung vor dem Spiel etwas größer gewesen als sonst, sagte der Steeples-Trainer. Während der Partie habe er es ausgeblendet. „Da war ich im Tunnel.“Später, bei der Begegnung mit Merkel in den Katakomben der Halle, war Reinboths Anspannung längst gewichen, nicht aber der Frust über die 73:84-Niederlage gegen die Niners und die in seinen Augen „schwächste Leistung“seiner Mannschaft in dieser für Ehingen Urspring bisher so erfolgreichen Saison. Auch Merkels Worte („Sie hat sich für ein gutes Spiel bedankt“) hellten Reinboths Stimmung nicht wesentlich auf. „Vielleicht werde ich mich in ein paar Jahren ärgern, dass ich nicht besser gelaunt war beim Treffen mit der Kanzlerin.“