Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vom Abfalleimer in den Stromkreislauf
Entsorgungsbetriebe wie Pigfit in Ravensburg helfen dabei, aus Speiseresten Energie zu gewinnen
RAVENSBURG - Früh aufstehen ist er gewohnt. Um 4.30 Uhr beginnt Otto Kemmers tägliche Schicht. „Ich war viele Jahre Konditor. Deshalb macht mir das nichts aus, so früh aufzustehen“, sagt der 55-Jährige. Jetzt arbeitet er für die Ravensburger Firma Pigfit, die Speisereste unter anderem von Restaurants, Hotels, Firmenkantinen und Bäckern in der Region einsammelt, um sie dann in Biogasanlagen zu Strom umwandeln zu lassen.
Jeden Tag fährt Kemmer eine andere Route. Mit einer speziellen Software wird ihm auf seinem Tablet angezeigt, wo er Speisereste einsammeln muss und wie viele zu leerende Mülltonnen dort auf ihn warten. Seine erste Station an diesem Morgen ist die Großküche der Stiftung Liebenau, 15 weitere Ziele wird er heute noch ansteuern. „Morgen Inka“, ruft Otto Kemmer einer Frau entgegen, die ihm das Tor öffnet. Um die 65 Mülltonnen müssen hier ausgetauscht werden. Es ist eisig kalt draußen, aber Otto Kemmer wird schnell warm. DieTonnen, in einem Kühlraum gelagert, sind bis zu 100 Kilogramm schwer, da braucht’s ein bisschen Kraft. In jede einzelne Tonne wirft Kemmer einen kurzen Blick. Suppe, Brot, Kaffeesatz und Würstchen sind unter anderem zu sehen. „Wir müssen kontrollieren, ob da auch wirklich nur Speisereste drin sind oder ob es verpackte Lebensmittel sind oder die Reste in einem Müllsack verpackt sind“, erklärt Kemmer. Ab und an findet sich auch eine Gabel in den Essensresten. „Qualitätsmanagement“, sagt Kemmer. „Dabei schmunzelt der ein oder andere. Aber die Qualität muss auch bei Müll überprüft werden.“
Acht Laster sammeln die Reste
Insgesamt ist Pigfit mit acht Lastern in der Region unterwegs, also von Lindau bis Konstanz, Isny und Leutkirch über Bad Waldsee, Sigmaringen, Memmingen und natürlich rund um Ravensburg. Auch bei größeren Veranstaltungen wie dem Ravensburger Rutenfest oder dem Konstanzer Oktoberfest ist Pigfit gefragt.
Für Otto Kemmer geht es zur nächsten Station, nur ein paar Meter weiter. Beim Indoor Freizeitpark Lufti dauert es nicht eine gute halbe Stunde wie bei der Stiftung Liebenau, sondern nur Sekunden. Eine einzige Tonne wartet auf Kemmer. Weiter geht es – zu Gaststätten, Bäckereien, Kebabläden. Langsam wird es hell, Otto Kemmer hält bei ein paar Stationen in Ravensburg. Kurz nach 7 Uhr ist die Stadt bereits belebt, im Berufsverkehr kommt Kemmer nur langsam voran. Die Route führt ihn weiter zu einer Pizzeria, einem Altenheim und zwei Discountern, die auch verpackte Lebensmittel in ihren Tonnen haben. Das notiert sich Kemmer und platziert diese Tonnen im Transporter entsprechend. Sein letzter Halt ist ein Fastfoodrestaurant in Weingarten. Auch hier schaut er routinemäßig in die Tonne: Pommes, Burgerbrötchen, rohes Fleisch. Mittlerweile ist es kurz nach 9 Uhr, Kemmers Transporter ist so gut wie voll.
Nichts für zarte Nasen
Jetzt müssen die ganzen Speisereste zur Biogasanlage bei Kißlegg. „Abwechselnd zu drei verschiedenen Anlagen bringen wir die eingesammelten Speisereste. Dort wird dann Energie aus dem Abfall gemacht.“Am Abladeplatz angekommen, steigt einem sofort ein beißender Gestank in die Nase. „Als ich mit dem Job angefangen habe, war das tatsächlich meine größte Sorge, nicht mit dem Geruch klarzukommen“, sagt Kemmer. Doch das habe sich schnell gelegt. Dabei hilft auch sein Selbstverständnis: „Ich sehe mich eigentlich eher als Energieversorger, nicht als Müllentsorger.“
Zuerst kommen die Tonnen mit den verpackten Lebensmitteln raus. Sie müssen noch durch eine spezielle Maschine, die die Lebensmittel entpackt. Die restlichen Tonnen werden zu einer anderen Maschine gefahren, wo sie in einen riesigen Bottich im Untergrund entleert werden. „Jetzt wird das Ganze mit Wasser versetzt, püriert und vergärt“, erklärt Kemmer. Das Gas, das bei diesem Prozess entsteht, werde abgesaugt. „Das treibt dann einen Generator an, und der erzeugt den Strom.“
Inzwischen hat Kemmer die mit Speiseresten gefüllten Tonnen aus seinem Transporter mit leeren ausgetauscht. Um 10.30 Uhr tritt er die Heimreise an. Eigentlich steht ein dreistündiger Mittagsschlaf an, um die Zeit, die er morgens früher aufstehen muss, wieder reinzuholen. „Heute fällt der aber wahrscheinlich aus“, sagt er. „Meine Frau hat frei, und ich verbringe dann den Tag gerne mit ihr.“
Ein Video von der Sammeltour der Firma Pigfit sehen Sie unter www.schwäbische.de/pigfit