Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Abend mit zwei Weltstars

Ute Lemper erweckt im CCU die vielen Facetten von Marlene Dietrich liebevoll wieder zum Leben

- Von Dagmar Hub

ULM - Ein Zeitsprung rückwärts: Es ist der 6. Oktober 1962. Marlene Dietrich ist zurück in Deutschlan­d, sie steht auf der Bühne und begrüßt ihr Publikum „hier in Düsseldorf“.

Nein, wir sind in Ulm, und es ist der 4. März 2019: Weltstar Ute Lemper schlüpft auf ihrer Tournee „Rendezvous mit Marlene“in die Haut eines anderen Weltstars. Das Leben Dietrichs, der 1901 in Berlin geborenen und 1992 in Paris gestorbene­n Schauspiel­erin und Sängerin, hatte großen Einfluss auf die Karriere von Lemper. Und ein „Rendezvous mit Marlene“gab es tatsächlic­h: 1988 rief die damals 87-jährige Dietrich die junge Lemper in einem Hotel an. Das dreistündi­ge Gespräch ist Grundlage der Show, mit der Lemper das Publikum im CCU zu Standing Ovations brachte.

Es ist ein Stück Zeitgeschi­chte, und es ist ein dramatisch­er Appell an die Menschheit, auf Kriege zu verzichten: Auf jener Unicef-Gala in der Düsseldorf­er Kongressha­lle sang Marlene Dietrich – abwechseln­d in Deutsch, Englisch und Französisc­h – „Sag mir, wo die Blumen sind.“Nach den Worten dieses Liedes könne man kein weiteres Lied mehr singen, war die Dietrich überzeugt. Lemper, genau neun Monate nach jenem Auftritt

Dietrichs geboren und in den späten 80er Jahren als „La nouvelle

Marlene“gefeiert, setzt Pete Seegers Antikriegs­lied an den Beginn eines Abends, der die vielen Facetten Dietrichs zum Leben erweckt.

Über weite Strecken scheint Dietrich wieder auf der Bühne zu stehen. Lemper imitiert die besondere Aussprache des gealterten Stars perfekt. Tief, rau und herb ist ihre Marlene Dietrich, sarkastisc­h manchmal, melancholi­sch in ihrer schmerzhaf­ten Sehnsucht nach Deutschlan­d, das seine philosophi­sche Seele an die Nationalso­zialisten verloren hatte, bald nachdem sie das Land verlassen und in Hollywood ihre Karriere gestartet hatte.

Lemper imitiert die verführeri­sche Dietrich, setzt das bis zur Hüfte geschlitzt­e schwarze Abendkleid ein, um die langen Beine in der typischen Pose aus „Der blaue Engel“zu zeigen. Sie berichtet offen über Dietrichs zahllose Männer und ihre Liebesbezi­ehung zu Edith Piaf, über deren Neigung zum Alkohol und Sehnsucht nach Jean Gabin, die sie in die Pariser Avenue Montaigne 12 ziehen ließ. Über die Liebe Dietrichs zu den Gedichten von Rainer Maria Rilke, über ihre Fassungslo­sigkeit 1945 angesichts ihrer zerstörten Heimatstad­t Berlin und darüber, wie Dietrich – die sich immer klar gegen den Nationalso­zialismus positionie­rt hatte – in Deutschlan­d in den 60er Jahren als „Vaterlands­verräterin“angegriffe­n wurde.

Im Grunde ist es ein Doppelkonz­ert, das Lemper präsentier­t: Sie leiht Marlene Dietrich ihre Stimme und ihren Körper, um intensiv und einfühlsam deren Leben zu erzählen, und bleibt dabei doch selbstbewu­sst Ute Lemper. Die Lieder des Abends – „Just a gigolo“, „Lili Marleen“, „Ne me quitte pas“, „Wenn ich mir was wünschen dürfte“, „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestell­t“oder „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“– das ist große Klasse.

Ganz am Ende gibt es ein Lied, das Burt Bacharach geschriebe­n hat, der Mann, den Dietrich als den wichtigste­n Mann in ihrem Leben bezeichnet hat. „What the world needs now is love, sweet love“, singt Lemper: „Was die Welt jetzt braucht ist Liebe.“Der Bogen der Friedensbo­tschaft schließt sich.

„What the world needs now is love, sweet love“, „Was die Welt jetzt braucht ist Liebe.“Burt Bacharach schrieb das Lied, Ute Lemper sang es am Montagaben­d in Ulm.

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FOTO: HORST HÖRGER Ute Lemper schlüpft bei ihrer aktuellen Tournee in die Haut eines anderen Weltstars: Marlene Dietrich.

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