Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Dem evangelischen Dekanat gehen die Organisten aus
Die Kirchengemeinden suchen dringend Verstärkung Der Neu-Ulmer Kantor liefert Argumente für den Dienst an der Orgel
NEU-ULM - Den evangelischen Kirchengemeinden im Landkreis fehlen die Organisten. Doch sie sind nicht allein mit ihrem Mangel an Musikern, die in den Kirchen Sonntagsgottesdienste, Beerdigungen, Taufen und andere Kasualien musikalisch begleiten. „Das ist ein flächendeckendes Problem“, sagt Dekanatskantor Oliver Scheffels.
Damit nicht irgendwann in der Zukunft Pfarrer die Liturgie allein singen oder die Gemeinde a cappella die Lieder zum Gottesdienst anstimmen muss – was bitter sein könnte, wie Scheffels ahnt – braucht es Nachwuchs in den Gemeinden. Zusätzlich ist Scheffels wichtig, in Konzerten zu zeigen, dass das Image eines behäbigen und verstaubten Instruments, das der Orgel anhaftet, falsch ist – und dass man mit dem Dienst an der Orgel beispielsweise während des Studiums hinzuverdienen kann.
Der Altersschnitt im OrganistenPool des Dekanats liegt bei etwa 50 Jahren. „Die nebenamtlichen Organisten sind vor allem Rentner oder Pensionäre und Studenten“, erzählt Scheffels. Ohne Prüfung – die für den sonntäglichen Orgeldienst in einer Gemeinde nicht vorgeschrieben ist – gibt es pro Einsatz 30 bis 40 Euro, bei Organisten mit Prüfungen ist es, je nach Qualifikation, mehr.
Gerade für den ländlichen Raum aber wäre es notwendig, diesen Pool zu vergrößern, damit die engagierten Organisten auch Wochenenden frei haben. „Es hat nicht jede Gemeinde das Glück, eine Organistin zu haben, die mehr oder weniger lebenslänglich am Sonntag auf der Orgelbank sitzt.“Je ländlicher ein Gebiet, desto schwieriger die Situation, könne man resümieren, sagt Scheffels.
Ideal geeignet für den nebenberuflichen Orgeldienst sind Menschen, die mindestens ein oder zwei Jahre Klavierunterricht hatten. Noten lesen zu können ist Voraussetzung; singen zu können dagegen nicht, und evangelisch muss man auch nicht zwingend sein. Um das Rüstzeug für den nebenamtlichen Orgeldienst lernen zu können, kostet der Eigenanteil am Unterricht pro 15Minuten-Einheit sechs Euro. Etwa ein Jahr lang Unterricht zu nehmen sei sinnvoll, sagt Scheffels, der von der umfangreichen Orgel-Literatur schwärmt – angefangen mit der ganz frühen Literatur des 14. Jahrhundert, in der es „richtig rockt“, wie der Petrus-Kantor erklärt, über die Emotionalität der Romantik bis hin zur Gegenwart.
Warum die „Königin der Instrumente“Schwierigkeiten hat, begeisterte junge Musiker zu finden, könnte auch damit zu tun haben, dass man im Winter kalten Kirchen üben muss, vermutet Kantor Scheffels. Dabei sei gerade die Orgel das perfekte Instrument, das Koordinationsfähigkeit und logisches Denken schult. Um „sein“Instrument näher ans Publikum heran zu bringen, hat Scheffels Ideen, die er selbst umsetzen möchte – Konzerte auf der Orgelempore beispielsweise, bei denen der Zuhörer auch zum Zuschauer wird, der nah am Geschehen ist.