Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Immer wieder freitags
Gesetz der Großen Koalition verspricht Erleichterungen für Patienten – Die wichtigsten Punkte im Überblick
Die weltweiten „Fridays for Future“-Demonstrationen von Schülern und Studenten für den Klimaschutz sollen heute einen vorläufigen Höhepunkt erreichen: Allein hierzulande gehen Zehntausende junge Menschen in den Streik. Laut der Seite fridaysforfuture.org sind weltweit rund 1660 Kundgebungen in 105 Ländern geplant. In Deutschland sind Aktionen an circa 200 Orten angekündigt – natürlich auch in Baden-Württemberg, wie hier vergangene Woche in Laupheim (Foto: Christoph Dierking), und in Bayern.
BERLIN - Gesetzlich Krankenversicherte sollen bald schneller Termine beim Arzt kommen. Das ist der Kern des am Donnerstag im Bundestag verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Daneben werden aber noch viele andere Punkte neu geregelt. Einige Fragen und Antworten zur Erläuterung.
Welche Rollen sollen künftig die Terminservicestellen spielen?
Die bereits existierenden, aber bisher eher wenig genutzten Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen sollen kräftig ausgebaut werden und unter der bundeseinheitlichen Nummer 116 117 von 2020 an rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche erreichbar sein. Bisher werden nur Facharzttermine vermittelt, damit ein Patient mit einer Überweisung nicht länger als vier Wochen auf die Vorstellung beim Mediziner warten muss. Zukünftig werden ebenfalls Termine bei Haus- und Kinderärzten organisiert. Später soll das auch per App gehen.
Wie will das Gesetz sicherstellen, dass Ärzte mehr Patienten behandeln?
Den Ärzten begegnet Minister Jens Spahn mit Zuckerbrot und Peitsche: Einerseits werden die Praxen verpflichtet, mindestens 25 Stunden (bislang 20) pro Woche in Sprechstunden für gesetzlich Versicherte zur Verfügung zu stehen. Augen-, Frauen- und Hals-Nasen-OhrenÄrzte müssen mindestens fünf offene Sprechstunden ohne vorherige Terminvergabe anbieten. Andererseits bekommen Ärzte für Mehrarbeit auch mehr Geld. Bisher lohnt sich Mehrarbeit häufig nicht, weil die Budgets der Praxen gedeckelt sind. Wenn in Zukunft ein Hausarzt seinem Patienten einen Facharzttermin vermittelt, bekommt er dafür zehn Euro zusätzlich. Der Facharzt wiederum erhält ebenfalls eine Vergütung außerhalb seines Budgets. Dasselbe gilt für Leistungen, die in den offenen Sprechstundenzeiten erbracht werden sowie bei Patienten, die der Arzt von einer Terminservicestelle vermittelt bekommen hat. Letzteres ist dabei an die Schnelligkeit gekoppelt: Ein Plus von 50 Prozent auf die Versichertenpauschale wird fällig, wenn der Termin innerhalb einer Woche zustande kommt. Für eine Behandlung in der zweiten Woche soll es einen Aufschlag von 30 Prozent geben. In der dritten und vierten Woche sind es 20 Prozent. Weil es nun auch bei Terminen für gesetzlich Versicherte mehr Geld gibt, so hofft der Gesetzgeber, fällt die Bevorzugung von bisher lukrativeren Privatpatienten weg.
Und wenn es auf dem Land viel zu wenig Ärzte gibt?
Dann sollen sich die Kassenärztlichen Vereinigungen etwas einfallen lassen. Das Gesetz sieht beispielsweise mobile Praxen vor, also etwa Arztbusse, oder Telemedizin, also digitale Sprechstunden.
Was sagt das Gesetz sonst zur Digitalisierung?
Der einfache Zugriff auf die eigenen Gesundheitsdaten in der elektronischen Patientenakte (ePA) per Smartphone oder Tablet soll spätestens im Jahre 2021 für jeden gesetzlich Versicherten möglich sein. Krankschreibungen werden dann ebenfalls digital – den bisherigen „gelben Schein“auf Papier sollen behandelnde Ärzte in Zukunft dann nur noch digital an die Krankenkassen übermitteln.
Welche Punkte werden noch geregelt?
Eine Vielzahl – einige Beispiele: Zahnersatz für Versicherte wird günstiger, denn die Festzuschüsse der Kassen sollen zum 1. Oktober 2020 von bisher 50 auf 60 Prozent steigen. Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko sollen sich auf Kassenkosten per Medikament vor einer Ansteckung schützen können – indem die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (PrEP) erstattet wird. Junge Erwachsene sollen es bezahlt bekommen, wenn sie Ei- und Samenzellen konservieren lassen, um nach einer Krebsbehandlung noch Kinder zeugen zu können. In der häuslichen Pflege werden ab Mai reine Betreuungsdienste zugelassen, die zwar nicht pflegen, aber etwa beim Putzen oder Einkaufen helfen. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung wird beauftragt, im Internet ein Suchverzeichnis zu Hebammen und deren Leistungen zu erstellen. Für Physiotherapeuten und andere Heilberufe gibt es mehr Geld.
Was kostet das alles?
Minister Jens Spahn geht, wenn alles in Kraft getreten ist, von insgesamt etwa zwei Milliarden Euro jährlich aus. Davon sollen etwa 600 bis 800 Millionen Euro an die Ärzte fließen. Die Krankenkassen rechnen anders. Sie erwarten allein im Bereich der ärztlichen Versorgung 1,2 Milliarden Euro im Jahr als Zusatzkosten.