Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zahlen müssen die Verlierer
Geldgeber sagen fast sieben Milliarden Dollar für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge zu
BRÜSSEL (dpa) - Giftgasangriffe, schwerste Menschenrechtsverletzungen und insgesamt mehr als 400 000 Tote: Der Beginn des grausamen Bürgerkriegs in Syrien jährt sich an diesem Freitag zum achten Mal. Entgegen den Hoffnungen und Erwartungen der Europäer ist Präsident Baschar al-Assad noch immer an der Macht – und es scheint nicht so, als gäbe es noch Hoffnungen auf einen umfassenden politischen Wandel. Deutschland und die anderen EU-Staaten haben bei der Syrien-Geberkonferenz an diesem Donnerstag wieder Milliardensummen für Nothilfe zur Verfügung gestellt. Fragen und Antworten zur Konferenz:
Wie stellt sich die Situation im Land dar?
Nach acht Jahren Bürgerkrieg hat sich die Lage eindeutig zugunsten der Regierungskräfte gedreht, die nun wieder rund zwei Drittel des Landes kontrollieren. Assads Gegner müssen einsehen, dass die von ihnen lange unterstützten Rebellen verloren haben. Der Präsident hat das vor allem der militärischen Hilfe seiner engen Verbündeten Russland und Iran zu verdanken. In der Realpolitik zogen mehrere Länder daraus den Schluss, wieder Kontakte mit Damaskus zu knüpfen.
Warum gibt es jetzt erneut eine Geberkonferenz, obwohl Assad den Krieg offenbar gewonnen hat?
Zum einen geht es darum, die Leidtragenden des Konflikts nicht im Stich zu lassen, zum anderen aber darum, einen neuen Flüchtlingszustrom Richtung Europa zu verhindern. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR waren zuletzt noch immer rund 11,7 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter fünf Millionen Kinder und Jugendliche. Seit Beginn des Bürgerkriegs sind zudem rund 5,6 Millionen Syrer – davon die Hälfte Kinder – ins Ausland geflohen. Die meisten von ihnen leben in der Türkei und im Libanon.
Warum kehren die Menschen jetzt nicht in ihre Heimat zurück?
Die Gewalt ist zwar in den meisten Gebieten Syriens deutlich zurückgegangen, doch große Teile des Landes sind nach acht Jahren Krieg stark zerstört, manche Orte oder Stadtteile sogar dem Erdboden gleichgemacht. Viele Flüchtlinge haben zudem nach wie vor Angst vor der Regierung. In Brüssel wird berichtet, dass Männer, die zurückkehren, teilweise bereits an der Grenze aus Bussen geholt werden und dann spurlos verschwinden. Junge Männer können davon ausgehen, dass sie sofort zum Militärdienst eingezogen werden.
Warum zahlen nicht vor allem Russland und der Iran für Syrien?
Beiden fehlen die Mittel, um Syrien in ausreichendem Maß zu unterstützen. Für Russland ist bereits der Militäreinsatz sehr teuer. Der Iran wiederum leidet selbst unter großen wirtschaftlichen Problemen, nicht zuletzt durch die US-Sanktionen.
Wie geht es politisch weiter?
Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen und zahlreicher Friedensgespräche in Genf unter dem Dach der UN ist ein politischer Prozess bislang nicht in Gang gekommen. Damit ist auch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Wie positioniert sich die EU?
Deutschland und die anderen EUStaaten stehen vor einem riesigen Problem. Sie hatten jahrelang fest damit gerechnet, dass Assad früher oder später stürzen würde. In dieser Zeit wurde beispielsweise festgelegt, dass die EU erst dann beim Wiederaufbau des Landes helfen wird, wenn ein „umfassender, echter und alle Seiten einbeziehender politischer Übergang stabil“im Gange ist. Bei der Syrien-Konferenz in Brüssel warb Entwicklungsminister Gerd Müller am Donnerstag jetzt dafür, den Kontakt mit Assad zu suchen, um eventuell eine sichere Rückkehr geflüchteter Menschen zu ermöglichen – auch aus Deutschland.
Wie viel Geld kam bei der Geberkonferenz zusammen?
Für 2019 gab es neue Hilfszusagen in Höhe von rund sieben Milliarden Dollar (6,2 Milliarden Euro). Hinzu kamen weitere 2,37 Milliarden Dollar für die Folgejahre. Deutschland kündigte an, bis 2022 weitere 1,44 Milliarden Euro bereitzustellen. Damit erhöhen sich die deutschen Hilfszusagen seit Kriegsbeginn auf 8,6 Milliarden Euro.
Warum gibt die Bundesregierung so viel Geld?
Vermutlich, weil kein anderes so reiches Land so stark von der jüngsten Flüchtlingskrise betroffen war.