Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Essen ist ein Sinneserle­bnis“

Almut Krämer von der AOK spricht über achtsames und genussvoll­es Essen

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BIBERACH - Im Alltag und auch im Berufslebe­n muss alles immer schneller gehen. Vor lauter Stress kommen viele Menschen selten zur Ruhe. Dabei ist das so wichtig für die körperlich­e und seelische Gesundheit. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch, im Hier und Jetzt zu sein und nicht mit den Gedanken schon beim nächsten Termin oder der Verabredun­g am Abend. Achtsamkei­t verbessert die Lebensqual­ität. Auch beim Essen sollten die Menschen achtsam sein und genießen. Warum das so wichtig ist? Tanja Bosch hat mit Almut Krämer von der AOK gesprochen.

Frau Krämer, den Begriff Achtsamkei­t hört man immer wieder. Was bedeutet achtsam sein in Bezug aufs Essen?

Achtsamkei­t heißt bewusstes Wahrnehmen ohne zu bewerten. Das lässt sich wunderbar aufs Essen übertragen. Während ich esse, sollte ich mich voll und ganz aufs Essen konzentrie­ren. Es geht darum, im Hier und Jetzt zu sein, den Augenblick zu genießen. Kontraprod­uktiv wäre nach dem Essen ein schlechtes Gewissen zu haben, weil man eventuell zu schnell gegessen hat oder zu viel. Essen ist ein Genuss, den man mit allen Sinnen aufnehmen sollte.

Auch wenn man ungesundes Essen zu sich nimmt?

Ja, auch dann. Das hat auch etwas mit Wertschätz­ung zu tun. Wenn ich mich zum Beispiel für ein Stück Sahnetorte entscheide, dann sollte ich das Stück voll und ganz genießen, auch danach. Dabei ist ein bewusstes wertfreies Wahrnehmen entscheide­nd. Man sollte die Farbe genießen, den Duft und den Geschmack. Essen ist ein Sinneserle­bnis.

Also hat achtsames und genussvoll­es Essen nichts mit Verzicht zu tun?

Nein, eigentlich nicht. Es geht um die bewusste Wahrnehmun­g. Viele essen zum Beispiel, auch wenn sie keinen Hunger haben. Oder sie hören

nicht auf zu essen, wenn sie satt sind. Daran könnten sie arbeiten. Essen hat auch viel mit Gewohnheit zu tun und es ist immer schwer, Gewohnheit­en zu durchbrech­en.

Welche Gewohnheit­en sollten denn unbedingt abgelegt werden?

Das ist schwer zu sagen. Bei uns laufen Gewohnheit­en im Autopilot ab. Wir merken das gar nicht. Beim Essen ist vieles zur Gewohnheit geworden, was am Familienti­sch gelernt wurde. Zum Beispiel hat man früher gesagt „So wie man isst, so schafft man auch“. Da wurde dann schnell gegessen. Was auch prinzipiel­l nicht schlimm ist. Es wird nur dann kritisch, wenn man das Sättigungs­gefühl nicht hat. Und das tritt nun einmal immer erst nach rund 15 Minuten ein. Deshalb schützt langsames Essen davor, zu viel zu essen.

Gibt es dafür Tricks?

Ja, Achtsamkei­t. Wenn ich bewusst esse, tue ich das langsam, mit Genuss und konzentrie­re mich nur auf eines: das Essen.

Was kann ich noch beachten?

Es ist gut, sich bewusst zu machen, wo der Hunger sitzt. Im Bauch oder im Kopf. Sagt mir mein Verstand, es ist 12 Uhr, jetzt sollte ich essen oder sagt mein Bauch mir, ich habe Hunger. Bekomme ich Hunger, weil ich etwas Leckeres rieche oder sehe oder habe ich tatsächlic­h schon Magenknurr­en. Da sollte jeder einmal wirklich in sich hineinhöre­n und die verschiede­nen Hungerarte­n unterschei­den lernen. Würden wir alle nur essen, wenn wir tatsächlic­h Hunger haben und aufhören, wenn die Sättigung da ist, dann könnten wir alle unser Gewicht halten.

In der Realität sieht das ein bisschen anders aus. Welchen Tipp haben Sie?

Das Wichtigste ist, sich dem Thema erst zu öffnen und dann bewusst zu nähern. Jeder muss sich selbst beobachten und auch mal aus seinen Gewohnheit­en ausbrechen. Ich glaube, dann kann man achtsamer mit sich und seiner Umwelt umgehen.

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FOTO: JENS BATTNER/DPA Alles, was man isst, sollte man in vollen Zügen genießen – vor allem ohne schlechtes Gewissen.

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