Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der EU fehlt das Selbstbewusstsein
In Iran verfolgen Europäer und US-Amerikaner fundamental unterschiedliche Interessen. Das hat viel mit Geografie zu tun. Die Region, die ein Pulverfass mit sehr unübersichtlichen Allianzen ist, liegt vor unserer Haustür. Zwar sitzen die Konfliktparteien Iran, Israel, Irak und Syrien eigentlich zu dicht aufeinander, um an den Einsatz von Atomwaffen auch nur zu denken. Danach wäre jegliches Leben ausgelöscht – egal, ob die Bombe von israelischem oder iranischem Boden aus gefeuert würde. Andererseits möchte man darauf, dass alle Beteiligten rational handeln, nicht die eigene Zukunft verwetten. Wenn es im Nahen Osten knallt, werden die Auswirkungen überall in Europa zu spüren sein.
Die USA hingegen können die Sache mit komfortablem Abstand betrachten. Wenn Donald Trump seinen Stern sinken sieht und deshalb das Bedürfnis hat, irgendwo auf der Welt den starken Mann zu markieren, dann ist Iran dafür ein äußerst geeigneter Kandidat. Ein Haufen fundamentalistischer Islamisten, die mit westlichen Grundwerten nichts am Hut haben, sind das ideale Feindbild – und außerdem schön weit weg von zu Hause.
Es ist fast rührend zu beobachten, wie die Europäer das so mühsam ausgehandelte Nuklearabkommen zu retten versuchen – allen Querschlägen amerikanischer Außenpolitik zum Trotz. Mike Pompeos Reisediplomatie aber hat am Montag wieder einmal deutlich gemacht, wer am längeren Hebel sitzt. Angela Merkel düpierte er und fuhr statt nach Berlin lieber nach Bagdad. Dafür ließ er sogar Wladimir Putin in Moskau sitzen und tauchte überraschend in Brüssel auf.
Zwar bereiteten ihm die Europäer einen äußert kühlen Empfang. Letztlich aber sprachen doch alle mit dem Gast aus Washington – ohne so recht herauszufinden, weshalb er eigentlich gekommen war. Hätten die Europäer eine deutliche Botschaft zu Pompeos Boss Donald Trump schicken wollen, dann hätten sie die diplomatischen Samthandschuhe ablegen und dem ungebetenen Gast die Tür weisen müssen. Dafür aber ist Europa nicht selbstbewusst genug.