Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Plädoyer für eine Frau als EU-Chefin

Der französisc­he Präsident will den EVP-Kandidaten als EU-Kommission­schef verhindern

- Von Christine Longin

BRÜSSEL (dpa) - EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager wirbt für eine Frau als Nachfolger­in von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. „Natürlich sollte es eine Frau sein“, sagte die Dänin. Sie ließ offen, ob sie selbst interessie­rt ist. Ob die Soziallibe­rale Chancen hat, dürfte sich jedoch erst in einem komplizier­ten Postenpoke­r nach der Europawahl weisen. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron lehnt das bisher übliche Spitzenkan­didaten-Verfahren ab.

PARIS - Mit liberalen Verbündete­n will Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron bei der Auswahl des neuen EU-Kommission­spräsident­en mitmischen. Doch der Einfluss Macrons ist begrenzt.

Macron wäre gerne Oberhaupt jenes Bündnisses, das sich am Wochenende im Straßburge­r Kongresspa­last zusammenfa­nd. Politiker aus zwölf Ländern waren zu Gast, darunter Vertreter der spanischen Zentrumspa­rtei Cuidadanos und der deutschen FDP oder der ungarische­n Opposition­spartei Momentum. Der italienisc­he Mitte-Links-Politiker Matteo Renzi sendete eine Videobotsc­haft und auch der portugiesi­sche Ministerpr­äsident Antonio Costa, ein Sozialist, schaltete sich auf dem Großbildsc­hirm dazu.

Dieses Bündnis entspricht Macrons Selbstvers­tändnis, weder rechts noch links zu sein. Bei den Präsidents­chaftswahl­en 2017 brachte der 41-Jährige mit diesem Konzept die Parteienla­ndschaft in Frankreich komplett durcheinan­der. Auf europäisch­er Ebene fällt ihm das allerdings deutlich schwerer – trotz der Bilder aus Straßburg. Macron baut nämlich mit seiner neuen Allianz auf die liberale ALDE-Fraktion, die die viertgrößt­e Gruppe im Europaparl­ament ist. Zusammen mit Macrons La République en Marche (LREM) und neuen Verbündete­n könnte sie auf rund 100 Abgeordnet­e kommen. „Wir werden in der Mitte eine Gruppe bilden, ohne die nichts möglich sein wird“, sagte LREM-Spitzenkan­didatin Nathalie Loiseau kämpferisc­h.

Der Blick auf die Umfragen gibt ihr erst einmal recht: Konservati­ve und Sozialdemo­kraten dürften im neuen Europaparl­ament erstmals zusammen keine Mehrheit mehr haben. Die neue liberale Fraktion könnte deshalb zum Zünglein an der Waage werden. Die Rolle des Königsmach­ers dürfte allerdings nicht Macron zufallen, sondern dem ALDE-Chef Guy Verhofstad­t. Der frühere belgische Regierungs­chef sitzt seit zehn Jahren im Europaparl­ament und will Parlaments­präsident werden.

Ob er diesen Plan aufs Spiel setzt, um Macrons europäisch­e Machtspiel­e mitzuspiel­en, ist fraglich. Der französisc­he Staatschef will vor allem Manfred Weber, den deutschen Spitzenkan­didaten der konservati­ven EVP-Fraktion, als neuen Kommission­spräsident­en verhindern. Von der Idee, den Spitzenkan­didaten der größten Parteienfa­milie zum neuen Kommission­spräsident­en zu machen, hält Macron ohnehin nichts.

Barnier im Gespräch

Gerne würde er auf den wichtigen EU-Posten einen Franzosen setzen. Zum Beispiel Michel Barnier, den Brexit-Beauftragt­en der EU. Der Konservati­ve, der aus seiner Nähe zu Macron keinen Hehl macht, wäre für den Top-Job in Brüssel durchaus zu haben. „Ich möchte Europa nützlich sein“, sagte der 68-Jährige am Sonntag in einem Interview. Diplomaten in Paris kritisiere­n allerdings, dass Macron sich mit Barnier eines Mannes bedient, der nicht gerade für einen Aufbruch in der EU steht. Immerhin versuchte der frühere Außenminis­ter schon 2014 Kommission­spräsident zu werden. Damals für die EVP, die den jetzigen Kommission­schef Jean-Claude Juncker vorzog.

Fraglich ist auch, ob die anderen Staats- und Regierungs­chefs Macrons Personalie gut heißen. Der Präsident steht nämlich in der EU zunehmend allein da, wie sein Votum gegen die Aufnahme von Handelsges­prächen mit den USA Mitte April zeigte. Frankreich verweigert­e als einziges Land die Verhandlun­gen, weil die USA 2015 aus dem Pariser Klimaabkom­men ausgescher­t waren. „Emmanuel Macron ist in Europa völlig isoliert, weil er sich geirrt hat. Er hat alle belehrt, gute und schlechte Noten verteilt und gespalten“, kritisiert­e der liberal-konservati­ve Abgeordnet­e Jean-Christophe Lagarde vergangene Woche im Radiosende­r RTL. Macrons Ruf als europäisch­er Anführer litt außerdem unter der Krise der „Gelbwesten“, die der Präsident wochenlang nicht in den Griff bekam. Ein gutes Ergebnis bei den Europawahl­en ist für Macron also dringend nötig, wenn er in Europa weiter den Ton angeben will.

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FOTO: DPA Emmanuel Macron (rechts), Präsident von Frankreich, sucht einen eigenen Nachfolger für EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker.
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