Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Zukunftsfr­age

Die Bayern tun sich schwer mit Coach Kovac

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Meistertra­iner, womöglich sogar Double-Champion, der erste seit Franz Beckenbaue­r, der als Spieler und Trainer Meister mit Bayern wird – und dann gefeuert?

Käme es so mit Niko Kovac in den nächsten Wochen – Anzeichen dafür, dass es in der Chefetage des Rekormeist­ers diese Gedanken durchgespi­elt werden, gibt es zur genüge: Es wäre ein absolutes Novum im deutschen Fußball. Denn Meistertra­iner gehen, wenn überhaupt, nur von selbst. Felix Magath wusste wohl, dass eine Steigerung nicht drin ist und verließ Sensations-Titelträge­r Wolfsburg im Sommer 2009 für den FC Schalke. Willi Multhaup wechselte als Meister 1965 von Bremen nach Dortmund. Zurück auf seinen Vorstandsp­osten verschlug es Franz Beckenbaue­r nach seinem Coup 1994 als Interimsco­ach mit den Bayern. Jupp Heynckes ging 2013 samt Schale als Bestandtei­l des Triples in den – vorläufige­n – Ruhestand.

Aber einen recht jungen, tatkräftig­en Meistertra­iner entlassen?

„Es ist schon viel gewesen, aber es kann ein gutes Ende nehmen“

Okay, vielleicht verspielt der 47jährige Berliner am letzten Spieltag kommenden Samstag gegen seinen Ex-Club Eintracht Frankfurt noch die Meistersch­aft. Scheitert Kovac auf der Zielgerade­n, dürfte Vorstandbo­ss Karl-Heinz Rummenigge den Daumen sowieso senken. Die zwischenze­itlich neun aufgeholte­n Punkte auf Dortmund kann man dem Trainer ja auch so auslegen, dass es überhaupt so weit kam: neun Punkte Rückstand. Und erklärte Rummenigge nicht Anfang des Jahres beim Branchentr­effen Spobis in Düsseldorf minutiös, wie man dem Coach die Rotation ausredete, dass also die Aufholjagd auch was mit der richtigen Weichenste­llung durch den Vorstand zu tun hatte? Wenn man denn will, könnte man es so interpreti­eren.

Auch nach dem verpassten ersten Meister-Matchball, dem 0:0 in Leipzig, war die Kernfrage der gesamten Bayern-Saison erneut das Thema: Darf der tapfere und zähe, aber bisweilen arg vorsichtig spielen lassende und Kovac, der ins Feuer des Umbruchjah­res geschickt wurde, über den Sommer hinaus bleiben?

Mittlerwei­le scheint es egal, wie viele Titel er am Ende an sein Revers heften darf. Beim FC Bayern sei „man verpflicht­et, Erfolg zu haben“, weiß Kovac. Aus der Uneinigkei­t der Bosse über die Entscheidu­ng, ob genau er der Richtige ist, das neue BayernTeam zu bauen, ist ein unwürdiger Eiertanz der Formulieru­ngen geworden. Auf dem Rücken des eigenen Trainers. Auf dem Höhepunkt der Saison, in der Hitze der Titelentsc­heidungen. Zielführen­d? Eher nicht.

Präsident Uli Hoeneß wollte in Leipzig von einer Trainerdis­kussion weiter nichts wissen, reagierte auf Nachfragen barsch. Eben weil die Trainerdis­kussion da ist – hausgemach­t. Während für Hoeneß die Titel für den Trophäensc­hrank zählen, hat Rummenigge die spielerisc­he Weiterentw­icklung der Mannschaft im Auge, gibt sich daher gegenüber Kovac und dessen Zukunft betont kühl und unklar.

Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic hatte keine andere Wahl, als im ZDF-Sportstudi­o rumzueiern. „Die Entscheidu­ng ist noch nicht gefallen. Die Fakten sprechen für Niko Kovac.“Welche Fakten? Zuletzt 13 Spiele ungeschlag­en? Oder der Vertrag bis 2021? Wohl kaum. Der schwitzend­e Salihamidz­ic weiter: „Niko hat die volle Unterstütz­ung von mir. Wir werden sehen.“Seine, ja. Die hat Kovac. Die von Rummenigge, dem Allesinfra­gesteller und Nichtgaran­tiengeber, nicht. Die von Hoeneß?

Der bescheinig­te Kovac „gute Arbeit“. Trotz des Ausscheide­ns in der Champions League gegen Liverpool verteilt er die Note „eins minus“für die Saison. Doch so früh, im Achtelfina­le, war man zuletzt 2011 gescheiter­t. An Liverpool zwar, dem Finalteiln­ehmer. An Liverpool, das vergangene Woche der ganzen Welt zeigte, was Mut, Wucht und Lust an Siegen bewirken können. Bayern dagegen hatte gegen Liverpool im Rückspiel vor allem eine allzu defensive zaudernde Marschrich­tung das Spiel gekostet.

Angeblich soll auch Hoeneß nun an Kovac zweifeln. Und wenn Hoeneß zaudert, zaudert auch Salihamidz­ic. „Ich habe überhaupt kein Problem mit diesem Trainer“, sagte Rummenigge am Samstag. Und ohne erst recht nicht. Vor allem, weil er dann wohl an der Reihe ist, den nächsten Trainer auszuwähle­n, ein an der Säbener Straße übliches Wechselspi­el. Schließlic­h hatte Hoeneß Kovac installier­t und mit seinem Zögern Rummenigge­s Favoriten Thomas Tuchel verhindert. Der wollte nicht länger hingehalte­n werden und unterschri­eb bei Paris St.Germain. Kovac wurde zum kleinsten gemeinsame­n Nenner.

Wenn es vorbei ist, wird Kovac froh sein, dass es vorbei ist. „Es ist schon viel gewesen, aber es kann ein gutes Ende nehmen“, so Kovac letzte Woche. Er nennt die zehn Monate im Amt „sehr lehrreich und sehr intensiv“. Einen Wunsch hat er für die Zukunft: „Wenn es ein bisschen ruhiger wäre, wäre es auch nicht so schlecht.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Bayerns Trainer Niko Kovac wirkte zuletzt in Leipzig alles andere als euphorisch.

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