Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Zukunftsfrage
Die Bayern tun sich schwer mit Coach Kovac
MÜNCHEN - Meistertrainer, womöglich sogar Double-Champion, der erste seit Franz Beckenbauer, der als Spieler und Trainer Meister mit Bayern wird – und dann gefeuert?
Käme es so mit Niko Kovac in den nächsten Wochen – Anzeichen dafür, dass es in der Chefetage des Rekormeisters diese Gedanken durchgespielt werden, gibt es zur genüge: Es wäre ein absolutes Novum im deutschen Fußball. Denn Meistertrainer gehen, wenn überhaupt, nur von selbst. Felix Magath wusste wohl, dass eine Steigerung nicht drin ist und verließ Sensations-Titelträger Wolfsburg im Sommer 2009 für den FC Schalke. Willi Multhaup wechselte als Meister 1965 von Bremen nach Dortmund. Zurück auf seinen Vorstandsposten verschlug es Franz Beckenbauer nach seinem Coup 1994 als Interimscoach mit den Bayern. Jupp Heynckes ging 2013 samt Schale als Bestandteil des Triples in den – vorläufigen – Ruhestand.
Aber einen recht jungen, tatkräftigen Meistertrainer entlassen?
„Es ist schon viel gewesen, aber es kann ein gutes Ende nehmen“
Okay, vielleicht verspielt der 47jährige Berliner am letzten Spieltag kommenden Samstag gegen seinen Ex-Club Eintracht Frankfurt noch die Meisterschaft. Scheitert Kovac auf der Zielgeraden, dürfte Vorstandboss Karl-Heinz Rummenigge den Daumen sowieso senken. Die zwischenzeitlich neun aufgeholten Punkte auf Dortmund kann man dem Trainer ja auch so auslegen, dass es überhaupt so weit kam: neun Punkte Rückstand. Und erklärte Rummenigge nicht Anfang des Jahres beim Branchentreffen Spobis in Düsseldorf minutiös, wie man dem Coach die Rotation ausredete, dass also die Aufholjagd auch was mit der richtigen Weichenstellung durch den Vorstand zu tun hatte? Wenn man denn will, könnte man es so interpretieren.
Auch nach dem verpassten ersten Meister-Matchball, dem 0:0 in Leipzig, war die Kernfrage der gesamten Bayern-Saison erneut das Thema: Darf der tapfere und zähe, aber bisweilen arg vorsichtig spielen lassende und Kovac, der ins Feuer des Umbruchjahres geschickt wurde, über den Sommer hinaus bleiben?
Mittlerweile scheint es egal, wie viele Titel er am Ende an sein Revers heften darf. Beim FC Bayern sei „man verpflichtet, Erfolg zu haben“, weiß Kovac. Aus der Uneinigkeit der Bosse über die Entscheidung, ob genau er der Richtige ist, das neue BayernTeam zu bauen, ist ein unwürdiger Eiertanz der Formulierungen geworden. Auf dem Rücken des eigenen Trainers. Auf dem Höhepunkt der Saison, in der Hitze der Titelentscheidungen. Zielführend? Eher nicht.
Präsident Uli Hoeneß wollte in Leipzig von einer Trainerdiskussion weiter nichts wissen, reagierte auf Nachfragen barsch. Eben weil die Trainerdiskussion da ist – hausgemacht. Während für Hoeneß die Titel für den Trophäenschrank zählen, hat Rummenigge die spielerische Weiterentwicklung der Mannschaft im Auge, gibt sich daher gegenüber Kovac und dessen Zukunft betont kühl und unklar.
Sportdirektor Hasan Salihamidzic hatte keine andere Wahl, als im ZDF-Sportstudio rumzueiern. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Fakten sprechen für Niko Kovac.“Welche Fakten? Zuletzt 13 Spiele ungeschlagen? Oder der Vertrag bis 2021? Wohl kaum. Der schwitzende Salihamidzic weiter: „Niko hat die volle Unterstützung von mir. Wir werden sehen.“Seine, ja. Die hat Kovac. Die von Rummenigge, dem Allesinfragesteller und Nichtgarantiengeber, nicht. Die von Hoeneß?
Der bescheinigte Kovac „gute Arbeit“. Trotz des Ausscheidens in der Champions League gegen Liverpool verteilt er die Note „eins minus“für die Saison. Doch so früh, im Achtelfinale, war man zuletzt 2011 gescheitert. An Liverpool zwar, dem Finalteilnehmer. An Liverpool, das vergangene Woche der ganzen Welt zeigte, was Mut, Wucht und Lust an Siegen bewirken können. Bayern dagegen hatte gegen Liverpool im Rückspiel vor allem eine allzu defensive zaudernde Marschrichtung das Spiel gekostet.
Angeblich soll auch Hoeneß nun an Kovac zweifeln. Und wenn Hoeneß zaudert, zaudert auch Salihamidzic. „Ich habe überhaupt kein Problem mit diesem Trainer“, sagte Rummenigge am Samstag. Und ohne erst recht nicht. Vor allem, weil er dann wohl an der Reihe ist, den nächsten Trainer auszuwählen, ein an der Säbener Straße übliches Wechselspiel. Schließlich hatte Hoeneß Kovac installiert und mit seinem Zögern Rummenigges Favoriten Thomas Tuchel verhindert. Der wollte nicht länger hingehalten werden und unterschrieb bei Paris St.Germain. Kovac wurde zum kleinsten gemeinsamen Nenner.
Wenn es vorbei ist, wird Kovac froh sein, dass es vorbei ist. „Es ist schon viel gewesen, aber es kann ein gutes Ende nehmen“, so Kovac letzte Woche. Er nennt die zehn Monate im Amt „sehr lehrreich und sehr intensiv“. Einen Wunsch hat er für die Zukunft: „Wenn es ein bisschen ruhiger wäre, wäre es auch nicht so schlecht.