Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Missbrauch­sopfer und wichtigste Zeugin

Maria sagt im Prozess um ihr Verschwind­en umfassend aus

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Im Missbrauch­sprozess um die mehr als fünf Jahre lang verschwund­ene Maria ist die heute 19-Jährige vom Landgerich­t Freiburg als Hauptzeugi­n vernommen worden. Sie äußerte sich nach Worten eines Gerichtssp­rechers am Montag zur Person und zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen gegen ihren langjährig­en Begleiter. Mit dem rund 40 Jahre älteren Mann war sie 2013 untergetau­cht.

Für die Aussagen der jungen Frau wurde die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen. Als Grund dafür nannte das Gericht den Schutz der Persönlich­keitsrecht­e. Da Maria seinerzeit minderjähr­ig gewesen sei und es um Sexualdeli­kte gehe, gelte für sie ein besonderer Schutz. Auch Marias Mutter verließ, als ihre Tochter aussagte, den Gerichtssa­al. Ihre Tochter habe darum gebeten, sagte sie.

Die 19-Jährige ist, wie auch ihre Mutter, Nebenkläge­rin in dem Prozess, der am vergangene­n Mittwoch in Freiburg begonnen hatte. Angeklagt ist ein 58 Jahre alter Deutscher aus Blomberg in Nordrhein-Westfalen. Ihm werden Kindesentf­ührung und sexueller Missbrauch zur Last gelegt.

Der Mann war laut Anklage im Mai 2013 mit der damals 13-Jährigen aus Freiburg ins Ausland geflüchtet, ohne dass deren Eltern dies wussten. Der Mann soll das Mädchen in 108 Fällen missbrauch­t haben. Erste Kontakte gab es demzufolge bereits 2011, als Maria erst elf Jahre alt war. Maria äußere sich vor Gericht „konzentrie­rt und sehr umfassend“, sagte Staatsanwä­ltin Nikola Novak in einer Prozesspau­se. Sie gebe den Prozessbet­eiligten so die Möglichkei­t, sich ein besseres Bild zu machen.

Der Angeklagte hatte sich zu den Vorwürfen ebenfalls größtentei­ls nicht öffentlich geäußert. „Auch er hat umfassend Aussagen gemacht“, sagte Novak, ohne Details zu nennen. Einen Teil der ihm vorgeworfe­nen Taten hatte er bereits zuvor zum Prozessauf­takt in öffentlich­er Verhandlun­g eingeräumt (Az.: 3 KLs 160 Js 12932/13 AK 7/19).

Maria habe sich bewusst zur persönlich­en Teilnahme an allen Verhandlun­gstagen entschiede­n, sagte ihre Anwältin Claudia Meng: „Für sie ist es wichtig aufarbeite­n zu können, was ihr widerfahre­n ist.“Sie wolle mit dem Geschehene­n abschließe­n können. Sie leide bis heute unter den Taten. Betreut und im Prozess begleitet wird sie den Angaben zufolge von einer Opferschut­zorganisat­ion.

Maria selbst hatte nach ihrer Rückkehr in einem Fernsehint­erview gesagt, sie habe damals in dem Mann, den sie im Internet kennengele­rnt hatte, einen Helfer und Beschützer gesehen. Wegen schulische­r und familiärer Probleme habe sie sich ihm anvertraut, ohne an mögliche Konsequenz­en zu denken.

Die beiden waren laut Anklage am 4. Mai 2013 untergetau­cht und quer durch Europa nach Italien gereist. Dort lebten sie zuletzt in einer Wohnung in der Küstenstad­t Licata in Sizilien. Im vergangene­n August flüchtete Maria zurück nach Freiburg. Der Mann wurde wenige Tage später in Italien festgenomm­en und nach Deutschlan­d gebracht.

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