Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Ich war erschöpft, lustlos und traurig“
Lena Meyer-Landrut spricht über ihre Krise – und singt im Juni in Ravensburg
2010 hat Lena Meyer-Landrut in Oslo mit „Satellite“den Eurovision Song Contest (ESC) gewonnen. Seither durchlebt die gebürtige Hannoveranerin jegliche Gefühlslagen des Showbusiness. Mit ihrem fünften Album „Only Love, L“gibt die Musikerin die Antwort auf viele Fragen: Liebe hilft immer. Im Interview mit Eva-Maria Peter spricht die 27-Jährige über ihre Veränderung seit dem ESC, Hasskommentare und das Erwachsenwerden.
Lena, du wolltest schon zweimal nach Ravensburg kommen. Immer wieder wurde die Tour und die geplante Veröffentlichung des Albums verschoben, immer wieder war zu lesen, dass du in einer Krise steckst. Was war los?
Das Wort Krise kann ich nicht mehr hören, aber man kann es schon so bezeichnen. Ich war erschöpft, lustlos und traurig. Ich habe ein Album geschrieben, das ich wieder komplett verworfen habe. Ich war nicht nur musikalisch, sondern auch mit mir selber unzufrieden. Das Songwriting war vergleichbar mit einer Operation am offenen Herzen. Dann habe ich mich mit den Themen, die mich runterziehen, auseinandergesetzt und ein neues Album geschrieben. Jetzt bin ich sehr glücklich.
Was bedeutet dein Albumtitel „Only Love, L“für dich?
„Only Love, L“war meine E-MailSignatur. Ich fand es schön, jedes Gespräch und jede Nachricht mit Liebe zu beenden. Selbst wenn ich in geschäftlichen Mails über weniger angenehme Themen sprechen musste. Ein positives Statement wie „Only Love“am Ende hilft dabei, weniger Negativität in die Welt rauszusenden.
Inwiefern zieht sich diese Liebe durch dein Album?
Das ganze Album dreht sich um Liebe. Es ist ein sehr persönliches Album mit tiefgründigen Themen. Ich singe aber auch über meine Ängste und Sorgen oder über Dinge, die mir nicht gefallen. Negativität möchte ich nicht mit Hass bekämpfen, sondern mit Positivität und Liebe.
Wie hast du es geschafft, dich zu öffnen? Ich brauche viel Mut, um mein Innerstes nach außen zu kehren. Der Mut und die Motivation kamen bei mir von innen. Man muss oft einfach nur machen.
Deine Karriere begann 2010, als du für Deutschland den Eurovision Song Contest gewonnen hast. Wie fühlst du dich heute im Vergleich zu damals?
Damals war ich kindlicher und unerfahren. Die Jahre waren sehr intensiv und prägend. Von 19 bis zu meinem jetzigen Alter, das sind heftige Jahre in der Entwicklung. Ganz Deutschland hat mir beim Erwachsenwerden zugeschaut. Ich bin professioneller geworden und habe heute einfach mehr Ahnung von dem, was ich mache. Ich lasse mich nicht mehr von der Medienwelt und der Branche verleiten. Man kann sagen: Ich bin eine kleine Geschäftsfrau geworden.
Wie ist das Gefühl, so früh berühmt zu sein?
Für mich war das damals schnell normal, dass mich jeder auf der Straße anschaut, dass über mich berichtet wird und dass viele Leute bereits eine Meinung über mich haben, bevor sie mich richtig kennen. Entweder man geht daran zugrunde oder man wird stärker. Mit der Zeit bin ich nachsichtiger mit mir geworden. Generell versuche ich, Negatives nicht an mich rankommen zu lassen. Aber es gab Potenzial für „Craziness“.
Wärst Du gerne wie Peter Pan, der niemals erwachsen wird?
Ich fühle mich erwachsener, habe aber das Gefühl, dass ich immer doll Kind bleibe. Das ist eine tolle Eigenschaft.
Und welche Bedeutung haben soziale Medien für dich?
Eigentlich liebe ich soziale Medien. Sie machen großen Spaß. Ich konsumiere und bin ein Teil davon. So kann ich mit meinen Fans kommunizieren. Es ist nur wichtig, dass man den Wert davon nicht zu hoch anlegt. Die Tage sollten nicht von Likes und Followern abhängig sein. Likes sind nicht das Wichtigste im Leben.
Im November 2018 hast du auf Instagram ein Selfie gegen Hasskommentare hochgeladen. Wie hat sich das angefühlt und hat sich dadurch was verändert?
Ich habe gezittert bevor ich das Selfie hochgeladen habe. Hasskommentare bekomme ich immer noch. Es war der Versuch, ein Statement zu setzen. Es ist zum offenen Gespräch gekommen und mehr Menschen beschäftigen sich damit. Allein die Bereitschaft, über dieses Thema nachzudenken und darüber zu sprechen, war ein Erfolg.
In deiner Single „Thank you“singst du darüber, wie negative Erfahrungen stärker machen. Wie funktioniert das?
Bei Hasskommentaren führe ich mir immer wieder vor Augen, dass ich nicht persönlich gemeint bin, sondern dass ich eine Projektionsfläche bin. Negative Kommentare entstehen oft aus Unsicherheiten oder Ängsten. Im Song „Thank You“geht es generell um schwierige Situationen im Leben. Für alles, was einem negativ widerfährt, kann man überspitzt gesagt dankbar sein, weil diese Erfahrungen einen stärker machen.
Was wünschst du dir von Social Media?
Mein einziger Wunsch ist, authentisch zu sein. Jeder ist verantwortlich für sich selber. Manchmal ist es die beste Alternative Leuten zu entfolgen, die negativ sind.
Für was bist du im Leben am dankbarsten?
Für jeden Moment, für jetzt. Für lebendig sein und für diesen Augenblick.