Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Botschafter der Freundschaft
Die Sands Family präsentiert politische, aber auch unterhaltsame Songs – und sogar ein bisschen Goethe-Lyrik
ULM - „On the Road again“: Der erste Titel der irischen Sands Family bei ihrem Konzert im Stadthaus dürfte für die Bandmitglieder auch von persönlicher Bedeutung sein. Denn Tom, Ben, Colum und Anne Sands gründeten (mit dem 1975 tödlich verunglückten Bruder Eugene) ihre Familienband 1967 und sind seit 1969 erfolgreich auf Tour. Und das scheinbar zeitlos: Unter denen, die nach zweidreiviertel Stunden Konzert im fast ausverkauften Stadthaus begeistert aufsprangen, waren auch ganze Gruppen von Jugendlichen – und daneben genauso solche Fans, die möglicherweise schon die erste Deutschlandtour der Folk-Band vor 50 Jahren besucht haben.
Sie spielen zwar auch klassische Folksongs wie „Whiskey in My Tay“, aber die meisten der Titel der Sands Family sind eigene Balladen, sehr persönliche, oft melancholische, aber auch heitere und teilweise politische Geschichten. Auch wenn sie alle vier singen – „die“Stimme der Sands Family ist „Nesthäkchen“Anne, geboren 1955, die erst 13 war, als die Band ihr erstes Album herausbrachte.
Geboren wurden die sieben Kinder von Mick und Bridie Sands auf einem Bauernhof in Nordirland, wo es weder Strom noch fließend Wasser gab, erzählt Anne, dafür jede Menge Musik Tag und Nacht, und singen tun sie alle, seit sie sich erinnern können. Und sie spielen: Gitarre und Banjo, Tin Whistle, Mandoline, Fiddle, Bodhrán und Kontrabass im fliegenden Wechsel.
Die Lieder, das sind feine Miniaturen wie die Liebeserklärung einer älter werdenden Mutter an ihr erwachsenes Kind, oder die kurze, aber wunderschöne Begegnung eines Mannes mit einer Fremden im Café im „Cheesecake Song“aus dem Jahr 2008.
Immer wieder streuen die Mitglieder der Sands Family an diesem Abend Lieder ein, die die Angst spürbar werden lassen, ein Brexit könnte den Nordirland-Konflik wieder aufflammen lassen. Die Furcht vor neuem Blutzoll ist in den Songs greifbar, wenn der 73-jährige Tommy Sands davon singt, wie ein katholischer Freund einst bei der Trauerfeier für einen getöteten protestantischen Freund getötet wurde.
Dass Musik hoffentlich stark genug ist, eine Brücke über politische und konfessionelle Differenzen zu sein, ist die emotionale Botschaft an diesem Abend, um derentwillen es den Samen von Freiheit und Frieden in „Your Daughters and your Sons“anzulegen gelte. Der Song ist wahrscheinlich einer der stärksten Momente des Konzerts.
Aber nur ernst und politisch – so möchte die Sands Family ihr Publikum nicht in die Nacht schicken: Ohne den Refrain des Songs vom störrischen Maultier gesungen zu haben, dessen Hinterbeine man besser meidet, geht keiner nach Hause, hatte Colum gedroht, und er lässt das Publikum singen.
Und natürlich lässt umgekehrt das Publikum die Musiker nicht ohne Zugaben von der Bühne. „Goethe’s Song“ist eine der schönsten, und Colum Sands schafft es, deutsche Sätze wie „Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer in Quellen malt“zu singen – auch wenn die vier Geschwister (die ziemlich gut Deutsch sprechen) finden, dass „Ulm“ganz schön schwer über die Lippen geht ist.