Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Vier Augen sehen mehr als zwei
Eishockey-Bundestrainer Toni Söderholm vertraut bei der WM in Kosice auf einen alten Wegbegleiter als Berater
Die zweite Schweden-Saison bei Frölunda HC lief nicht wirklich gut. Als der Eishockeyverteidiger Toni Söderholm die Konsequenz zog Anfang 2009 und zurück nach Helsinki ging („um wieder zu meiner Identität als Spieler zu finden“), stand Kari Jalonen hinter der HIFK-Bande. „Er hat mich wieder in die Spur gebracht“, erzählte Toni Söderholm dieser Tage, und dass am Ende des Miteinanders der Meistertitel 2010/2011 in Finnlands Liiga stand. Nach Play-offs übrigens, in denen die Defensivkraft Söderholm ihre offensiven Fähigkeiten ungebremst ausspielen durfte, in 16 Partien vier Tore und sechs Vorlagen verbuchte – Kari Jalonen kannte die Stärken der Seinen.
Kennt sie noch immer: Aktuell ist der 59-Jährige aus Oulu Meistermacher beim SC Bern. Nein: Ganz aktuell ist der Eishockeylehrer Jalonen Tribünengast bei der Weltmeisterschaft in der Slowakei. Fortbildung in eigener Sache? Auch. Vor allem ist es ein Gefallen aus enger Verbundenheit, den Kari Jalonen tut: Er berät, er coacht Toni Söderholm. Der ist Kollege inzwischen, deutscher Bundestrainer seit Jahresanfang. Kari Jalonen war Finnlands Nationaltrainer vor seinem Berner Engagement, war WM-Zweiter 2016. Der Mann hat einen Namen.
Und: Er hat einen Blick für das Spiel. Leonardo Genoni, Torhüter zu Bern (und in der Schweizer Auswahl), kennt Kari Jalonen so: „Kari sagt zwar nicht viel, aber er sieht viel.“Jetzt in Kosice aus einer ganz anderen Perspektive, jetzt mit naturgemäß größerer Distanz zu den handelnden Personen.
Das macht die Jalonen’schen Anmerkungen so wertvoll, hebt die Qualität. Der deutschen Auftritte. Von Toni Söderholms Arbeit. Stefan Schaidnagel, der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB): „Das Abgleichen von interner und externer Wahrnehmung soll uns positive Aufschlüsse geben, wie wir uns ständig verbessern und weiterentwickeln können.“Dem harzigen 3:1 über Großbritannien ließ Toni Söderholms Mannschaft gleich am Sonntag ein phasenweise fein erspieltes 2:1 gegen kompakt-wehrhafte Dänen folgen. Wieviel Jalonen da drinsteckte?
Reiner Freundschaftsdienst
Die Antwort bleibt in der deutschen Kabine, in Toni Söderholms Laptop, in seinem Kopf. Interessieren würde sie wohl auch Swiss Ice Hockey. Zwar spielt das eidgenössische Team in der anderen Gruppe, Verbandsfunktionär Raeto Raffainer aber äußerte zumindest Verwunderung, „dass wir nicht auf das Know-how unserer Schweizer Clubs zurückgreifen dürfen – und unsere härtesten Konkurrenten schon“. Die Schweiz, derzeit WeltranglistenSiebter, und Deutschland als Achter haben beide Ambitionen, sich bei der WM direkt für Olympia 2022 in Peking zu qualifizieren ... Beim SC Bern sieht man die Anwürfe entspannt, eines jedoch will Sportchef Alex Chatelain gesagt wissen: „Wir wurden nicht vom Deutschen Eishockey-Bund angefragt. Es ist ein reiner Freundschaftsdienst zwischen Kari und Toni.“Unentgeltlich deshalb auch.
Es passt zu Toni Söderholm, dass er sein Tun hinterfragt, es von hochkompetenter Seite reflektiert wissen will. Den Austausch mit Kari Jalonen gab es schon lange, ihn nun zu forcieren, lag nahe – vier Augen sehen mehr als zwei. Auch wenn zu denen in Kosice acht weitere dazukommen: Als Torwarttrainer mit dabei ist der bei Red Bull München (und Olympiasilber) erprobte 44-jährige Kanadier Patrick Dallaire, im Co-Trainer-Trio hat Tobias Abstreiter die meiste einschlägige Erfahrung. Der 48-Jährige aus Landshut gehörte schon zu Marco Sturms Team, seit März ist er zudem hauptamtlicher U20-Coach des DEB.
Unbekannte(re) Größe ist Cory Murphy, 41 Jahre alt, früher Verteidiger, Weltmeister mit Kanada (2007), 2018/19 Assistenztrainer bei Rögle BK in Schweden. Und Steven Reinprecht? Sein Name steht auf dem StanleyCup-Sockel, Weltmeister (2003) war auch er, in Nürnberg wird seine Trikotnummer, die 28, nicht mehr vergeben. Im März intensivierte Toni Söderholm den Kontakt zu dem 43-jährigen Kanadier, der mittlerweile im Stab von University of Denver Athletics die Stürmer mitbetreut. Er kam.
Die erste Weltmeisterschaft könnte besser laufen als Jahr zwei damals in Schweden; die Identitätsfindung des Trainers Söderholm ist weit vorangeschritten. Sein Personalpuzzle jedenfalls ergibt ein ziemlich stimmiges Bild.