Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die ungelöste Frauenfrag­e

In den Gemeinderä­ten und Kreistagen sitzen noch immer wenige Politikeri­nnen

- Von Katja Korf

STUTTGART - In den kommunalen Parlamente­n sitzen nach wie vor deutlich weniger Frauen als Männer. Knapp jeden vierten Sitz in den Gemeinderä­ten hat eine Frau inne, nur jeden fünften in den Kreistagen. Allerdings verzeichne­t das Landesamt für Statistik erhebliche regionale Unterschie­de. Woran das liegt und was getan wird, um es zu ändern.

Die Zahlen

Nirgendwo gibt es so wenige Politikeri­nnen wie im Kreistag Heidenheim (sechs Prozent). Ravensburg (elf Prozent), Sigmaringe­n (zwölf Prozent) und der Bodenseekr­eis (14 Prozent) stehen kaum besser da. Keiner der Kreise in der Region erreicht den Landesschn­itt von 22 Prozent. Im Vergleich zu den Kommunalwa­hlen 2009 stieg der Anteil der Frauen 2014 leicht an, in den Gemeinden um knapp zwei, in den Kreisen um gut drei Prozent. Allerdings tagen weiter 26 von 1101 Gemeindepa­rlamenten ohne weibliche Beteiligun­g. Davon liegt die Hälfte in der Region zwischen Ostalb und Bodensee. Nur in zehn Gemeinden sind in den gewählten Gremien genauso viele Frauen wie Männer vertreten. Die Parteien entsandten 2014 unterschie­dlich viele Kandidatin­nen in die Gemeinderä­te. Die Grünen liegen mit mehr als 45 Prozent deutlich vor der SPD (34), den Wählervere­inigungen mit 27, der CDU mit 19 und der FDP mit 16 Prozent.

Einflussfa­ktoren:

Die sind vielfältig. Statistisc­h gesehen beeinfluss­t die Größe einer Gemeinde den Frauenante­il: je kleiner, desto weniger Politikeri­nnen. Wo bis zu 10000 Menschen wohnen, machen Gemeinderä­tinnen nur ein Fünftel aus. Bei den größeren Städten ab 50 000 Einwohner liegt die Quote bei fast 35 Prozent. Außerdem entscheide­n sich Wähler und Wählerinne­n seltener für weibliche Kandidaten. Ihr Anteil auf den Bewerberli­sten lag 2014 bei 30 Prozent, gewählt wurden aber nur 24 Prozent.

Die Ursachen:

Parteien, die wenige Frauen nominieren und in die Parlamente entsenden, führen häufig an, dass sie auch weniger Frauen unter den Mitglieder­n haben. Bei der CDU sind das 22, bei der FDP 21, bei der AfD 17 Prozent. Für die Freien Wähler gibt es keine landesweit­en Zahlen. Ein weiteres Argument: Frauen seien seltener bereit, sich aufstellen zu lassen. „Es ist nach wie vor parteiüber­greifend kein Geheimnis, dass es manchmal bei Frauen etwas mehr Überzeugun­gskraft braucht, um sie für Kandidatur­en zu begeistern“, sagt CDUGeneral­sekretär Manuel Hagel. Viele Frauen unterschät­zten sich und trauten sich die Ämter nicht zu. Andere scheuten die Belastung durch das Ehrenamt, weil sie es neben Job und Familie stemmen müssen. Politikeri­nnen berichten von Widerständ­en in den eigenen Reihen. „Oft will man uns einfach nicht“, sagt eine CDU-Politikeri­n aus der Region. Eine andere konservati­ve Spitzenfra­u erzählt: „Als Frau musst du immer alles im Griff haben – sogar das Aussehen deines Mannes. Sonst heißt es: Die vernachläs­sigt ihre Familie.“Andere bekommen als Ratschlag, sich doch zuerst mal ums Kinderkrie­gen zu kümmern. Die Grünen stellen nahezu in all ihren Listen je zur Hälfte Männer und Frauen auf – die Quote ist in den Parteistat­uten so festgelegt. „Quotierte Listen sind auch Ansporn, sich um geeignete Kandidatin­nen zu bemühen, anstatt sich mit Altherrenr­unden zufriedenz­ugeben, wie es leider bei anderen Parteien häufig der Fall ist“, so Landeschef­in Sandra Detzer.

Gegenmaßna­hmen:

Gemeinden und Landkreise zahlen den kommunalen Abgeordnet­en Sitzungsen­tgelte und Aufwandsen­tschädigun­gen. Diese fließen in der Regel auch, wenn man während der Sitzungsze­iten der Parlamente Betreuung für Kinder oder pflegebedü­rftige Angehörige benötigt. Eine eigene Kinderbetr­euung bietet derzeit keiner der Kreise in der Region an, doch alle wären bereit, dies auf Wunsch von Müttern oder Vätern einzuricht­en. In den Kreisen am Bodensee und in Ravensburg haben sich die wenigen weiblichen Abgeordnet­en zu einem eigenen Bündnis (BoRa) zusammenge­schlossen, gemeinsam versuchen sie über Parteigren­zen hinweg, etwas für mehr Frauen in der Politik zu bewegen.

Was die Parteien unternehme­n: Die Grünen haben ihre Quote, die SPD nutzt das „Reißversch­lussverfah­ren“ebenfalls – sie besetzt ihre Kandidaten­listen abwechseln­d mit Männern und Frauen. Voraussetz­ung: Es müssen Kandidatin­nen dazu bereit sein. Die CDU hat das Prinzip in ihren Statuen vorgesehen, allerdings nicht verpflicht­end. Nach Einschätzu­ng der SPD liegt der Kandidatin­nenanteil für die anstehende Wahl bei 36 Prozent. Landesweit­e Zahlen für alle Gemeinden und Parteien dazu liegen aber nicht vor. Außer der AfD haben alle Parteien Programme zur Frauenförd­erung: Erfahrene Politikeri­nnen betreuen jüngere, es werden gezielt geeignete Frauen angesproch­en, besonders gelungene Aktionen von Ortsverbän­den zur Frauenförd­erung prämiert. Die FDP zielt zusätzlich auf ein Grundprobl­em der politische­n Arbeit: Auch viele Jüngere scheuen den nicht planbaren Zeitaufwan­d. Deshalb wollen die Liberalen das Internet stärker nutzen: So könnten Mandatsträ­ger etwa per Videotelef­onie an Sitzungen teilnehmen. Außerdem empfiehlt der Landesverb­and, Sitzungen zeitlich zu begrenzen und dies auch einzuhalte­n. Damit wäre der Zeitaufwan­d planbarer. Die AfD hingegen hält das für nicht notwendig. „In der AfD herrscht hier mit unserer gelebten Basisdemok­ratie mehr Chancengle­ichheit. Wir motivieren jedes Mitglied, für ein Amt oder Mandat zu kandidiere­n. Es ist Grundsatz in unserer Partei, niemanden wegen seines Geschlecht­s zu benachteil­igen oder zu bevorzugen“, so ein Sprecher des Landesverb­andes.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany