Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Aufstand gegen Boeing
Piloten weltweit lehnen die schnelle Wiederinbetriebnahme der 737 Max ab
BERLIN - Wenn das Vertrauen in einen Flugzeugtyp einmal zerstört ist, dann ist es fast unmöglich, es wiederherzustellen. Der US-Flugzeughersteller Boeing hatte Mitte der Woche angedeutet, die umstrittenen Maschinen des Typs 737 Max möglicherweise schon bald wieder in die Luft zu bringen – und hatte das als gute Nachricht verstanden. Doch jetzt proben Piloten, Fluggesellschaften und Luftfahrtexperten den Aufstand gegen das Vorhaben einer schnellen Rückkehr der Flugzeuge in den Alltagsdienst. „Wir finden es zutiefst beunruhigend, dass die FAA und Boeing eine Wiederindienststellung planen, ohne die offenen Fragen zur Konstruktionsphilosophie der Max zu diskutieren“, teilte die Europäische Pilotenvereinigung ECA mit Blick auf die Überlegungen des Flugzeugbauers und die amerikanische Luftverkehrsbehörde FAA mit.
Ähnlich hatten sich bereits Pilotenvereinigungen aus Amerika geäußert. Die Sorge um die Sicherheit der Maschinen steigt, weil die FAA der 737 Max möglicherweise schon bis Ende Juni die Unbedenklichkeit bescheinigen will, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Boeing hat großes Interesse daran, die Flugzeuge schnell wieder für einsatzfähig erklären zu lassen. Fast 400 Jets stehen weltweit in Hangars, auf Flugplätzen und sonstigen Freiflächen herum – Boeing selbst hat sogar den Mitarbeiterparkplatz räumen lassen, um noch ein paar Maschinen mehr auf dem eigenen Gelände unterzubringen. Jeder Tag kostet Geld. Die chinesischen Fluglinien, also die global wichtigsten Kunden für neue Flugzeuge, fordern bereits hohe Entschädigungen. Der Luftfahrtverband dort schätzt die Kosten der Ausfälle bereits auf eine halbe Milliarde Euro. Wettbewerber weltweit folgen dem chinesischen Vorbild.
Die Flugzeuge stehen am Boden, weil im Oktober und März je eine Maschine unter ominösen Umständen abgestürzt ist. Es hat sich seitdem herausgestellt, dass der Bordcomputer sich in bestimmten Situationen höchst eigenwillig verhält und dem Flugzeug einen Sinkflug aufzwingt. Grund ist unter anderem der Umgang mit den Messfühlern zur Stellung im Luftstrom. Die Ingenieure verlassen sich für eine wichtige Funktion auf einen einzelnen Sensor. Geht dieser kaputt, ist das Flugzeug in Not. Die europäischen Piloten werfen Boeing nun offen vor, vor Auslieferung der neuen Variante der 737 nicht genug über diese Funktionen informiert zu haben.
Boeing hat inzwischen eine aktualisierte Software entwickelt, die die Probleme beheben soll. Doch selbst wenn die Luftaufsichtsbehörde das Flugzeug wieder freigibt, tun sich zahlreiche Probleme auf. Wenn Flugzeuge erst einmal monatelang geparkt waren, brauchen sie umfangreiche Prüfungen und Testflüge, um wieder sicher in den Alltagsbetrieb eingegliedert werden zu können. In Einzelfällen ist das kein Problem, doch als Massenphänomen dürfte das Monate dauern, warnen Vertreter von US-Airlines gegenüber Reuters. Und auch die versprochene Fortbildung der Piloten zu den Eigenheiten der Boeing 737 Max steht noch aus.