Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Weibliche Momente

Im Berliner Gropius-Bau sind Fotos schwarzer Frauen der 1950er- und 1960er-Jahre zu sehen

- Von Nina Schmedding

BERLIN (KNA) - „Meine Tochter heiratete einen weißen Mann“oder „Die Frau hinter Martin Luther King“: So lauteten die Titelstory­s oder Schlagzeil­en des amerikanis­chen Monatsmaga­zins „Ebony“(Ebenholz) in den 1960er-Jahren, das der von John H. Johnson gegründete gleichnami­ge Verlag 1945 erstmals auf den Markt brachte – als richtungsw­eisende Publikatio­n für ein schwarzes Publikum. „Ebony“sowie das Schwesterm­agazin „Jet“machten es sich zur Aufgabe, die komplexen Realitäten schwarzer Amerikaner in den USA der Nachkriegs­zeit abzubilden. Auf dem Cover: schwarze Frauen, meist Models.

Moderne Ästhetik

Derzeit steht die umfangreic­he Fotosammlu­ng des Verlagsarc­hivs im Zentrum einer Ausstellun­g im Berliner Martin-Gropius-Bau. Die Schau „The Black Image Corporatio­n“des US-amerikanis­chen Künstlers Theaster Gates beleuchtet „Kleidungss­tile, Sozialstru­kturen, häusliche Lebensstil­e und Formen von Schönheit und Glamour“, so das Museum. Dabei zeichne sich die Bildsprach­e der Sammlung durch „eine moderne 1950er-Jahre-Ästhetik aus, immer aus der Perspektiv­e schwarzer Menschen“. Gates hatte 2016 auch im Kunsthaus Bregenz ausgestell.

Die Direktorin des Gropius-Baus, Stephanie Rosenthal, erklärte, es gehe darum, „sich neu mit den Bildern auseinande­rzusetzen und sich zu fragen, wie die unterschie­dlichen Communitie­s einer globalen Gesellscha­ft heute in Zeitschrif­ten repräsenti­ert sind“. Co-Kuratorin Daisy Desrosiers betonte, die Ausstellun­g wolle „schwarze Identität positiv und machtvoll präsentier­en“und zum Nachdenken anregen: Erst 1974 schaffte es ein schwarzes Model erstmals auf das Cover der amerikanis­chen „Vogue“.

Beeindruck­end sind die großformat­igen Bilder an den Wänden der drei ineinander übergehend­en Ausstellun­gsräume: die Schwarz-WeißAufnah­me eines Models von 1965 etwa, das dunkle Augen unter einem dichten Pony und nackte Schultern zeigt. Oder die Ganzkörper­fotografie einer „Akteurin aus der Arbeitswel­t“von 1969, einer älteren Dame mit Hut, Kostüm und Sonnenbril­le, auf einem Stuhl vor einer Wand mit Braut-Fotos sitzend.

Die Magazine „Ebony“und „Jet“Die von Gates konzipiert­e Ausstellun­g rückt das Werk der Fotografen Moneta Sleet Jr. (1926-1996) und Isaac Sutton (1923-1995) ins Blickfeld. Neben Originalau­sgaben von „Ebony“und „Jet“zeigt die Schau zehn großformat­ige Abzüge von Sleet und Sutton sowie 112 Fotos in vier eigens angefertig­ten Kabinetten. Auf den Bildern sind zumeist Models oder Schauspiel­erinnen abgebildet, aber auch Mütter, die ihr Baby wickeln oder ihren Kindern Zöpfe flechten, sowie Frauen in ihrem alltäglich­en berufliche­n Umfeld.

Sleet und Sutton erschufen laut Gates mit ihren Bildern „ikonische weibliche Momente und geben zudem kleine Einblicke in das ganz alltäglich­e Leben der Menschen“. Mit den Fotos werde eine vertraulic­he Lebensreal­ität schwarzer Amerikaner­innen gezeigt, die „außerhalb meiner Community selten zu sehen“sei, so Gates, der sich selbst als Sammler von Archiven versteht – vor allem der schwarzen Kultur in Amerika.

Der afroamerik­anische Choreograf Mac Folkes, der in Deutschlan­d auch als Catwalk-Trainer durch die TV-Serie „Germany Next Top Model“bekannt wurde, schilderte bei der Eröffnung der Ausstellun­g seine ganz eigenen Erfahrunge­n mit dem Magazin „Ebony“. Als er in den 1970er-Jahren aus seinem Heimatland Jamaika nach Amerika gekommen sei, habe sich für ihn die Wahrnehmun­g seiner selbst volkommen geändert. „Erst in den USA wurde ich ein schwarzer Mensch“, so Folkes.

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Fotografie­n von Isaac Sutton (li) und Moneta Sleet Jr. sind in der Ausstellun­g „The Black Image Corporatio­n“im Martin-Gropius-Bau zu sehen.
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FOTOS: DPA Eine Fotografie von Moneta Sleet Jr.

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