Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Autofahrer sollen ohne Prüfung Motorradfahren
Ohne Prüfung aufs Zweirad – Vorschlag von Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) stößt auf Kritik
HAMBURG (AFP) - Um die Mobilität vor allem im ländlichen Raum zu erhöhen will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Autofahrern den Zugang zum Motorradfahren deutlich erleichtern. Scheuer plant nach Angaben seines Ministeriums vom Donnerstag eine Änderung der Fahrerlaubnisverordnung, nach der für leichte Motorräder von bis zu 125 Kubikmetern künftig keine zusätzliche Prüfung nötig sein soll. Laut dem Entwurf sind in Zukunft lediglich wenige Übungsstunden vorgesehen. Der TÜV-Verband kritisierte die geplante Änderung.
BERLIN (dpa) - Autofahrer sollen künftig ohne Prüfung leichte Motorräder fahren dürfen. Wer ohne Motorradführerschein mit einem sogenannten 125er unterwegs sein will, müsse aber mindestens 25 Jahre alt sein, seit fünf Jahren einen Führerschein der Klasse B haben und eine Schulung mit fünf 90-minütigen Einheiten hinter sich bringen. So heißt es in einem Verordnungsentwurf des Bundesverkehrsministeriums.
Experten sehen den Vorstoß sehr kritisch – denn Motorradfahren ist bekanntlich gefährlich.
Es geht dabei um Krafträder der Klasse A1 mit einem Hubraum von bis zu 125 Kubikzentimeter und einer Motorleistung von nicht mehr als 11 Kilowatt, also 15 PS. Unter diese Klasse fällt auch eine Vielzahl von Motorrollern für den Stadtverkehr.
Die erweiterte Fahrerlaubnis soll nur für Deutschland gelten. Wer seinen Autoführerschein vor dem 1. April 1980 gemacht hat, darf diese Krafträder sowieso fahren.
Schneller als 100 km/h
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hält überhaupt nichts von dem Vorstoß von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Diese Leichtkrafträder könnten schneller als 100 Kilometer pro Stunde fahren und seien nach den besonders stark motorisierten Motorrädern die gefährlichste Fahrzeugklasse in der Unfallstatistik, schreiben die Experten in einer Stellungnahme. Es sei „fraglich“, dass „plötzlich“die Anforderungen deutlich gesenkt werden sollten – die EU erlaubt das den Mitgliedsstaaten nämlich schon seit 13 Jahren. Im Jahr 2017 starben laut Statistischem Bundesamt 66 Fahrer solcher Leichtkrafträder bei Unfällen. A1-Motorräder hätten bei den „Hauptverursachern von Unfällen mit Personenschaden den traurigen Platz 2“belegt, schreibt der DVR.
In der Schulung sollen laut Verordnungsentwurf in Theorie und Praxis nur „die wesentlichsten Grundlagen“des Motorradfahrens vermittelt werden. Ziel sei „die Befähigung zum sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Führen eines entsprechenden Leichtkraftrades“, heißt es im Papier. Die Führerschein-Erweiterung soll demnach etwa 500 Euro kosten.
Aus Sicht von Fahrlehrern reicht das nicht. „Das zentrale Problem ist die fehlende fahrerische Kompetenz“, sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF), Dieter Quentin. Schon jetzt sei ein Großteil der Unfälle mit Motorrädern auf Fahrfehler zurückzuführen. Mit der vorgeschlagenen Regelung steige das Risiko, die geplante Schulung sei „völlig unzureichend“. Unter „Begründung“heißt es im Entwurf lediglich, die EU gebe den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Autofahrer auch A1-Motorräder fahren zu lassen – das solle genutzt werden. Österreich habe diese Regelung auch schon.
Der Verkehrssicherheitsrat findet das „vollkommen unverständlich“. Wenn man ein größeres Risiko in Kauf nehme, müsse das „zumindest einem erkennbaren Ziel“dienen, etwa der Förderung der Mobilität. „An der Unfallstatistik lässt sich aber gerade ablesen, dass Leichtkrafträder in starkem Maße für Freizeitfahrten am Wochenende in den Sommermonaten genutzt werden, und nicht primär, um zur Arbeitsstätte zu gelangen“, heißt es in der Stellungnahme.
Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten „mittelfristig“auf null zu senken. Der Verkehrssicherheitsrat schrieb dazu, dass dieses Ziel nur erreicht werden könne, wenn die Fahrer gut ausgebildet seien: „Nur so können Gefahrensituationen vermieden oder wenigstens schwere Folgen abgewendet werden.“Das gelte besonders für die große und besonders verletzliche Gruppe der Fahrer von Motorrädern. Wenn jetzt aber kein eigener Führerschein für leichte Motorräder mehr notwendig sei, werde genau das Gegenteil bewirkt.
Auch der TÜV ist gegen die neue Regelung. Ein „Kurzprogramm“reiche nicht, sagte Richard Goebelt vom TÜV-Verband (VdTÜV). Vor allem die praktischen Fahrstunden genügten nicht. Künftig solle erlaubt werden, keine Übungen im echten Straßenverkehr durchzuführen – das sei für die Sicherheit „verheerend“.
Zustimmung kam dagegen von der FDP im Bundestag. „Der Vorschlag von Minister Scheuer geht in die richtige Richtung“, sagte Verkehrsexperte Oliver Luksic. Die Fraktion werde ihn wohlwollend prüfen.