Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schluss mit der Nabelschau

- Von Sebastian Borger ●» politik@schwaebisc­he.de

Mit Urwahlen durch Parteimitg­lieder haben die Briten schlechte Erfahrunge­n gemacht. Bei den Torys kam auf diesem Weg zu Beginn des Jahrhunder­ts ein Rechtsauße­n ans Ruder. Er erwies sich als so unfähig, dass er nach zweijährig­er Amtszeit von der Unterhausf­raktion gestürzt wurde. Bei Labour gewann 2010 Edward Miliband gegen die Mehrheit von Fraktion und Parteimitg­liedern, weil damals assoziiert­e Gewerkscha­ftler mitstimmen durften. Es folgte eine vernichten­de Wahlnieder­lage. Daraufhin kürte das Parteivolk den Linksaußen Jeremy Corbyn, wiederum zum Entsetzen der Fraktion. Dessen Dogmatismu­s sowie fehlende Team- und Führungsfä­higkeit trugen zum Brexit bei und diskrediti­erten die Arbeiterpa­rtei bei gemässigte­n Wechselwäh­lern.

Bei all diesen Urwahlen ging es um den Opposition­sführer. Nun aber schickt sich die Regierungs­partei an, den künftigen Premiermin­ister Ihrer Majestät zu krönen. Die Konservati­ven verfügen im Unterhaus über keine Mehrheit, zudem streiten Vertreter der diversen Flügel seit Monaten wie die Kesselflic­ker. Und dem gespaltene­n Land bleiben wenig mehr als vier Monate bis zum endgültige­n Brexit-Termin Ende Oktober. Einigkeit hat also einen noch höheren Stellenwer­t als ohnehin schon.

Von Boris Johnson mag man halten, was man will. Aber der BrexitVork­ämpfer hat am Donnerstag gegen drei andere Kandidaten die Mehrheit der Unterhausf­raktion hinter sich gebracht, sein Konkurrent Jeremy Hunt geht mit der Unterstütz­ung von 24 Prozent ins Rennen. Die Urwahl ist überflüssi­g. Sie lässt das Land weitere vier Wochen führungslo­s dastehen. Wochen, die doch zur Lösung des Brexit-Dilemmas dringend gebraucht würden. Das Schaulaufe­n wäre sogar katastroph­al, wenn am Ende der amtierende Außenminis­ter gewinnt. Denn Premiermin­ister müssen sich im Unterhaus bewähren. Dort genießt Hunt nicht einmal das Vertrauen der eigenen Fraktion, geschweige denn der Mehrheit des Hohen Hauses. Die Tories sollten sich selbst und dem Land die alberne Nabelschau ersparen und sofort Johnson aufs Schild heben.

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