Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Transfer-Sensation
Wieso die DFB-Elf nur einen Tag hat, um sich auf Achtelfinalgegner Nigeria einzustellen
Hummels Rückkehr und die Auswirkung auf die Liga
GRENOBLE (SID) - Kniffeln, Wassertreten, WM-Spiele schauen: Aus der nervigen Warterei auf ihren Achtelfinalgegner machten die deutschen Fußballerinnen in den vergangenen Tagen neben dem Training das Beste. „Natürlich wäre es schön, wenn man wüsste, gegen welchen Gruppendritten man spielt“, sagte Vize-Kapitänin Svenja Huth, „nichtsdestotrotz sind wir total fokussiert und wollen uns sowieso mehr auf uns konzentrieren.“
Erst am späten Donnerstagabend war Aufatmen angesagt: Die DFB-Elf trifft im Achtelfinale auf Nigeria – und nicht auf Mitfavorit Brasilien.
Schuld an der tagelangen Hängepartie war der unübersichtliche WM-Modus mit 24 Teams, von denen auch die vier besten Dritten der sechs Vierergruppen in die Runde der letzten 16 einzogen. Chile brauchte gegen Thailand am letzten Gruppenspieltag einen Sieg mit drei Toren Unterschied, um Nigeria den Platz in der K.o.-Runde abzujagen. Beim 2:0 (0:0) trafen die Südamerikanerinnen zusätzlich noch dreimal die Latte, einmal bei einem Foulelfmeter in der 86. Minute.
Aufgrund des komplizierten Modus wäre bei einem chilenischen Sieg mit drei Toren Unterschied Brasilien mit der neuen WM-Rekordtorschützin Marta der deutsche Gegner gewesen. Nun spielt Deutschland am Samstag (17.30 Uhr/ZDF und DAZN) in Grenoble gegen Nigeria. Und das Nationalteam um die Ailingerin Giulia Gwinn und die Ratzenriederin Melanie Leupolz in Grenoble nur einen Tag zur gezielten Vorbereitung. Für Nigeria ist es freilich noch schlimmer – hat es doch nur einen Tag zur Anreise.
Maroszan-Rückkehr ungewiss
Ein Sprecher des Weltverbandes FIFA begründete das komplexe Verfahren mit den vielen verschiedenen Konstellationen laut „Bild“folgendermaßen: „Es soll sichergestellt sein, dass Mannschaften, die in der Vorrunde gegeneinander gespielt haben, erst wieder im Endspiel aufeinandertreffen können.“
Angesichts der nagenden Ungewissheit verbrachten die Spielerinnen neben Gesellschaftsspielen und Abkühlung beim Baden im Kurort Uriage-les-Bains viel Zeit vor dem TV. „Wir schauen bei den anderen Spielen genau hin, achten auf Stärken und Schwächen“, sagte Huth. Die Flügelflitzerin ist in dieser schwierigen Situation zudem als WG-Partnerin in besonderer Funktion gefragt.
Im Grand Hotel teilt sie sich nämlich ein Zimmer mit der verletzten Spielmacherin Dszenifer Marozsan, mit der sie seit Jahren eng befreundet ist. „Es geht ihr gut, sie ist kämpferisch. Wir versuchen alle, Dzseni zu helfen, und sie versucht alles, um wieder fit zu werden“, sagte die 28Jährige, die zur kommenden Saison von Turbine Potsdam zum VfL Wolfsburg wechselt.
Nach der im Auftaktspiel gegen China (1:0) erlittenen Fraktur der linken Mittelzehe ist ein Einsatz von Marozsan im Achtelfinale aber höchst unwahrscheinlich. So muss der Olympiasieger voraussichtlich ohne seine unbestritten beste Fußballerin den nächsten Schritt schaffen.
Das Zwischenfazit bleibt, dass sich die DFB-Auswahl dazu steigern muss. „Es sind immer noch zu viele überflüssige Fehlpässe im Spiel – und diese oft ohne richtigen Druck des Gegners“, befand auch Ralf Kellermann, sportlicher Leiter der FrauenAbteilung des VfL Wolfsburg, in seiner „kicker“-Kolumne: „Das muss die Mannschaft in der K.o.-Phase noch abstellen, wenn sie weit kommen und Großes erreichen will.“
Das unterschreibt auch die Mannschaft. „Wir hatten einen Umbruch mit einer neuen Trainerin“, sagte Verteidigerin Verena Schweers: „Vor dem Turnier wussten wir nicht genau, wo wir stehen.“In der Gruppenphase habe man sich aber dann von Spiel zu Spiel gesteigert: „Wir wissen alle, dass wir noch mehr können. Deshalb pushen wir uns in jeder Einheit.“