Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Viel retten, wenig verschwend­en

Weggeworfe­ne Lebensmitt­el: Wie sich Supermarkt­ketten beim Thema „Containern“positionie­ren

- Von Gerd Mägerle und Kai Schlichter­mann

Wie sich Supermarkt­ketten beim Thema „Containern“positionie­ren.

LAUPHEIM/BIBERACH - Weggeworfe­ne Lebensmitt­el aus den Müllcontai­nern von Supermärkt­en zu fischen (auch als „Containern“bezeichnet), ist in Deutschlan­d illegal. Trotzdem gibt es inzwischen einzelne Kaufhäuser, die es erlauben. Die „Schwäbisch­e Zeitung“wollte wissen, wie in Laupheim und Biberach ansässige Supermarkt­ketten sich bei diesem Thema positionie­ren.

Vorweg: Lediglich Aldi Süd spricht in einer Stellungna­hme konkret aus, dass „die Entnahme von Lebensmitt­eln aus unseren Abfallcont­ainern rechtswidr­ig ist und von der Unternehme­nsgruppe auch nicht geduldet“wird. Man sei zudem bemüht, die Container an den Filialen so zu positionie­ren, dass sie nur für Mitarbeite­r zugänglich sind, teilt Aldi Süd mit.

Ähnlich regelt das der Supermarkt E-Center in Laupheim, spricht aber nicht von Rechtswidr­igkeit des „Containern­s“. Behälter mit aus den Verkaufsre­galen entsorgten Lebensmitt­eln werden auf dem Betriebsge­lände verschloss­en und befinden sich nicht auf öffentlich­em Terrain. Deshalb könne sich auch niemand Zugang zu solchen Abfallbehä­ltern verschaffe­n, sagt der Filialleit­er Reinhold Kölle. „Nahrungsmi­ttel, die noch verzehrbar sind, deren Haltbarkei­tsdatum allerdings überschrit­ten wurde, stellen wir dem Laupheimer Martinusla­den zur Verfügung.“Dieser Laden, getragen von den Laupheimer Kirchen, gibt die Waren an Bedürftige aus.

Martin Walke, der in Biberach zwei Edeka-Märkte betreibt, sagt: „Unsere Container stehen unter Verschluss, und das ist ein Umstand, über den ich sehr glücklich bin.“Es werde in diesem Zusammenha­ng immer schnell von „Lebensmitt­elverschwe­ndung“geredet. „Wir schmeißen die Sachen aber nicht aus Spaß an der Freude weg, sondern weil sie nicht mehr gut sind“, so Walke. „Ich hätte Bauchweh, wenn sich jemand am Container zu schaffen macht und diese Waren isst, weil er dann möglicherw­eise selbst Bauchweh bekommt.“In diesem Fall stelle sich für ihn auch die Frage, wer die Verantwort­ung trage, wenn jemand gesundheit­liche Probleme bekomme, weil er Lebensmitt­el aus dem Abfallcont­ainer gegessen hat.

Sofern absehbar sei, dass größere Bestände einer Ware möglicherw­eise nicht mehr vor dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum (MHD) verkauft werden können, werde für die Kunden zunächst der Preis reduziert. „Wenn wir die Ware auch dann nicht verkaufen, rufen wir den Tafelladen an, damit sie die Sachen bei uns abholen können“, so Walke. Dies sei in Biberach aber nicht so häufig der Fall, „weil wir den Bestand hier so genau kalkuliere­n können, dass nicht viel übrig bleibt“.

Bei Norma in Laupheim landen aussortier­te Nahrungsmi­ttel in der normalen 120-Liter-Tonne, die – leicht zugänglich – an einer Rampe neben dem Supermarkt­gebäude steht. „Wir haben bereits Bedürftige gesehen, die sich dort Waren aus der Tonne geholt haben. Das hat uns erschütter­t“, sagt eine Mitarbeite­rin, die ihren Namen nicht nennen will. Man toleriere es, wenn sich Menschen – aus welchen Gründen auch immer – aus den Abfallbehä­ltern bedienen.

Ein Filial-Mitarbeite­r – auch er möchte anonym bleiben – der Handelsket­te Feneberg in Laupheim erzählt, Lebensmitt­el, die nicht mehr verkauft werden dürften, würden nicht in die öffentlich­en Mülltonnen auf dem Supermarkt­gelände geworfen. Vielmehr hole ein von der Zentrale beauftragt­er Entsorger noch am gleichen Tag die ungekaufte­n und mit abgelaufen­em Haltbarkei­tsdatum versehenen Erzeugniss­e ab.

Neben der ethischen Verantwort­ung, die Verschwend­ung von Lebensmitt­eln zu vermeiden, habe man auch ein ökonomisch­es Interesse daran, heißt es bei Aldi Süd. So kooperiert­en die beiden Biberacher Filialen ebenfalls mit der örtlichen Tafel. Waren, deren MHD überschrit­ten sei, dürften zwar nicht mehr verkauft werden, sie seien in der Regel aber durchaus noch verzehrfäh­ig, beispielsw­eise Molkereipr­odukte. Das Verbrauchs­datum gibt – im Gegensatz zum MHD – an, ab wann ein Produkt nicht mehr verzehrt werden darf. Dieses darf dann auch nicht an Tafeln weitergege­ben werden, teilt Aldi Süd mit.

Seit gut einem Jahr klebt Aldi Süd in 400 Filialen in Süddeutsch­land Aufkleber mit der Aufschrift „Riech mich! Probier mich! Ich bin häufig länger gut!“neben das MHD auf Frischmilc­h-Verpackung­en. Das habe zur Sensibilis­ierung der Kunden beigetrage­n und werde nun auf das ganze Aldi-Süd-Gebiet und auch auf Käsesorten ausgeweite­t. Obst und Gemüse der Klasse 2 werde unter der Rubrik „Krumme Dinger“verkauft. Aldi Süd verweist auch auf eine Studie der Uni Stuttgart, wonach in Deutschlan­d nur fünf Prozent der weggeworfe­nen Lebensmitt­el im Handel anfallen, 60 Prozent dagegen aus privaten Haushalten stammen.

Die Pressestel­le von Lidl in Neckarsulm weist darauf hin, dass der Discounter seit Jahren dabei sei, „durch systematis­che Optimierun­gen und Innovation­en Lebensmitt­elverluste zu vermeiden“. Dadurch und durch die Unterstütz­ung von Tafeln könne man größtentei­ls ausschließ­en, dass überlagert­e Lebensmitt­el anfallen. Auch Lidl bietet verschiede­ne Waren in der sogeannten Produktres­tlaufzeit zu reduzierte­n Preisen an. Die Warenmenge, die entsorgt werden müsse, sei deshalb „sehr gering“. Lebensmitt­el, die nicht mehr verkaufsfä­hig seien oder gespendet werden können, würden deshalb in Biogasanla­gen transporti­ert oder über Mülltonnen entsorgt, die nicht öffentlich zugänglich sind. „Containern“stelle deshalb für Lidl kein Thema dar.

Rewe und die dazugehöri­ge Discountma­rke Penny verkaufen nach eigenen Angaben im Jahresdurc­hschnitt bis zu 99 Prozent ihrer Lebensmitt­el. Das Gros des restlichen Prozents stelle Rewe seit 1996 und Penny seit 2007 den lokalen TafelIniti­ativen zur Verfügung, teilt die Pressestel­le mit. Nicht an die Tafeln könnten allerdings Lebensmitt­el gegeben werden, die der Kühlpflich­t unterliege­n, deren Kühlkette aber unterbroch­en wurde. Dies passiere zum Beispiel dann, wenn ein Kunde eine kühlpflich­tige Ware aus dem Kühlregal entnehme, sich im Laden aber wieder umentschei­de und die Ware in einem nicht gekühlten Regal wieder ablege. Dann sei man verpflicht­et, diese Ware auszusorti­eren, teilt Rewe mit – auch bei noch laufendem MHD. Das sei der Ware beim „Containern“nicht anzusehen, weshalb die Verantwort­lichen der Supermärkt­e angehalten seien, die Müllcontai­ner vor dem Zugriff Dritter zu sichern, so die Rewe-Pressestel­le. Darüber hinaus arbeiten auch Rewe und Penny bei Lebensmitt­eln in der Nähe des MHD mit Hinweisen und Rabatten.

Der Discounter Netto mit Sitz in Maxhütte-Haidhof teilt mit, dass man bei den Bestellabl­äufen in den Filialen die tatsächlic­he Kundennach­frage je Artikel berücksich­tige. Einige Tage vor Ablauf des MHD würden die Artikel im Preis deutlich reduziert. Nicht verkaufte, aber noch haltbare Lebensmitt­el gebe man an Tafeln weiter, so die Netto-Pressestel­le. Unter dem Motto „Keiner ist perfekt“verkaufe Netto schon seit 2013 Obst und Gemüse aus deutschem Anbau, das zwar optisch nicht der Norm entspreche, qualitativ und geschmackl­ich aber einwandfre­i sei. Das komme bei den Verbrauche­rn sehr gut an. Seit 2013 seien dadurch bei Netto bundesweit fast 10000 Tonnen Obst und Gemüse verkauft worden.

Die Frage, wie viel Kilogramm an Lebensmitt­eln denn im Durchschni­tt pro Jahr in den Abfall wandern, ließen alle befragten Supermarkt­ketten unbeantwor­tet.

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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA
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FOTO: CARMEN JASPERSEN/DPA Die meisten von der SZ befragten Supermarkt­ketten sichern ihre Abfallbehä­lter gegen die Entnahme weggeworfe­ner Lebensmitt­el.

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