Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Jusos fordern Verbot von Mieterhöhungen
Parteinachwuchs sieht Handlungsbedarf – Unterstützung von SPD-Landeschef Stoch
STUTTGART - Keine weiter steigenden Mieten, das fordert die Landeschefin der Jusos Stephanie Bernickel. Die Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation wünscht sich einen Mietpreisdeckel, wie ihn die rotrot-grüne Regierung von Berlin in dieser Woche beschlossen hat. „Nicht nur in den großen Städten, auch in Ravensburg, Ehingen, Ulm oder Biberach werden mittlerweile Mieten aufgerufen, die sich Menschen mit normalen Einkommen kaum noch leisten können. Deshalb muss sich jetzt endlich etwas tun“, sagte Bernickel der „Schwäbischen Zeitung“. SPD-Landeschef Andreas Stoch unterstützt den Vorstoß. Bei CDU und Vermietern stößt die Idee auf wenig Gegenliebe.
2018 wurden im Südwesten 35 000 neue Wohnungen gebaut, der Bedarf pro Jahr liegt aber bei 65 000 Wohnungen. Betroffen sind auch wirtschaftsstarke ländliche Gebiete wie die Landkreise Ravensburg und die Bodenseeregion. So belegt Ravensburg in einem Mietpreis-Ranking der Hamburger Firma „F+B“Platz 25 – hinter München oder Stuttgart, jedoch vor größeren Städten wie Nürnberg oder Heidelberg. Knapp acht Euro kostet der Quadratmeter – Tendenz wie fast überall im Land steigend. Die grün-schwarze Landesregierung hatte zuletzt einige Maßnahmen verabschiedet, um das Problem anzugehen. Unter anderem sollen geltende Vorgaben entschärft werden, um das Bauen zu erleichtern. Außerdem will das Land Kommunen und Genossenschaften beim Bau günstiger Wohnungen finanziell unterstützen.
Sanktionen gegen höhere Mieten Der Juso-Chefin Bernickel reicht das nicht. Am Samstag treffen sich die Jusos zu ihrer Landesdelegiertenkonferenz in Sindelfingen. Dort steht die Ehingerin zur Neuwahl. Das gilt auch deshalb als spannend, weil es im Vorfeld heftige interne Querelen gab (siehe Kasten). In Sindelfingen bringt die 30-Jährige einen Antrag ein, mit dem sie die Jusos hinter die Forderung nach dem Mietpreis-Deckel bringen will.
SPD-Landeschef Andreas Stoch unterstützt den Vorstoß in Teilen. Er sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Ich kann mir die Einführung eines Mietpreisdeckels gut vorstellen, und zwar vor allem als ein Instrument, um den Missbrauch von extremen Mietpreissteigerungen gerade in Ballungsgebieten in den Griff zu bekommen. Eins aber muss klar sein: Die Einführung des Mietpreisdeckels wird dabei nicht unser Grundproblem von generell zu wenig Wohnungen lösen.“
Die Juso-Chefin plädiert dafür, das Berliner Modell auf ganz BadenWürttemberg zu übertragen. Dann dürften Wohnungseigentümer Mieten nicht mehr erhöhen. Außerdem soll eine feste Obergrenze für Mieten gelten, die sich an den ortsüblichen Preisen orientiert. Zahlen Mieter bereits deutlich mehr, könnten Behörden eine Senkung anordnen. In Berlin drohen Immobilienbesitzern Bußgelder von bis zu 500 000 Euro, wenn sie gegen die Regeln verstoßen. Es gibt aber rechtliche Bedenken an dem Vorhaben, weil es stark in die Rechte der Eigentümer eingreift.
Ausnahmen für Neubauten Ebenso wie in Berlin will Bernickel für den Südwesten Ausnahmen für Sozialwohnungen und Neubauten schaffen. Grund: Der Bau neuer Wohnungen soll für Geldgeber weiter attraktiv bleiben. Vertreter der Bau- und Wohnungswirtschaft warnen dennoch: Wer einen Mietpreisdeckel einführe, verschrecke Investoren. Es würde keine neue Wohnung mehr gebaut, damit verschärfe eine solche Maßnahme die Wohnungsnot sogar.
So sieht das auch Baden-Württembergs Wohnungsbauministerin Nicole Hoffmeister-Kraut: „Eine staatlich kontrollierte Mietobergrenze ist definitiv der falsche Weg, weil es das Problem ganz und gar nicht löst, sondern nur dazu beiträgt, dass die Mieten erst recht steigen werden. Wir brauchen nicht mehr Planwirtschaft. Wir brauchen mehr baureife Flächen, und das Bauen muss kostengünstiger werden. Ein ausreichendes Angebot an Wohnungen ist der beste und wirksamste Schutz gegen hohe Mieten.“Bereits jetzt seien Mieterhöhungen nur begrenzt zulässig.
Scharfe Kritik an Grünen Tatsächlich gilt in Regionen BadenWürttembergs die Mietpreisbremse. Die Miete darf bei einem neuen Vertrag in einer Bestandswohnung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Allerdings bremst das die Preissteigerungen laut aktueller Untersuchungen allenfalls leicht, die Möglichkeiten für Sanktionen gegen Eigentümer sind eingeschränkt. Bernickel hält die Sorgen der Immobilienunternehmen für vorgeschoben. „Kein Bauträger in Baden-Württemberg wird sich durch einen Mietpreisdeckel, der für Neubauten gar nicht gelten würde, abschrecken lassen. Das Geschäft bleibt ja lukrativ“, so die Juso-Chefin. Wer eine Immobile besitze, nehme ebenfalls weiter Geld ein – der Gewinn steige nur nicht mehr weiter.
Der Juso-Vorstoß dürfte unter der grün-schwarzen Landesregierung naturgemäß nicht umgesetzt werden. „Dass die CDU dagegen ist, liegt auf der Hand. Aber von den Grünen würde ich mir schon wünschen, dass sie endlich die sozialen Aspekte des Wohnungsbaus in den Mittelpunkt rücken, statt Klientelpolitik für gutsituierte Wähler zu betreiben“, so Bernickel.