Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Stets zu Diensten – der Chauffeur für Senioren
Ehrenamtliche bieten Fahrdienste auf dem Land an – Projekte „Grünkraut nimmt mit“und „Zeitspender“in Blaubeuren sehen großen Bedarf
GRÜNKRAUT/BLAUBEUREN - Ein knackiger Slogan ist mit „Grünkraut nimmt mit“bereits gefunden. Jetzt gilt es nur noch, den neuen ehrenamtlichen Fahrdienst für Senioren der Gemeinde Grünkraut bei Ravensburg in erfolgreiche Bahnen zu lenken. Erste Schritte sind getan, Fahrten bereits erfolgt.
Doch zurück auf Start: Ein Fragebogen zum Projekt „Grünkraut gemeinsam gestalten“– verteilt unter der Bevölkerung – hat ergeben, dass in dem 3000-Einwohner-Ort großes Interesse an Mobilitätsalternativen besteht. Drei Männer aus der Bürgergemeinschaft Grünkraut haben es sich daraufhin zur Aufgabe gemacht, möglichst zügig ein entsprechendes Konzept zu entwickeln, das nicht in Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr steht, aber Menschen weiterhilft, die sich damit schwer tun, einfach zur nächstgelegenen Bushaltestelle zu gehen. Sei es, weil sie zu abseits wohnen oder gehbehindert sind. Nachdem die drei im vergangenen halben Jahr jede Menge Informationen gesammelt und sich in anderen Gemeinden umgehört haben, fällt die Entscheidung: Ein Bürgerbus, wie er zum Beispiel in Amtzell bei Wangen regelmäßig verkehrt, kommt wegen mangelnder Flexibilität und eingeschränkter Verfügbarkeit nicht infrage. Mitfahrbänkle, wie sie unter anderem in den Landkreisen Tuttlingen und Rottweil stehen, erscheinen wenig erfolgversprechend. Das Projekt „Zeitspender“aus Blaubeuren allerdings lässt die Grünkrauter aufhorchen.
Bürgerstiftung übernimmt Kosten Dort kutschieren seit über fünf Jahren 40 ehrenamtliche Fahrer und Fahrerinnen in ihren Privatautos Senioren und Menschen mit eingeschränkter Mobilität zum Beispiel zum Arzt, zum Einkaufen, auf Beerdigungen oder auch mal ins Theater, allerdings ausschließlich innerhalb der Gemarkung Blaubeuren. Eine Liste aller Telefonnummern der Zeitspender wird regelmäßig im Gemeindeblatt und in der Zeitung veröffentlicht. Menschen, die von A nach B gefahren werden wollen, rufen ein, zwei Tage vorher direkt bei einem Zeitspender an und bestellen den entsprechenden Fahrdienst. Die Kosten von 40 Cent pro gefahrenem Kilometer übernimmt die Bürgerstiftung Blaubeuren. „Insgesamt sind wir bisher 43 000 Kilometer gefahren“, erzählt Manfred Daur von der Bürgerstiftung. Er spricht von einem Selbstläufer und erklärt. „Das funktioniert reibungslos. Mittlerweile gibt es schon so etwas wie feste Gespanne.“Ähnlich erfolgreich klappt auch der soziale Fahrdienst der Gemeinde Limbach im Odenwald seit einigen Jahren. Und seit 1. April rollt der Senioren-und Sozialfahrdienst in Blaustein bei Ulm.
Jetzt also Grünkraut. Das Projekt gleicht dem in Blaubeuren. 19 Ehrenamtliche – Frauen und Männer, Junge und Alte – stehen seit Mitte April in den Startlöchern, um Menschen bei Bedarf mit dem eigenen Auto zu chauffieren. Mitbürger, die mobilitätseingeschränkt oder über 60 Jahre alt sind, können diesen Fahrdienst in Anspruch nehmen. „Wir machen aber keine Bedürftigkeitsprüfung“, sagt Felix Stöckert, einer der Initiatoren. In Grünkraut muss der Transportwunsch mindestens zwei Tage vorher angemeldet werden. Allerdings nicht direkt bei einem der Fahrer, sondern unter einer regelmäßig im Mitteilungsblatt veröffentlichten Telefonnummer. Noch. Hat sich alles einmal eingespielt, soll der Fahrdienst per App und über E-Mails organisiert werden. Anders als in Blaubeuren werden die Senioren in Grünkraut zur Kasse gebeten. 30 Cent pro Kilometer sogenannte Aufwandsentschädigung müssen direkt an die Fahrer bezahlt werden. „Die Bürgergemeinschaft als Träger springt allerdings ein, wenn ein Unfall passiert, im Kaskofall zum Beispiel. Oder wenn der Schadenfreiheitsrabatt nach einem Unfall hochgestuft wird“, erklärt Stöckert.
„Ein rundum positives Erlebnis“Wie in Blaubeuren gilt auch in Grünkraut: Es werden nur Fahrten in die nähere Umgebung unternommen. Zum Beispiel nach Ravensburg zum Einkaufen oder zum Arzt oder zu Bekannten nach Bodnegg. Angst, dass sie als günstige Alternative zum Taxi missbraucht werden, haben die Grünkrauter nicht. Die Erfahrungen in Blaubeuren und Limbach sowie die ersten Fahrten hätten gezeigt, dass tatsächlich nur Menschen den Fahrdienst in Anspruch nehmen, die keine andere Möglichkeit haben, von Tür zu Tür zu kommen. 80 Prozent aller Fahrten entfallen auf Arztbesuche.
Kerstin Stöckert gehört zum Pool der 19 ehrenamtlichen Fahrer in Grünkraut. Sie hat auch schon eine ältere Dame chauffiert. „Das war ein rundum positives Erlebnis“, sagt Stöckert. Sie freut sich auf weitere Fahrten, denn dabei erlebe man Neues und komme mit Menschen ins Gespräch, die man vorher gar nicht gekannt hat. Ihren Einsatz sieht sie als Beitrag für die Dorfgemeinschaft. „In einem Dorf sollte man füreinander da sein. Zum Beispiel auch für Menschen, die hier nicht familiär vernetzt sind und wegen kleiner Hilfsdienste schnell mal den Neffen anrufen können“, sagt sie.
Das entspricht ganz dem Sinne der Grünkrauter Initiatoren, die einen Hintergedanken haben: Sie wollen mit ihrem Fahrdienst die Menschen im Ort zusammenbringen. „Warum zum Beispiel nicht gemeinsam mit der älteren Dame einen Einkaufsbummel unternehmen. Oder dem Senior im Wartezimmer des Arztes Gesellschaft leisten?“, fragt Felix Stöckert. Auch das gemeinsame Teilnehmen an kulturellen Veranstaltungen oder an einem Gottesdienst sei denkbar. So mache „Grünkraut nimmt mit“doppelt Sinn.