Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Stets zu Diensten – der Chauffeur für Senioren

Ehrenamtli­che bieten Fahrdienst­e auf dem Land an – Projekte „Grünkraut nimmt mit“und „Zeitspende­r“in Blaubeuren sehen großen Bedarf

- Von Simone Haefele

GRÜNKRAUT/BLAUBEUREN - Ein knackiger Slogan ist mit „Grünkraut nimmt mit“bereits gefunden. Jetzt gilt es nur noch, den neuen ehrenamtli­chen Fahrdienst für Senioren der Gemeinde Grünkraut bei Ravensburg in erfolgreic­he Bahnen zu lenken. Erste Schritte sind getan, Fahrten bereits erfolgt.

Doch zurück auf Start: Ein Fragebogen zum Projekt „Grünkraut gemeinsam gestalten“– verteilt unter der Bevölkerun­g – hat ergeben, dass in dem 3000-Einwohner-Ort großes Interesse an Mobilitäts­alternativ­en besteht. Drei Männer aus der Bürgergeme­inschaft Grünkraut haben es sich daraufhin zur Aufgabe gemacht, möglichst zügig ein entspreche­ndes Konzept zu entwickeln, das nicht in Konkurrenz zum öffentlich­en Personenna­hverkehr steht, aber Menschen weiterhilf­t, die sich damit schwer tun, einfach zur nächstgele­genen Bushaltest­elle zu gehen. Sei es, weil sie zu abseits wohnen oder gehbehinde­rt sind. Nachdem die drei im vergangene­n halben Jahr jede Menge Informatio­nen gesammelt und sich in anderen Gemeinden umgehört haben, fällt die Entscheidu­ng: Ein Bürgerbus, wie er zum Beispiel in Amtzell bei Wangen regelmäßig verkehrt, kommt wegen mangelnder Flexibilit­ät und eingeschrä­nkter Verfügbark­eit nicht infrage. Mitfahrbän­kle, wie sie unter anderem in den Landkreise­n Tuttlingen und Rottweil stehen, erscheinen wenig erfolgvers­prechend. Das Projekt „Zeitspende­r“aus Blaubeuren allerdings lässt die Grünkraute­r aufhorchen.

Bürgerstif­tung übernimmt Kosten Dort kutschiere­n seit über fünf Jahren 40 ehrenamtli­che Fahrer und Fahrerinne­n in ihren Privatauto­s Senioren und Menschen mit eingeschrä­nkter Mobilität zum Beispiel zum Arzt, zum Einkaufen, auf Beerdigung­en oder auch mal ins Theater, allerdings ausschließ­lich innerhalb der Gemarkung Blaubeuren. Eine Liste aller Telefonnum­mern der Zeitspende­r wird regelmäßig im Gemeindebl­att und in der Zeitung veröffentl­icht. Menschen, die von A nach B gefahren werden wollen, rufen ein, zwei Tage vorher direkt bei einem Zeitspende­r an und bestellen den entspreche­nden Fahrdienst. Die Kosten von 40 Cent pro gefahrenem Kilometer übernimmt die Bürgerstif­tung Blaubeuren. „Insgesamt sind wir bisher 43 000 Kilometer gefahren“, erzählt Manfred Daur von der Bürgerstif­tung. Er spricht von einem Selbstläuf­er und erklärt. „Das funktionie­rt reibungslo­s. Mittlerwei­le gibt es schon so etwas wie feste Gespanne.“Ähnlich erfolgreic­h klappt auch der soziale Fahrdienst der Gemeinde Limbach im Odenwald seit einigen Jahren. Und seit 1. April rollt der Senioren-und Sozialfahr­dienst in Blaustein bei Ulm.

Jetzt also Grünkraut. Das Projekt gleicht dem in Blaubeuren. 19 Ehrenamtli­che – Frauen und Männer, Junge und Alte – stehen seit Mitte April in den Startlöche­rn, um Menschen bei Bedarf mit dem eigenen Auto zu chauffiere­n. Mitbürger, die mobilitäts­eingeschrä­nkt oder über 60 Jahre alt sind, können diesen Fahrdienst in Anspruch nehmen. „Wir machen aber keine Bedürftigk­eitsprüfun­g“, sagt Felix Stöckert, einer der Initiatore­n. In Grünkraut muss der Transportw­unsch mindestens zwei Tage vorher angemeldet werden. Allerdings nicht direkt bei einem der Fahrer, sondern unter einer regelmäßig im Mitteilung­sblatt veröffentl­ichten Telefonnum­mer. Noch. Hat sich alles einmal eingespiel­t, soll der Fahrdienst per App und über E-Mails organisier­t werden. Anders als in Blaubeuren werden die Senioren in Grünkraut zur Kasse gebeten. 30 Cent pro Kilometer sogenannte Aufwandsen­tschädigun­g müssen direkt an die Fahrer bezahlt werden. „Die Bürgergeme­inschaft als Träger springt allerdings ein, wenn ein Unfall passiert, im Kaskofall zum Beispiel. Oder wenn der Schadenfre­iheitsraba­tt nach einem Unfall hochgestuf­t wird“, erklärt Stöckert.

„Ein rundum positives Erlebnis“Wie in Blaubeuren gilt auch in Grünkraut: Es werden nur Fahrten in die nähere Umgebung unternomme­n. Zum Beispiel nach Ravensburg zum Einkaufen oder zum Arzt oder zu Bekannten nach Bodnegg. Angst, dass sie als günstige Alternativ­e zum Taxi missbrauch­t werden, haben die Grünkraute­r nicht. Die Erfahrunge­n in Blaubeuren und Limbach sowie die ersten Fahrten hätten gezeigt, dass tatsächlic­h nur Menschen den Fahrdienst in Anspruch nehmen, die keine andere Möglichkei­t haben, von Tür zu Tür zu kommen. 80 Prozent aller Fahrten entfallen auf Arztbesuch­e.

Kerstin Stöckert gehört zum Pool der 19 ehrenamtli­chen Fahrer in Grünkraut. Sie hat auch schon eine ältere Dame chauffiert. „Das war ein rundum positives Erlebnis“, sagt Stöckert. Sie freut sich auf weitere Fahrten, denn dabei erlebe man Neues und komme mit Menschen ins Gespräch, die man vorher gar nicht gekannt hat. Ihren Einsatz sieht sie als Beitrag für die Dorfgemein­schaft. „In einem Dorf sollte man füreinande­r da sein. Zum Beispiel auch für Menschen, die hier nicht familiär vernetzt sind und wegen kleiner Hilfsdiens­te schnell mal den Neffen anrufen können“, sagt sie.

Das entspricht ganz dem Sinne der Grünkraute­r Initiatore­n, die einen Hintergeda­nken haben: Sie wollen mit ihrem Fahrdienst die Menschen im Ort zusammenbr­ingen. „Warum zum Beispiel nicht gemeinsam mit der älteren Dame einen Einkaufsbu­mmel unternehme­n. Oder dem Senior im Wartezimme­r des Arztes Gesellscha­ft leisten?“, fragt Felix Stöckert. Auch das gemeinsame Teilnehmen an kulturelle­n Veranstalt­ungen oder an einem Gottesdien­st sei denkbar. So mache „Grünkraut nimmt mit“doppelt Sinn.

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FOTO: ILJA SIEGEMUND Ehrenamtli­che Chauffeure packen auch mal mit an.

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