Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Für Lambrecht kam der Job als Bundesjustizministerin überraschend
Die Überraschung ist gelungen: Christine Lambrecht soll neue Bundesjustizministerin werden. Die frühere Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD und jetzige Staatssekretärin im Finanzministerium wurde als Nachfolgerin von Katarina Barley zur neuen Justizministerin vorgeschlagen.
Die kommissarische SPD-Spitze hat sich auf Lambrecht geeinigt. Sie sei eine Person, „die das umsetzt, was wir vorhaben“, erklärt Thorsten Schäfer-Gümbel: Blockaden lösen, Ärmel hochkrempeln und das Ansehen der Regierung verbessern.
Die Juristin, die seit 1998 im Bundestag sitzt, ist ein ausgewiesene Expertin auf dem Feld der Innen- und Rechtspolitik. Seit 20 Jahren hat sie
sich in den unterschiedlichsten Positionen mit nahezu allen rechtsrelevanten Fragen beschäftigt, von der Ehe für alle bis zur Sterbehilfe, vom Schutz für Kinder bis zur Bekämpfung von Menschenhandel. „Es gibt quasi kein rechtspolitisches Feld, auf dem sie sich nicht auskennt“, sagt Schäfer-Gümbel.
Christine Lambrecht gehört zum linken Flügel der SPD und vertritt den Wahlkreis Bergstraße. „Es freut mich ungemein, dass ich an dieser Stelle vor Ihnen stehe“, sagt sie bei ihrer Vorstellung im Willy-BrandtHaus. Der Anruf ereilte sie am Mittwoch, am Morgen ihres 54. Geburtstags. Erst dachte sie, die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer wolle ihr zum Geburtstag gratulieren.Doch dann kam es noch besser. Dreyer bat sie, Justizministerin zu werden. „Das war heute morgen schon so ein Gänsehautmoment“, sagt Lambrecht, die sonst immer eher nüchtern auftritt. Schließlich sei es ein ganz besonders Amt, bei dem es um die Ausgewogenheit zwischen Freiheit und Sicherheit gehe. Lambrecht meint, es sei aktueller denn je, diesen Rechtsstaat zu verteidigen. Beim Mord am hessischen Politiker Lübcke kämen Erinnerungen an die NSU-Mordserie hoch. Die Antwort des Rechtsstaates müsse deutlich sein: „Wir akzeptieren keine Rechtsextremen in unserer Mitte.“
Lambrecht meint, man müsse den Rechtsstaat bewahren und weiterentwickeln – und schneller werden bei manchen Entscheidungen, deshalb werde sie sich an eine Reform der Strafprozessordnung machen. Aber auch der Verbraucherschutz, Teil ihres Ministeriums, liegt ihr am Herzen. Menschen sollten sich auf Standards verlassen und ihre Rechte durchsetzen können.
Trotz ihrer großen Fachkenntnis wird Lambrecht damit umgehen müssen, dass sie als zweite Wahl gilt. Die zurückgetretene SPD-Chefin Andrea Nahles wollte lieber eine Justizministerin aus den Ländern holen. Die hessische Generalsekretärin Nancy Faeser war ebenso im Gespräch wie die Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, Stefanie Hubig. Doch beide wären mit einem Wechsel nach Berlin ein hohes Risiko eingegangen. Denn die Dienstzeit ist an den Bestand der Groko geknüpft, und damit könnte sie schon in einigen Monaten beendet sein. Christine Lambrecht muss nicht umziehen, sie lebt mit ihrem Sohn in Berlin.