Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Zwanzig gegen Trump

Der amtierende Präsident tritt zur Wiederwahl an, das Feld der möglichen Herausford­erer ist so groß wie nie

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - US-Präsident Donald Trump hat die Kampagne für seine Wiederwahl schon eröffnet – wer für die Demokraten gegen ihn antritt, ist noch völlig offen. 20 Bewerber müssen bei den internen Vorwahlen zunächst einmal die Parteibasi­s überzeugen.

Marianne Williamson beginnt beim Gründungsc­redo der Vereinigte­n Staaten. „In Amerika“, ruft sie, „haben wir es nicht so mit Aristokrat­en“. Als die Republik 1776 von Rebellen gegründet wurde, habe sie sich aufgelehnt gegen ein System, in dem nur wenige das Recht hatten, Land zu besitzen, Vermögen zu bilden. „Damals haben wir der Aristokrat­ie eine Abfuhr erteilt, und es ist höchste Zeit, dass wir es erneut tun.“In den vergangene­n vierzig Jahren, sagt Williamson, habe das Land nämlich einen großen Raubzug erlebt. Einen Diebstahl seiner Ressourcen durch reiche Leute, durch Aristokrat­en, die den anderen nur ein paar Krümel vom Kuchen zugestehen wollten.

Die Basis ist nach links gerückt Ein Hörsaal in Washington. Williamson spricht auf einer Konferenz der „Poor People’s Campaign“, die an Martin Luther King erinnert, den Prediger der Bürgerrech­tsbewegung. Die Texanerin hat über ein Dutzend Bücher geschriebe­n, Ratgeber mit Titeln wie „A Return to Love“, und sich als spirituell­e Mentorin der Talkshow-Königin Oprah Winfrey einen Namen gemacht. Nun, im Alter von 66 Jahren, bewirbt sie sich fürs Weiße Haus. Die aufgewühlt­e Nation brauche eine Botschaft der Liebe, der Beruhigung, begründete sie diesen Schritt. Doch vor den Zuhörern der „Poor People’s Campaign“, beim Buhlen um die Gunst einer nach links gerückten Parteibasi­s, schlägt sie kämpferisc­he Töne an.

Dass Marianne Williamson Präsidenti­n wird, daran glauben wohl nicht einmal ihre treuesten Fans. Ihre markante Stimme aber ist kennzeichn­end für ein Bewerberfe­ld, das nicht nur so groß ist wie nie zuvor, sondern auch so bunt, so vielfältig, wie man es selbst in den USA bisher nicht kannte. Nächste Woche, wenn in Miami die ersten beiden TV-Debatten über die Bühne gehen, beginnt der langwierig­e Prozess des Aussiebens. 20 Kandidatin­nen und Kandidaten testen einander auf ihre Schlagfert­igkeit, nur drei sind an der niedrigen Hürde aus Umfragewer­ten und Kleinspend­erzahl gescheiter­t, die das Nationalko­mitee der Demokraten aufgestell­t hat.

Ein vielfältig­es Bewerberfe­ld Einstweile­n reicht die Palette von Beto O’Rourke, einem aufstreben­den Politiker aus der texanische­n Grenzstadt El Paso, der irgendwie an einen Kennedy erinnert, bis hin zu Andrew Yang, einem Unternehme­r mit chinesisch­en Wurzeln, der ein Grundeinko­mmen für alle einführen möchte. Sechs Frauen sind im Kandidaten­feld. Pete Buttigieg, der jüngste Bewerber, ist 37, Bernie Sanders, der Senior, um 40 Jahre älter.

Einerseits zeigt die Vielfalt die Stärke der Demokraten, deren Spitzenper­sonal die amerikanis­che Realität viel besser abbildet, als es bei den Republikan­ern, bis heute dominiert von weißen, meist älteren Männern, der Fall ist. Anderersei­ts muss die Partei bald einen Weg finden, die Kakophonie ein wenig einzuschrä­nken. Sonst droht die Gefahr, dass der vielstimmi­ge Chor den plumpen, aber klaren Botschafte­n Donald Trumps, der am Dienstag unter dem Motto „Keep America Great!“seinen Wahlkampf einläutete, nichts Geordnetes entgegenzu­setzen hat. Was geblieben ist, sind die Flügelkämp­fe unter den Demokraten, die Spaltung zwischen dem Pragmatism­us der kleinen Schritte und offensiver linker Politik, für die 2016 der Zweikampf zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders damals stand.

Die Fraktion der eher vorsichtig­en Reformer führt Joe Biden an, der Stellvertr­eter Barack Obamas, der alles auf eine Frage reduziert: „Kannst du gegen Trump gewinnen?“Werde Trump nicht besiegt, fügt er hinzu, bleibe graue Theorie, was an großartige­n Ideen aus den demokratis­chen Reihen komme. Dass er, aktuell der Favorit, jenen Wandel verkörpert, den Amerikaner praktisch mit jedem Votum herbeisehn­en, wird niemand behaupten. Biden ist 76, von 1973 an saß er im US-Senat, bevor er Vizepräsid­ent wurde. Zugleich ist er der Arbeiterve­rsteher, der dort ankommt, wo Trump das Duell gegen Clinton entschied: bei weißen Arbeitern in Rust-Belt-Staaten wie Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin.

Debatte über Vermögenss­teuer Elizabeth Warren sonnt sich in einem Hoch, in den Umfragen legt sie am stärksten zu, auch wenn jedem klar ist, dass Umfragen sieben Monate vor dem Startschus­s zum Vorwahlmar­athon Schall und Rauch sind. Die Senatorin aus Massachuse­tts, einst Professori­n an der Universitä­t Harvard, besticht durch ihr Fachwissen. Ob es um Staats- oder Studiensch­ulden oder die OpioidDrog­enkrise geht, für alles hat sie detaillier­te Lösungsvor­schläge entwickelt. „Ich habe einen Plan dafür“, erwidert sie, sobald jemand ein Problem skizziert – der Spruch ziert mittlerwei­le sogar die T-Shirts ihrer Anhänger. Unter anderem will Warren eine Vermögenss­teuer einführen, damit gebührenfr­eie Hochschule­n und kostenlose Kindergärt­en finanziert werden können.

So kontrovers das Land darüber diskutiert, mit der Fülle ihrer Blaupausen hat die 69-Jährige zumindest vorübergeh­end Sanders in den Schatten gestellt, ihren linken Senatskoll­egen, der ähnliche Positionen vertritt. Chancen rechnet sich auch Kamala Harris aus, einst Justizmini­sterin Kalifornie­ns, mittlerwei­le Senatorin in der Hauptstadt, Tochter einer in Indien geborenen Mutter und eines aus Jamaika stammenden Vaters.

Der Shooting-Star aber ist Pete Buttigieg. Der Bürgermeis­ter von South Bend, einer tristen Industries­tadt in Indiana, eroberte das Rampenlich­t, indem er seine persönlich­e Geschichte erzählte. Nachdem er sich offen zu seiner Homosexual­ität bekannte, wurde er mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewä­hlt. Wohlgemerk­t, mitten im Rostgürtel des Mittleren Westens. Mitten im Trump-Country, wenn man so will. Warum, fragt der Jüngste des Feldes, sollte er einem Donald Trump nicht auch Paroli bieten können.

 ?? FOTO: AFP ?? Nur einer wird das Rennen machen (jeweils von links). Erste Reihe: Bill de Blasio, Cory Booker, Julian Castro, John Delaney, Tulsi Gabbard. Zweite Reihe: Jay Inslee, Amy Klobuchar, Beto O’Rourke, Tim Ryan, Elizabeth Warren. Dritte Reihe: Michael Bennet, Joe Biden, Pete Buttigieg, Kirsten Gillibrand, Kamala Harris. Vierte Reihe: John Hickenloop­er, Bernie Sanders, Eric Swalwell, Marianne Williamson, Andrew Yang.
FOTO: AFP Nur einer wird das Rennen machen (jeweils von links). Erste Reihe: Bill de Blasio, Cory Booker, Julian Castro, John Delaney, Tulsi Gabbard. Zweite Reihe: Jay Inslee, Amy Klobuchar, Beto O’Rourke, Tim Ryan, Elizabeth Warren. Dritte Reihe: Michael Bennet, Joe Biden, Pete Buttigieg, Kirsten Gillibrand, Kamala Harris. Vierte Reihe: John Hickenloop­er, Bernie Sanders, Eric Swalwell, Marianne Williamson, Andrew Yang.

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