Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Rabatte für vorbildliches Fahren
Kfz-Versicherer werben mit Preisnachlässen von bis zu 30 Prozent für Telematik-Tarife – Was dahinter steckt
FRANKUFURT - Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung waren bisher auf junge Fahrer beschränkt. Nun haben einige Versicherungsunternehmen, darunter die beiden großen, HUK-Coburg und Allianz, die Altersbegrenzung aufgehoben. Wichtige Fragen und Antworten.
Was bringen solche Tarife?
Die Versicherer versprechen ihren Kunden bis zu 30 Prozent Rabatt, wenn sie sich hinter dem Lenkrad vorbildlich verhalten. Autofahrer können also viel Geld sparen, wenn sie ihren Fahrstil entsprechend anpassen. Bei manchen Versicherern gibt es sogar noch einen Startbonus von zehn Prozent dazu. Den Bonus erhält man jedoch erst nach einem Versicherungsjahr.
Wie kontrollieren die Versicherungen den Fahrstil?
Das Fahrverhalten wird über eine Schnittstelle im Auto aufgezeichnet. Das kann ein Sensor an der Frontscheibe sein, eine kleine Box im Fahrerraum, eine App im Smartphone oder ein Stick im Zigarettenanzünder, der seine Daten ans Smartphone sendet. So wird gemessen, wie schnell der Fahrer fährt, ob er sich an das Tempolimit hält, wann und wie stark er beschleunigt oder bremst, wie er die Kurven nimmt.
Was ist ein „vorbildlicher Fahrstil“? Das entscheiden die Versicherungen nach den ausgewerteten Daten. Schnell in eine Kurve zu fahren führt zum Beispiel oft zu Punktabzug. Doch warum ein Autofahrer bremst, das kann ein solches Gerät natürlich nicht erfassen, auch nicht, ob dies in der jeweiligen Situation unbedingt notwendig ist. Aus den Daten jedenfalls bilden die Versicherer einen „Score“, der höchste Wert für den vorbildlichsten Fahrstil sind 100 Punkte. Bei der Allianz etwa erhält man mit 90 Punkten den höchsten Rabatt von 30 Prozent, mit mehr als 80 Punkten sind noch 20 Prozent Preisnachlass drin. Ob der eigene Fahrstil als umsichtig eingestuft wird, das kann der Autofahrer auch selbst im Smartphone überprüfen. Die Anbieter von Telematik-Versicherungen erhoffen sich jedenfalls, dass das Fahrverhalten sicherer wird und dies dann zu entsprechend weniger Unfällen führt.
Gibt es weitere Kriterien, die in die Berechnung des Scores einfließen? Auch die Tageszeit, zu der man häufig unterwegs ist, fließt in die Punktzahl ein. Wer mit dem Auto zur Nachtschicht fährt, wird wohl kaum die volle Punktzahl schaffen, weil bei Dunkelheit die Sicht schlecht ist und es entsprechend häufiger zu Unfällen kommt. Viele Fahrten innerhalb der Stadt sind ebenfalls von Nachteil.
Lohnen sich solche Tarife? Grundsätzlich gilt: „Einen TelematikTarif abzuschließen lohnt sich nur, falls Sie schon eine passende und preiswerte Autoversicherung haben“, rät Arne Düsterhoft von Finanztip. Solche Tarife eigneten sich dann vor allem für junge Fahrer, die schon sicher hinter dem Lenkrad seien. „Viele Versicherer sehen den Telematik-Rabatt als Ausgleich für eine fehlende Schadenfreiheitsklasse und begrenzen die Tarife auf ein bestimmtes Alter.“
Gibt es Risiken?
Die Versicherten, die sich für einen solchen Tarif entscheiden, sollten sich bewusst sein, dass sie viele Daten preisgeben. So könnten persönliche Verhaltensprofile erstellt werden, der Fahrer also „gläsern“werden. Die Versicherungen haben sich zwar auf einen hohen Schutz der persönlichen Daten geeinigt. Die Fahrdaten werden nur anonymisiert weitergeleitet und ausgewertet – das heißt, die Versicherer kennen die persönlichen Daten ihrer Kunden, ein externes Unternehmen wertet die Daten zum individuellen Fahrverhalten aus. Die Allianz oder die HUK können also nicht erkennen, wer wann wohin gefahren ist. Doch warnt Bianca Boss vom Bund der Versicherten: „Man sollte kritisch hinterfragen, welche datenschutzrechtlichen Regelungen vereinbart werden. Hier ist vor allem die Frage interessant, wer welche Daten erhält, was mit den Daten passiert und welche Vorschriften der Fahrzeughalter zu beachten hat, wenn das Kfz von mehreren Personen gefahren wird.“Denn wenn Eltern das Familienauto an den Sohn oder die Tochter ausleihen, die gerade erst die Fahrprüfung absolviert haben, dann fließt deren Fahrverhalten in den Score mit ein. Das kann entsprechend den Rabatt senken.
Werden nur relevante Daten aufgezeichnet?
Wer seine Daten über das Smartphone aufzeichnet, sollte darauf achten, dass er die Anwendung ausschaltet, wenn er als Beifahrer oder im Taxi unterwegs ist, im anderen Fall werden diese Fahrten zur Fahrstil-Bewertung mit herangezogen.
Lohnen sich diese Modelle für die Versicherungen selbst?
Wenn zu viele Autofahrer in der Hoffnung auf Rabatte einen Telematik-Tarif wählen, dann können die Versicherer das auf Dauer gar nicht leisten, sagen Branchenkenner. Denn der Branchenmonitor Kfz der V.E.R.S. Leipzig GmbH zusammen mit der YouGov Deutschland GmbH zeigt, dass die 50 größten Versicherungen zwischen 2015 und 2017 von 100 Euro erwirtschafteten Bruttobeiträgen im Schnitt 99,26 Euro für die Schadensbegleichung und Betriebskosten aufwenden mussten. Viel Rabattspielraum haben sie auf Dauer also eher nicht – es sei denn, die Zahl der Unfälle und damit Schäden geht tatsächlich drastisch zurück.