Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vom gar nicht so braven Mädchen zur Malerfürst­in

Berühmt und geschäftst­üchtig: Zwei Ausstellun­gen in Vorarlberg über Angelika Kauffmann, erfolgreic­hste Künstlerin des Klassizism­us

- Von Antje Merke

BREGENZ/SCHWARZENB­ERG - Ihre Erfolgsges­chichte zählt zu den ungewöhnli­chsten in der Kunstgesch­ichte. Lange kannte man Frauen nur als Musen, Modelle und Dienerinne­n der malenden und bildhauern­den Mannsbilde­r. Bis die im schweizeri­schen Chur geborene, familiär jedoch in Vorarlberg beheimatet­e Angelika Kauffmann (1741-1807) kam. Innerhalb kurzer Zeit wurde sie zur berühmtest­en Künstlerin im mondänen Europa des Klassizism­us. Sie war internatio­nal vernetzt und verdiente viel Geld mit ihren Bildern. Jetzt wird Angelika Kauffmann mit zahlreiche­n noch nie öffentlich gezeigten Gemälden und Druckgrafi­ken aus Privatsamm­lungen in einer beeindruck­enden Doppelauss­tellung präsentier­t: Der erste Teil, „Unbekannte Schätze“, ist im Museum Vorarlberg in Bregenz zu entdecken, der zweite mit religiösen Motiven im Angelika-Kauffmann-Museum in Schwarzenb­erg. Kuratiert wurde das Projekt von der Düsseldorf­er Kunsthisto­rikerin Bettina Baumgärtel, die sich seit 30 Jahren mit dem Werk der Künstlerin beschäftig­t.

Karriere machen als Malerin – so etwas gehörte sich nicht für ein braves Mädchen aus dem 18. Jahrhunder­t. Doch der Papa, ein mäßig verdienend­er Schloss- und Kirchenmal­er aus dem Bregenzerw­ald, fördert das Talent seiner einzigen Tochter, die schon als 12-Jährige mit einem perfekten Selbstbild­nis glänzt. Nach dem Tod seiner Frau kehrt er mit ihr 1757 von Chur zurück ins heimische Schwarzenb­erg, wo er die Dorfkirche restaurier­t. Die gerade mal 16jährige Angelika darf eine Reihe von Heiligenbi­ldern nach italienisc­hem Vorbild an Decke und Wänden malen, die bis heute der Stolz der Gemeinde sind.

Doch das ist erst der Anfang. Kurz darauf erhält Angelika Kauffmann bereits Porträtauf­träge in Meersburg, Tettnang und anderen Höfen. Mit dem Vater reist sie mehrfach nach Italien, studiert die Werke aus Renaissanc­e und Barock. 1762 bezieht sie in Florenz in der MediciSamm­lung ein separates Studio, da es sich für eine Frau nicht schickt, mit den männlichen Kollegen in einem Raum zu arbeiten. Unter Anleitung von Johann Friedrich Reiffenste­in wagt sich die Künstlerin dort erstmals an Radierunge­n. Es entstehen zahlreiche Drucke von anmutigen Mutter-Kind-Motiven sowie von bezaubernd­en Frauenköpf­en und weiblichen Rückenakte­n. Die Blätter, die teils in Bregenz, teils in Schwarzenb­erg gezeigt werden, stammen aus einer Vorarlberg­er Privatsamm­lung. Darunter sind Raritäten wie erste Probedruck­e.

Porträts nicht im steifen Habitus Zeitgleich macht sie sich einen Namen als hervorrage­nde Kopistin Alter Meister. Die Gemälde finden bei Bildungsre­isenden aus England reißenden Absatz. Parallel dazu entstehen erste Porträts dieser Weltbürger. Das Bildnis des Altertumsf­orschers Johann Joachim Winckelman­n macht die 22-jährige Künstlerin dann schlagarti­g über die Grenzen Italiens hinaus bekannt und beflügelt ihre Karriere. Denn Kauffmann porträtier­t ihn als Gelehrten im Moment der Inspiratio­n und nicht – wie bislang üblich – im steifen Habitus. In Bregenz kann man das Gemälde, das sonst im Kunsthaus Zürich hängt, jetzt aus nächster Nähe studieren.

1765 reist Kauffmann erstmals ohne ihren Vater von Venedig nach London und eröffnet dort ein Jahr später ein repräsenta­tives Atelier. Mäzeninnen, darunter die Königin von England, fördern sie. Es entstehen erste Historieng­emälde zur alten englischen Geschichte. Das große Geld verdient die Künstlerin allerdings mit ihren Porträts, die weniger den Stand der Dargestell­ten als ihre Sensibilit­ät betonen und Kinder dagegen oft in Erwachsene­nrollen zeigen. Ein Kopf ohne Hände kostet 40 Zechinen (heute rund 24 000 Euro), eine Halbfigur 120 Zechinen (etwa 72 000 Euro), eine lebensgroß­e Figur 220 Zechinen (rund 132 000 Euro), wie in der Ausstellun­g zu lesen ist. Selbstbewu­sst orientiert sich Kauffmann an berühmten Kollegen, obwohl man diese Preise als „much too high“für eine Künstlerin kritisiert.

Der Ehemann steht im Schatten

In der Liebe ist sie weniger erfolgreic­h. 1767 geht Angelika Kauffmann einem Heiratssch­windler auf den Leim; sie lässt die Ehe annulliere­n. Viele Jahre später heiratet sie dann ihren Assistente­n, den venezianis­chen Maler Antonio Zucchi. Der Italiener steht stets im Schatten seiner Frau – er arbeitet ihr zu, während sie das große Geld verdient und sogar als eine von zwei Damen Gründungsm­itglied der Royal Academy of Art wird. Entspreche­nd setzt sie sich in ihren Selbstbild­nissen in Szene: nicht nur als schöne Frau, sondern auch als selbstbewu­sste Malerin. Ein Beispiel dafür ist das Selbstbild­nis mit Schmuckkrä­nzchen, das sie in jungen Jahren zeigt und vor ein paar Jahren in eine Privatsamm­lung kam.

1782 zieht Kauffmann mit ihrem Mann schließlic­h nach Rom um und eröffnet eines der renommiert­esten Ateliers der Stadt, denn sie ist bestens vernetzt. Angehörige der Hocharisto­kratie sowie wohlhabend­e Bürgerlich­e und Geistliche aus ganz Europa und den Vereinigte­n Staaten von Amerika überhäufen sie mit Aufträgen, darunter Kaiser Joseph II. von Österreich oder die russische Zarin Katharina die Große.

„Ein Weib von ungeheurem Talent“, schwärmt auch der Italienrei­sende Goethe, der die Künstlerin in Rom besucht. In ihrem Salon liest Goethe aus seinen Dramen, sie entwirft dazu Zeichnunge­n, von denen einige Neuentdeck­ungen nun in Bregenz zu bewundern sind. Zeitgleich malt sie auf Wunsch ihrer Kunden immer wieder mythologis­che Szenen, wie zum Beispiel eine vierteilig­e Amor-Serie für den Herzog von Kurland, die heute zu den Beständen des Museum Vorarlberg gehört. Auch die schöne Flora von 1790 oder die zarte Ceres von 1785, die sich beide in privater Hand befinden, entstehen in seinem Auftrag. Letztere galt lange als verscholle­n und wurde jetzt erstmals wieder mit der verführeri­schen Bacchantin aus der Berliner Gemäldegal­erie zusammenge­führt.

Einmalig in Europas Kunstszene Längst ist Kauffmann die Königin der Kunst. Tassen, Vasen, Fächer, Stoffe werden mit ihren Motiven bemalt – die ganze Welt scheint verrückt nach ihrem Werk zu sein. Fehlt nur noch ein Auftrag vom Papst, den Kauffmann 1791 schließlic­h von Pius VI. erhält. Sie soll ein Altarbild für die Santa Casa in Loreto malen. Entwürfe dazu in Öl werden erstmals in Schwarzenb­erg präsentier­t. Trotz allem bleibt sie ihrer Heimat immer verbunden. Jahre später schenkt sie der Pfarrkirch­e von Schwarzenb­erg das Hochaltarb­latt „Die Marienkrön­ung“, das bis heute dort die Apsis schmückt.

Kurz vor ihrem Tod 1807 malt sie für einen Grafen in Bergamo ihr letztes Werk: „Die büßende heilige Maria Magdalena“. Zu sehen ist in Schwarzenb­erg allerdings keine Büßende, sondern eine Erleuchtet­e, die man – so Kunsthisto­rikerin Baumgärtel – als Alter Ego sehen könnte. Magdalena kämpfte als Frau unter den Aposteln um Akzeptanz. Auch Angelika Kauffmann musste sich als Künstlerin ihr Leben lang in einer Männerwelt behaupten. Doch sie hat sich nicht kleinkrieg­en lassen und es zu Ruhm und Reichtum gebracht wie keine andere Frau in Europa vor ihr.

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FOTO: MARKUS TRETTER Das Bildnis der schönen Flora, die mit ihrem Blumenkran­z für den Frühling steht, hat Angelika Kauffmann 1790 im Auftrag des Herzogs von Kurland gemalt.
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FOTO: MARKUS TRETTER Angelika Kauffmanns „Selbstbild­nis im Alter“, entstanden um 1820.

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