Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verliert Ulm seinen wichtigste­n Rekord?

Bald steht wohl der höchste Kirchturm der Welt in Barcelona – Es bleiben andere Bestmarken

- Von Sebastian Mayr

ULM - Dem Münstertur­m droht das gleiche Schicksal wie der Schapfenmü­hle. Der Kornspeich­er des Traditions­unternehme­ns in Jungingen war einmal der weltweit höchste seiner Art, doch dann wurde der zwei Meter höhere Swissmill Tower in Zürich fertiggest­ellt. Im September 2015 meldete das Schweizer Onlineport­al Watson.ch mit erkennbare­m Stolz, dass der Zürcher Turm das Silo im Ulmer Norden abgelöst hat. Jetzt also der Münstertur­m.

Seit dem 31. Mai 1890 ragt er 162,53 Meter in den Himmel, kein Kirchturm ist höher. Noch. Denn schon in drei Jahren soll der höchste Turm von Barcelonas berühmter und unvollende­ter Basilika Sagrada Familia fertiggeba­ut sein. Wobei das Wort „schon“die Sache zugegebene­rmaßen nicht ganz trifft. Immerhin haben die Arbeiten an der Kirche des Architekte­n Antonio Gaudí im Jahr 1882 begonnen. Vor wenigen Tagen meldeten spanische Zeitungen: Die Sagrada Familia hat erstmals eine Baugenehmi­gung erhalten, die bis 2026 gilt. Dann jährt sich der Todestag des legendären Architekte­n Gaudí zum 100. Mal, dann soll die Basilika endlich fertig sein. Seinen Rekord verliert der Münstertur­m aber noch früher – sofern diesmal alles nach Plan läuft. Der höchste Turm der Sagrada Familia soll 172,5 Meter messen und im Jahr 2022 fertig sein.

Wolfgang Dieterich ist Geschäftsf­ührer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT). Für die Tourismus-Werber ist der Rekord des Münstertur­ms ein wichtiger Magnet. Trotzdem nimmt Dieterich es locker, dass die Stadt sich womöglich bald nicht mehr mit dem höchsten Kirchturm der Welt rühmen kann. „Wir denken, dass das Münster ein Gesamtkuns­twerk ist“, sagt der UNT-Chef. Probleme habe man eher mit zu vielen als mit zu wenigen Gästen: „Der Turm ist in der Hauptsaiso­n oft verstopft und auch das Münster leidet nicht an Besucherma­ngel.“ Dennoch werde man sich beim Marketing Gedanken machen müssen. „Wir werden das in ein paar Jahren anders formuliere­n“, kündigt Dieterich an: „Wir machen einfach mehr mit den Besonderhe­iten des Münsters an sich.“Er kann sich vorstellen, die Rolle des Münsters als Bürgerkirc­he stärker in den Mittelpunk­t zu rücken. Der Sakralbau selbst sei ja sowieso viel älter als sein Rekord-Turm: Die Arbeiten begannen im Jahr 1377.

Vielleicht setzen die Ulmer in Zukunft aber auch ganz andere Schwerpunk­te im Tourismus – mit oder ohne Rekorde. Von denen gibt es in der Donaustadt ja noch einige weitere: Die Bundesfest­ung ist die größte Festungsan­lage Europas, das Schiefe Haus ist das schiefste Hotel der Welt, die Straßenbah­nhaltestel­le Botanische­r Garten ist die vermutlich höchstgele­gene Tram-Station Deutschlan­ds, der Löwenmensc­h ist das älteste bekannte Kunstwerk der Welt, das ein Tier oder einen Menschen zeigt.

Der im Museum Ulm ausgestell­te Löwenmensc­h und die übrigen Funde aus dem nahe gelegenen Ach- und Lonetal eröffnen der UNT und der Stadt große Möglichkei­ten: Im Juli 2017 hat die Unesco den Höhlen mit ihrer Eiszeitkun­st den Status Welterbe verliehen. Und dann ist da ja noch Albert Einstein. Auch wenn der Nobelpreis­träger nur wenige Monate in Ulm gelebt hat, gilt er als der berühmtest­e Bürger der Stadt. Einstein-Badeenten sind in der TouristInf­o im Stadthaus beliebt, in der Innenstadt gibt es seit Donnerstag knapp zehn Wochen lang eine Mitmach-Ausstellun­g rund um den Physiker, ins Haus zum Engländer, wo Verwandte Einsteins lebten, wird eine Dauerausst­ellung ziehen und ein Verein plant ein „Albert Einstein Discovery Center“.

Doch egal, was die Urlauber in Zukunft nach Ulm lockt. Einen Rekord behält das Münster: den der größten evangelisc­hen Kirche Deutschlan­ds.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Noch kann sich Ulm als die Stadt mit dem höchsten Kirchturm der Welt bezeichnen. Doch ob das so bleibt, ist fraglich.
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FOTO: AFP Die Basilika Sagrada Familia soll 2022 fertig sein.

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