Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Verliert Ulm seinen wichtigsten Rekord?
Bald steht wohl der höchste Kirchturm der Welt in Barcelona – Es bleiben andere Bestmarken
ULM - Dem Münsterturm droht das gleiche Schicksal wie der Schapfenmühle. Der Kornspeicher des Traditionsunternehmens in Jungingen war einmal der weltweit höchste seiner Art, doch dann wurde der zwei Meter höhere Swissmill Tower in Zürich fertiggestellt. Im September 2015 meldete das Schweizer Onlineportal Watson.ch mit erkennbarem Stolz, dass der Zürcher Turm das Silo im Ulmer Norden abgelöst hat. Jetzt also der Münsterturm.
Seit dem 31. Mai 1890 ragt er 162,53 Meter in den Himmel, kein Kirchturm ist höher. Noch. Denn schon in drei Jahren soll der höchste Turm von Barcelonas berühmter und unvollendeter Basilika Sagrada Familia fertiggebaut sein. Wobei das Wort „schon“die Sache zugegebenermaßen nicht ganz trifft. Immerhin haben die Arbeiten an der Kirche des Architekten Antonio Gaudí im Jahr 1882 begonnen. Vor wenigen Tagen meldeten spanische Zeitungen: Die Sagrada Familia hat erstmals eine Baugenehmigung erhalten, die bis 2026 gilt. Dann jährt sich der Todestag des legendären Architekten Gaudí zum 100. Mal, dann soll die Basilika endlich fertig sein. Seinen Rekord verliert der Münsterturm aber noch früher – sofern diesmal alles nach Plan läuft. Der höchste Turm der Sagrada Familia soll 172,5 Meter messen und im Jahr 2022 fertig sein.
Wolfgang Dieterich ist Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik (UNT). Für die Tourismus-Werber ist der Rekord des Münsterturms ein wichtiger Magnet. Trotzdem nimmt Dieterich es locker, dass die Stadt sich womöglich bald nicht mehr mit dem höchsten Kirchturm der Welt rühmen kann. „Wir denken, dass das Münster ein Gesamtkunstwerk ist“, sagt der UNT-Chef. Probleme habe man eher mit zu vielen als mit zu wenigen Gästen: „Der Turm ist in der Hauptsaison oft verstopft und auch das Münster leidet nicht an Besuchermangel.“ Dennoch werde man sich beim Marketing Gedanken machen müssen. „Wir werden das in ein paar Jahren anders formulieren“, kündigt Dieterich an: „Wir machen einfach mehr mit den Besonderheiten des Münsters an sich.“Er kann sich vorstellen, die Rolle des Münsters als Bürgerkirche stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Der Sakralbau selbst sei ja sowieso viel älter als sein Rekord-Turm: Die Arbeiten begannen im Jahr 1377.
Vielleicht setzen die Ulmer in Zukunft aber auch ganz andere Schwerpunkte im Tourismus – mit oder ohne Rekorde. Von denen gibt es in der Donaustadt ja noch einige weitere: Die Bundesfestung ist die größte Festungsanlage Europas, das Schiefe Haus ist das schiefste Hotel der Welt, die Straßenbahnhaltestelle Botanischer Garten ist die vermutlich höchstgelegene Tram-Station Deutschlands, der Löwenmensch ist das älteste bekannte Kunstwerk der Welt, das ein Tier oder einen Menschen zeigt.
Der im Museum Ulm ausgestellte Löwenmensch und die übrigen Funde aus dem nahe gelegenen Ach- und Lonetal eröffnen der UNT und der Stadt große Möglichkeiten: Im Juli 2017 hat die Unesco den Höhlen mit ihrer Eiszeitkunst den Status Welterbe verliehen. Und dann ist da ja noch Albert Einstein. Auch wenn der Nobelpreisträger nur wenige Monate in Ulm gelebt hat, gilt er als der berühmteste Bürger der Stadt. Einstein-Badeenten sind in der TouristInfo im Stadthaus beliebt, in der Innenstadt gibt es seit Donnerstag knapp zehn Wochen lang eine Mitmach-Ausstellung rund um den Physiker, ins Haus zum Engländer, wo Verwandte Einsteins lebten, wird eine Dauerausstellung ziehen und ein Verein plant ein „Albert Einstein Discovery Center“.
Doch egal, was die Urlauber in Zukunft nach Ulm lockt. Einen Rekord behält das Münster: den der größten evangelischen Kirche Deutschlands.