Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Mit Daten gegen überfüllte Straßen
Expertenrunde diskutiert über Möglichkeiten, den Verkehr künftig umweltfreundlicher zu regeln
ULM - Jedes dritte Auto soll klimaneutral fahren – auch jeder dritte Transporter. Jeder zweite Weg soll mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Und der öffentliche Nahverkehr soll doppelt so gut genutzt werden. Diese Ziele gibt der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann aus. Doch wie können sie erreicht werden und auf welche Weise lassen sich Daten dafür einsetzen? Bei einer Podiumsdiskussion im Ulmer Verschwörhaus hat sich der Grünen-Politiker am Mittwoch mit Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch und dem Unternehmer Blochin Cuius ausgetauscht.
Die von Insidern gut besuchte Veranstaltung Roadshow In-Ko-Mo 4.0 drehte sich um die Frage „Wie können Land, Kommunen und Mobilitätswirtschaft die Mobilität von morgen gestalten?“. Sie bot eine Fülle von Aspekten und Projekten zum Verkehr und zu Möglichkeiten, diesen besser zu organisieren. Die Abkürzung In-Ko-Mo steht für Innovationspartnerschaften zwischen Kommunen und Mobilitätswirtschaft – es geht also darum, wie das Land, die Kommunen und Unternehmen gemeinsam eine Verbesserung bei der täglichen Mobilität vor allem im Straßenverkehr erreichen können.
Hermann, Czisch und Cuius, Geschäftsführer des Mobilitätsunternehmens MVMANT, waren sich in den meisten Punkten einig. Vor allem darin, dass dringend mehr Daten zum Beispiel über Verkehrsteilnehmer und Anbieter gesammelt und verarbeitet werden müssen.
Baden-Württemberg ist mit dem Projektaufruf „Mobilitätsdatenarchitektur für innovative Anwendungen“vorgeprescht. Ziel ist, die Verfügbarkeit und Qualität von Mobilitätsdaten zu verbessern und die Ausarbeitung innovativer Ideen für die Verwendung von Mobilitätsdaten zu fördern. Für Winfried Hermann, aber auch für die anderen Teilnehmer der Diskussion ist dies im digitalen Zeitalter ein absolutes Muss. „Wir brauchen viele wichtige Daten für die Verkehrssteuerung, die müssen in einer Verkehrszentrale BadenWürttemberg eingehen und von dort an die Kommunen verteilt werden“, sagte der Verkehrsminister. Das Thema Mobilität stehe in Zukunft ganz oben und es müsse überparteilich daran gearbeitet werden.
Wetter berücksichtigen
Gunter Czisch brachte einen wichtigen Aspekt ein: „Wie findet Mobilität statt? Diese Frage müssen wir auch mit den Wetterdaten verknüpfen.“Bei schlechtem Wetter würden vielfach andere Verkehrsmittel benutzt als bei gutem. Hermann ging diesbezüglich auf den Klimawandel ein: „Die Autos machen die Städte kaputt.“Er formulierte die genannten Ziele, dass jedes dritte Auto, also auch jeder dritte Transporter, klimaneutral fahren muss, dass jeder zweite Weg mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden muss und dass der öffentliche Nahverkehr doppelt so gut genutzt werden muss. „Um das zu erreichen, ist die Vernetzung ganz wichtig. Wir müssen die Digitaltechniken nutzen“, sagte Hermann und sprach ein Problem an, das viele beschäftigt: „Die Daten müssen zuverlässig sein. Die Navis in den Fahrzeugen bieten zum Beispiel bei Staus eine Lösung an. Dann wird der Verkehr oft durch Kommunen geleitet, das ist ganz schlecht.“
Professor Oliver Taminé von der Hochschule Furtwangen sprach vom Ergebnis einer Untersuchung zur Besetzung von Autos: „Kein Bahnhof, kein öffentlicher Nahverkehr und praktisch in jedem Auto saß nur eine Person.“Und so propagierte Blochin Cuius das Car-Sharing, während sich andere auch fürs Projekt Open Bike einsetzten. Dabei wird eine Software für ein Fahrrad-Verleihsystem erstellt, die jeder Programmierer weiterentwickeln kann. Stefan Kaufmann von der Stadt Ulm berichtete: „Wir haben Open Bike Ulm langsam entwickelt. Wir mussten verschiedene Verschlusssysteme testen und herausfinden, wie die Benutzung der Fahrräder für alle möglich ist.“
Insgesamt wurden sieben Projekte zur Mobilitätsverbesserung vorgestellt, darunter eines zum Verhindern von Auffahrunfällen bei Staus. Für die Projekte werden vor allem viele und gesicherte Daten benötigt, mit Rücksicht auf den Datenschutz auch anonymisierte.