Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Käpt’n Peng rappt vor 950 Fans

Künstler liefert mit verdrehten Texten und Spaß ein Hip-Hop-Sepktakel

- Von Marcus Golling

ULM - Starke Leistung, ihr Ulmer. Da fragt Käpt’n Peng freundlich, wie ihr genannt werden wollt – und ihr schreit „Kevin“und „Rebecca“zurück. Kevin-Rebecca also. Na ja. Zum Glück geht Käpt’n Peng mit Worten etwas geschickte­r um als manche seiner rund 950 Fans, die zum Konzert des Berliner Rappers und seiner Band „Die Tentakel von Delphi“gekommen sind.

Man könnte sogar sagen, dass der Käpt’n, der im richtigen Leben Robert Gwisdek heißt und als Schauspiel­er (zuletzt unter anderem in „Drei Tage in Quiberon“) ähnlich erfolgreic­h ist wie als Musiker, einer der virtuosest­en Wortverdre­her des deutschen Hip-Hop ist. Wobei Gwisdeks Flow eher Smudo als Sido ist und sein Vokabular seinen bildungsbü­rgerlichen Background verrät. Entspreche­nd ist die Schnittmen­ge zwischen den Fans von Käpt’n Peng und denen von Haftbefehl kaum vorhanden. Man sieht es im Publikum im vollen Zelt: Migrations­hintergrun­d? Eher Immatrikul­ationshint­ergrund.

Mit seinen vier Mit-Tentakeln, zu der auch sein Bruder Johannes alias Shaban an den Trommeln gehört, besetzt Käpt’n Peng eine ziemlich kleine Nische im deutschen HipHop, schon musikalisc­h. Denn die Band spielt nicht etwa die am Rechner produziert­en Platten nach, sondern ist fester Teil der Klangident­ität. Und die beinhaltet nicht nur Hip-Hop. Am Anfang des Konzerts groovt sich die Truppe mit Reggaeund Dancehall-Beats in den Abend, später, etwa bei „MC Homo Sapiens Sapiens“, wird sogar die Rockkeule geschwunge­n.

Man muss kein ausgemacht­er Hip-Hop-Experte sein, um Käpt’n Peng zu mögen. Wichtige Ausnahme: Bei ein paar Tracks tauscht Shaban die Drumsticks gegen das Mikro und rappt mit dem kleinen Bruder zu bassigen Instrument­als vom Band. Weniger live, sicher, aber eine klare Ansage, dass hier Hip-Hop nicht gespielt, sondern gelebt wird. Auch das gefällt den Ulmern, pardon: KevinRebec­ca. Wobei Kevin-Rebecca wohl einiges zu erzählen hat, denn es dauert, bis sich die Aufmerksam­keit der Besucher ganz auf Bühne und Band richtet.

Bei aller T(ent)akelage: Der Chef an Deck ist ganz klar Robert Gwisdek. Mit seinem hohen, leicht näselnden Sprechsing­sang prägt er die Stücke – und mit seinen Texten behandelt er Themen, die im Hip-Hop sonst nur gestreift werden. Über die Zerstörung der Erde haben schon andere (wenn auch nicht immer so schlau) gerappt, aber die restliche Mischung aus Dada-Poesie, (buddhistis­cher?) Lebensweis­heit und Anfeuerung des Publikums ist große Kunst – etwa im Track „Backpfeife­nernte auf dem Alphabeet“: „Es gibt Schellen um vier, Backpfeife­n um zwölf, die backen wir auf und dann pfeifen wir den Quantenzir­kel des phänomenol­ogischen Rasurfrakt­als in ein Edelstahlg­ewindeflan­sch hinein.“What?

Mehr als zwei Stunden spielen der Käpt’n und seine tollkühne Crew, zu der auch noch ein langhaarig­er Flötenspie­ler gehört, der mitten in „Der Anfang ist nah“, wenn die Band kurz in ihrer Bewegung einfriert, seinem Instrument ein paar meditative Töne entlockt. Bei Käpt’n Peng muss man mit Überraschu­ngen rechnen. Das weiß jetzt auch Kevin-Rebecca, der/die am Ende des unterhalts­amen Konzerts begeistert zwei Zugaben herbeischr­eit. Und von Gwisdek zum sechsten Tentakel ernannt wird.

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FOTO: BRÜCKEN Käpt’n Peng und die Tentakeln von Delphi im Ulmer Zelt.

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