Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kritik am Sportfest in der letzten Diktatur Europas
149 deutsche Athleten bei umstrittenen Europaspielen
MINSK (dpa/SID) - Ein repressives System, überwachte Journalisten und viel Kritik: Die Europaspiele in Minsk stehen schon vor ihrem Start am Freitag in einem schlechten Licht. Politiker und Menschenrechtsorganisationen schlagen angesichts der Situation in Weißrussland Alarm. Die Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag, Dagmar Freitag, hat das zehntägige Sportfest, an dem rund 4000 Athleten teilnehmen, davon 149 aus Deutschland, heftig kritisiert. „Wir alle wissen aus Erfahrung, dass insbesondere Länder mit zweifelhaftem Zugang zu demokratischen Wertvorstellungen und Errungenschaften solche Veranstaltungen zu prunkvollen Selbstdarstellungen nutzen“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der „Funke-Mediengruppe“.
Zu spürbaren Veränderungen im Gastgeberland führten diese Veranstaltungen nicht. „Die Todesstrafe wird bleiben, die Verfolgung von Homosexuellen auch“, betonte Freitag, die „schon die Einführung dieses Wettbewerbs aus sportlicher Sicht für völlig überflüssig“hält. Von der deutschen Delegation erwartet die Sportausschuss-Chefin hinsichtlich kritischer Auseinandersetzung „wenig bis nichts“.
Dass Deutschland überhaupt dabei ist, war lange offen. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), schloss im vergangenen Jahr einen Boykott nicht aus. Nach Abwägung der in erster Linie sportlichen Argumente sei die deutsche Teilnahme an der zweiten Auflage des MultisportEvents aber „alternativlos“, betonte DOSB-Vizepräsidentin Uschi Schmitz, zugleich Chef de Mission des deutschen Teams. Die Frage nach einem Boykott stelle sich angesichts der zu vergebenden OlympiaStartplätze nicht: „Der Sport steht absolut im Vordergrund“, sagte Schmitz.
Die Athleten im Bogenschießen, Karate, Schießen und Tischtennis können sich über die Europaspiele für Olymnpia 2020 in Tokio qualifizieren. Die anderen teilnehmenden Sportarten schicken daher größtenteils eher unbekanntere Athleten aus der zweiten Reihe nach Minsk.
Das Tischtennis-Nationalteam tritt in Bestbesetzung an, auch die Topstars Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sind dabei. Doch Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf betont: „European-Games-Sieger zu sein – das interessiert keinen Menschen. Uns interessiert nur die Qualifikation für Olympia. Deshalb ist der Termin für uns sehr wichtig“, sagte er.
Dass die Europaspiele im Tischtennis durch die Tokio-Qualifikation aufgewertet wurden und der Terminkalender damit noch voller wird, passt dem Deutschen TischtennisBund nicht. „Man hätte auch die Team-EM im September als Olympiaqualifikation ausrufen können. Oder man hätte sagen können: Die European Games sind gleichzeitig unsere Team-EM. So haben wir innerhalb kurzer Zeit zwei ähnliche Turniere“, meinte Sportdirektor Richard Prause.