Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Stuttgart startet den wilden Ritt
Wie Tim Walter den VfB in die Bundesliga führen will – 4500 Fans bei Trainingsauftakt
STUTTGART (dpa/SID) - Bei seinen ersten Schritten auf dem Rasen des Robert-Schlienz-Stadions staunte auch der neue Trainer Tim Walter nicht schlecht. Denn der 43-Jährige durfte feststellen, dass sich die Fans des VfB Stuttgart auch vom erneuten Absturz in die Zweitklassigkeit nicht die Laune verderben ließen. 4500 Zuschauer beklatschten Mario Gomez und Co. am Donnerstagnachmittag beim Trainingsauftakt. „Wir werden alles geben“, versprach Sportvorstand Thomas Hitzlsperger den Fans am Mikrofon.
„Trainer sprüht vor Energie“
Mit dem Blick zurück will sich der VfB nicht mehr beschäftigen. Es soll nach dem Abstieg vieles besser werden, und wenn man dem neuen Trainer zuhört, dann steht dem zuletzt schwer kriselnden VfB eine kleine Revolution bevor: Der Coach wolle „mutigen, attraktiven Fußball“spielen lassen, „der immer aktiv ist“, sagte der neue Coach schon am Mittwoch. Kurz: Der Fußball des VfB soll komplett anders werden. In der Zweiten Liga will der von Holstein Kiel geholte Walter die schwäbische Fußball-Revolution wagen.
„Hier sitzt ein Trainer, der sprüht vor Energie“, sagte Hitzlsperger: „Sie können sich alle denken, dass Vollgas angesagt ist.“Das Ziel des VfB könne nur Aufstieg lauten, betonte Kaderplaner Sven Mislintat, aber nicht um jeden Preis. „Wenn du im Poker ,All In’ gehen musst, machst du etwas falsch.“Walter müsse Zeit bekommen.
Ein neues Spielsystem zu installieren, geht schließlich nicht von heute auf morgen. „Wir wollen immer das Heft in der Hand haben und uns nicht vom Gegner irgendetwas aufdrücken lassen“, erläuterte Walter noch, „wir schauen auf uns, wir sind der VfB! Und wir haben die Qualität dazu.“
Was er von seinen Spielern erwarte? „Es geht darum, sich darauf einzulassen. Die Bereitschaft zu haben, was Neues zu lernen“, sagte der 43Jährige, der sich als „fußballverrückt“beschrieb. „Ich liebe diesen Sport, diesen Beruf. Außer meiner Familie gibt es für mich nichts Wichtigeres als den Fußball.“Walters Familie bleibt übrigens in der Nähe von München, wo seine Kinder zur Schule gehen.
„Ob’s schlau war, sehen wir später“Neben dem fußballerischen Strukturwandel, vollzieht der VfB einen personellen Umbruch. Das auf Ballbesitz und aggressivem Verteidigen beruhende Konzept Walters erfordert eine feine Technik und Schnelligkeit. Nicht gerade die Stärke der VfB-Spieler in der abgelaufenen Saison.
Beim Trainingsauftakt fehlten drei Routiniers: Die jeweils über 30 Jahre alten Ex-Nationalspieler Christian Gentner (33), Dennis Aogo (32) und Andreas Beck (32) haben keinen Vertrag für die neue Spielzeit erhalten. Darüber hinaus ließ der VfB den 30-jährigen Torhüter Ron-Robert Zieler nach Hannover zurückkehren. Stattdessen waren am Donnerstag die jungen Neuzugänge Atakan Karazor (22), Philipp Klement (26), Mateo Klimowicz und Pascal Stenzel (23) dabei.
Ob die jungen Neuzugänge diese Lücken füllen können, wird man sehen. „Ich glaube, dass wir in diesem Moment schon eine ziemlich schlagkräftige Truppe zusammen haben“, sagte Mislintat. Eine, die in den kommenden fünf Wochen bis zum Saisonstart Ende Juli die komplizierte Idee von Walter eingeimpft bekommen soll. Diese beschreibt der Trainer so: „Es trifft schon zu, dass es manchmal etwas wild zugeht.“Risikobehaftet sei sein Konzept, gibt der Ex-Coach von Holstein Kiel zu.
Ob die Idee mit Walter und seinem mutigen Spielstil clever ist, wollte Sportchef Hitzlsperger übrigens noch nicht bewerten: „Das wäre vermessen. Ob’s schlau war, sehen wir später“, sagte der 37-Jährige.