Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ställe sollen Wohnungsbau nicht bremsen
Leer stehende Gebäude bereiten Gemeinden Probleme – Land plant neue Regeln
STUTTGART - Hier 50 Ställe, nicht mehr genutzt, mitten im Dorf. Dort Menschen, die dringend eine bezahlbare Wohnung suchen. Gerne würde die Gemeinde Nellingen im Alb-Donau-Kreis diese im Ortskern bauen. Platz wäre da. Aber: Wohnungen müssen viel Abstand zu Ställen haben, egal, ob Tiere darin stehen oder nicht. „Das führt faktisch zu einem Bauverbot“, sagt Nellingens Bürgermeister Franko Kopp. Am Donnerstag will der Landtag Änderungen am Bestandsschutz für Ställe debattieren. Die FDP hält das für falsch, den Gemeinden gehen die Pläne nicht weit genug.
Politik für die Ortskerne
Seit Jahren setzt die Politik darauf, dass Gemeinden nicht zu viel neu außerhalb der Orte bauen. Millionen Euro Fördergeld fließen für Projekte, die innerorts Bebauung verdichten, Baulücken schließen. So werden weniger Flächen zubetoniert, die Wege sind kurz, das Leben im Dorf bleibt attraktiv. „Aber der Bestandsschutz für Ställe konterkariert alle diese Bemühungen“, kritisiert Kopp. Wegen des Geruchs und des Lärms darf man nur mit großem Abstand dazu bauen.
Dass Grüne und CDU diese Regel nun entschärfen, ist auch Kopp zu verdanken. Beim Verband der Kommunen, dem Gemeindetag, hat er sich ebenso eingesetzt wie bei den örtlichen Landtagsabgeordneten. Die Regierungsfraktionen haben sich nun auf neue Regeln geeinigt. Nutzt ein Bauer seine Ställe sechs Jahre lang nicht mehr, soll künftig der Bestandsschutz erlöschen. Er dürfte dann keine Tiere mehr dort unterbringen. Die Gemeinde kann angrenzend Wohnbauflächen planen. Landwirte können eine zweijährige Verlängerung der Frist beantragen.
Der Landesbauernverband war lange gegen eine Neuregelung. Zu tief greife das Land in das Eigentum der Bauern ein. Landwirte nutzten alte Ställe zum Beispiel, um im Seuchenfall kranke Tiere von gesunden zu trennen. Der Tierbestand schwanke je nach Zuchtrhythmus und Fleischpreisen, da brauche man Reserveställe. Viele Bauern möchten ihre Ställe als solche behalten, auch wenn sie diese selbst nicht mehr nutzen. Es könnte ja sein, dass ein Hoferbe doch wieder Tierzucht betreibe.
Die FDP teilt diese Argumente. Der Salemer Abgeordnete Klaus Hohe begründet das so: „Die geplante Regelung wirft mehr Fragen auf, als sie für den Wohnungsbau Antworten liefert. Ich halte sie für rechtlich wackelig.“Eigentum werde durch die Verfassung streng geschützt. Außerdem habe die Landesregierung keine Idee, wie man Umgehungsstrategien begegnen wolle – etwa, wenn Bauern einfach zeitweise doch wieder Tiere in die Ställe bringen, um den Bestandsschutz zu erhalten.
Der Bauernverband steht hingegen mittlerweile hinter dem neuen Gesetz. „Letztlich sind Dörfer zum Wohnen, das Umland für die Landwirtschaft da“, sagt Referent Michael Schulz. Mit der Sechs-Jahres-Regel plus Übergangsfrist könne man leben. Ein weiterer Grund: Oft entsprechen alte Stallungen nicht mehr den neuesten Auflagen – etwa, weil sie zu wenig Platz für die Tiere bieten. Damit sind solche Gebäude ohnehin nicht mehr für Schweine- oder Rinderhaltung nutzbar. Der Bauernverband hat seine Proteste auch aufgegeben, weil man größere Probleme anderswo sieht – und bei deren Lösung auf politische Unterstützung hofft. „Der wahre Nutzungskonflikt zwischen Wohnbebauung und Landwirtschaft findet in den Ortsrandlagen statt“, sagt Schulz. Dort wollten Gemeinden Neubaugebiete ausweisen, dabei holten die Siedlungen Gebiete ein, die früher weit außerhalb lagen – und deshalb Äcker, Weiden und Höfe beherbergen. Hier dürfe Wohnen nicht per se vor Landwirtschaft gehen.
Kommunen nicht ganz zufrieden Der Gemeindetag und der Nellinger Bürgermeister Kopp sind mit den neuen Regeln nicht völlig zufrieden. Sie seien ein Schritt in die richtige Richtung, der gehe aber nicht weit genug. Die Fristen seien zu reichlich bemessen. „Wir haben heute Wohnungsnot, da können Bürgermeister nicht jahrelang warten, ob noch mal ein Schwein im Stall steht“, sagt Christopher Heck vom Gemeindetag.
Bürgermeister Kopp betont: Menschen suchten nicht nur in Ballungsräumen nach Wohnungen. Nellingen wachse seit Jahren. Rund 30 Flüchtlinge habe die Gemeinde untergebracht, weitere sollen folgen. Der Druck sei also groß, rasch Wohnungen zu bauen. Dennoch werde sich etwas ändern können: „In den kommenden vier bis sechs Jahren können wir hoffentlich mehr Mietwohnungen schaffen.“
Nach der ersten Debatte über die neuen Regeln am Donnerstag will der Landtag sie noch vor der Sommerpause endgültig beschließen.