Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Schüler fordern Verzicht auf Klausuren an Hitzetagen
Landesschülerbeirat mahnt Änderungen bei Regeln zu Hitzefrei an – Ungleichbehandlung soll enden
STUTTGART - Die Temperatur steigt, die Konzentration sinkt entsprechend. Bei der aktuellen Hitzewelle stellt sich an jeder der rund 4500 Schulen im Land dieselbe Frage: Soll es Hitzefrei geben? Einheitliche, landesweite Vorgaben vom Kultusministerium gibt es nämlich nicht, lediglich einige Richtlinien. Gegen manche davon wehren sich nun die Schüler – und fordern neue.
Der Landesschülerbeirat verlangt ein Ende der Ungleichbehandlung von Schülern. Seit 1975 gilt nämlich: Kein Hitzefrei an beruflichen Schulen und in der Oberstufe. So steht es in der Bekanntmachung des Kultusministeriums zum „Ausfall des Unterrichts an besonders heißen Sommertagen“. Leandro Karst, Vorsitzender des Landesschülerbeirats, hat dafür kein Verständnis, wie er der „Schwäbischen Zeitung“sagt. „Kurz nach dem Abitur in einem stickigen Raum zu sitzen, während der Rest bereits den freien Tag genießt – inwiefern ist das gerechtfertigt?“, fragt er etwa. Zudem fordern die obersten Schülervertreter im Land, an besonders heißen Tagen auf Prüfungen zu verzichten. „Es kann nicht sein, dass bei Höchsttemperaturen Klausuren geschrieben werden“, betont Karst.
Eine Sprecherin von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erteilt dem Appell der Schüler eine Absage. An den Kriterien werde sich nichts ändern. Zu diesen gehört auch: Ganztagsgrundschulen und die sogenannten verlässlichen Grundschulen sind von Hitzefrei ausgenommen. Doch auch an den anderen Schulen könne man die Schüler doch nicht einfach nach Hause schicken, betont der oberste Elternvertreter im Land, Carsten Rees. „Was sollen die Eltern denn tun?“, fragt er. „Sollen die Eltern aus dem Büro rennen?“
Hitzefrei bleibe also eine heikle Abwägungsfrage an den Schulen, erklärt der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE). „Entlassen Schulleiter die Schüler wegen schwüler, drückender Hitze früher als nach Stundenplan, ruft garantiert eine aufgebrachte Mutter in der Schule an, die sich darüber beschwert, dass schon wieder Unterricht ausfällt“, erklärt VBE-Sprecher Michael Gomolzig, selbst Rektor einer Grundschule. „Lässt dieser Rektor die Schüler jedoch bis zur letzten Stunde über ihren Büchern schwitzen, muss er sich von einem anderen Elternteil vorwerfen lassen, dass er überhaupt kein Herz für Kinder habe.“Viele Eltern vertrauten darauf, dass ihr Kind gut untergebracht ist.
Matthias Schneider, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, richtet den Fokus auf die Schulgebäude. „Viele Schulgebäude haben dringenden Sanierungsbedarf auch mit Blick auf hohe Temperaturen“, sagt er und nennt unter anderem Fenster, die nicht schließen, sowie keine oder defekte Beschattungsmöglichkeiten. Darauf verweist auch Elternvertreter Rees: „Die Ironie dabei ist, dass die ganz alten Schulhäuser meist noch am kühlsten sind.“
An der Modernisierung der Gebäude werde schon gearbeitet, betont die Ministeriumssprecherin. Im Sanierungsfonds für dieses Jahr seien mehr als 300 Millionen Euro Landesgeld für 341 Projekte eingestellt – vieles davon fließe in energetische Sanierungen. Für den Doppelhaushalt 2020/2021 habe Ministerin Eisenmann zudem angemeldet, den Topf, der für Schulbau vorgesehen ist, auch für Sanierungen zu öffnen und aufzustocken.