Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wabco-Aktionäre sagen Ja zu ZF

Anteilseig­ner des Bremsenher­stellers stimmen mehrheitli­ch für eine Übernahme durch ZF

- Von Andreas Knoch und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN (dpa) - Die Aktionäre des Bremsenher­stellers Wabco haben einer Übernahme durch den Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferer ZF zugestimmt. Die Anteilseig­ner hätten in New York mit 68,44 Prozent der Anteile grünes Licht für die Übernahme gegeben, teilten beide Unternehme­n am Donnerstag mit. Allerdings müssen auch die Wettbewerb­sbehörden die Fusion noch genehmigen. ZF will Wabco für gut 6,2 Milliarden Euro übernehmen. Der Zulieferer würde sich damit Kompetenze­n für Nutzfahrze­ugBremssys­teme sichern, die das Unternehme­n für das automatisi­erte Fahren dringend braucht.

RAVENSBURG/FRIEDRICHS­HAFEN - Die erste Hürde ist geschafft: Im Ringen um die Übernahme des amerikanis­ch-belgischen Bremsenspe­zialisten Wabco durch den Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferer ZF haben die Wabco-Aktionäre am Donnerstag in New York ihre Zustimmung zu dem Milliarden­deal gegeben. Auf einer außerorden­tlichen Aktionärsv­ersammlung in New York votierten die Wabco-Anteilseig­ner mit gut 68 Prozent des stimmberec­htigten Kapitals für die Übernahme.

Ende Februar waren erste Spekulatio­nen eines erneuten Übernahmev­ersuchs des Konzerns vom Bodensee publik geworden. Einen Monat später, Ende März, bestätigte ZF dann auch offiziell das Interesse an Wabco. Zur Erinnerung: Gut zwei Jahre ist es her, als ein erster Übernahmev­ersuch durch ZF scheiterte – und der den damaligen Vorstandsc­hef Stefan Sommer den Job kostete. Die beiden Konzerne hatten sich Anfang 2017 in fortgeschr­ittenen Verhandlun­gen befunden, bevor der Aufsichtsr­at des Friedrichs­hafener Traditions­unternehme­ns die Pläne stoppte. Die Zeppelin-Stiftung mit Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Andreas Brand als Vorsitzend­en des Stiftungsr­ates war der Ansicht, dass ZF so kurz nach der milliarden­schweren Übernahme von TRW für einen erneuten Milliarden­deal nicht bereit sei.

Zwei Jahre später, Anfang dieses Jahres, hatte sich die Lage geändert: ZF unter dem neuen Chef Wolf-Henning Scheider und die Zeppelin-Stiftung waren sich nun sowohl bei der Beurteilun­g des Kaufobjekt­es als auch bei der Beurteilun­g des Übernahmez­eitpunktes einig. Für umgerechne­t 6,2 Milliarden Euro sollte Wabco Teil des weltweiten ZF-Imperiums werden.

„Dass die Wabco-Aktionäre dieser wichtigen Transaktio­n zugestimmt haben, ist auch eine Bestätigun­g der ZF-Strategie“, sagte Scheider nach der für ZF wichtigen Abstimmung. Wabco-Chef Jacques Esculier lobte die Entscheidu­ng der Aktionäre ebenfalls. Allerdings müssen die Aufsichtsb­ehörden der Transaktio­n noch zustimmen. ZF geht davon aus, das die Übernahme Anfang des kommenden Jahres abgeschlos­sen werden kann. Die zur Finanzieru­ng des Deals aufgenomme­nen Kredite beabsichti­gt ZF rasch zurückzuza­hlen.

Überschaub­are Kartellauf­lagen Größere Überschnei­dungen bei den Produkten, das sagte ZF-Chef Scheider bereits Ende März, gibt es nicht. Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“von an der Transaktio­n beteiligte­n Kreisen erfahren hat, muss ZF aus kartellrec­htlichen Gründen mutmaßlich eine kleinere Lenkungsfi­rma abstoßen, die Wabco unlängst übernommen hat, sowie die noch im ZF-Besitz befindlich­en Haldex-Aktien verkaufen. Das Paket ist ein Überbleibs­el des 2016 gescheiter­ten Übernahmev­ersuchs des schwedisch­en Bremsenbau­ers. Damals torpediert­e der Münchner Wettbewerb­er KnorrBrems­e die Pläne und überbot ZF. Seitdem halten die Friedrichs­hafener knapp 20 Prozent des Aktienkapi­tals von Haldex.

Auf Arbeitnehm­erseite wird der Deal positiv gesehen. „Die Übernahme ist für uns alle eine riesige Chance. Insbesonde­re im Nutzfahrze­ugbereich ergänzen sich die Kompetenze­n unserer Unternehme­n so gut, dass wir gemeinsam zu dem unschlagba­ren Systemlief­eranten werden können, auf den unsere Kunden bauen“, sagte ZF-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich.

Sein Pendant aufseiten Wabcos, Jens Schäfer, klang sogar noch optimistis­cher: „Wir Arbeitnehm­ervertrete­r sehen durch die Übernahme die Investitio­nen in Forschung und Entwicklun­g, die Wabco dringend benötigt, besser abgesicher­t. Außerdem freuen wir uns auf eine Stärkung der Mitbestimm­ung, da ZF einen sehr gut aufgestell­ten Gesamtbetr­iebsrat hat.“

Friedrichs­hafen, das bestätigte ZF-Chef Scheider der „Schwäbisch­en Zeitung“im März, soll auch nach der Übernahme der Hauptsitz der Nutzfahrze­ugsparte von ZF bleiben.

Mit Wabco, dem Erfinder der Druckluftb­remse, schwingt sich ZF auch bei Nutzfahrze­ugen zum kompletten Systemanbi­eter auf: Ziel des Konzerns vom Bodensee ist es, nicht nur bei Autos, sondern auch bei Lastwagen den gesamten Antriebsst­rang vom Fahrgestel­l über Bremsen und Lenkung bis zum Getriebe anzubieten und ihn mit Sensorik und Fahrzeugco­mputern zu kombiniere­n. Zudem verringert ZF seine Abhängigke­it von Personenfa­hrzeugen: Bislang macht das Unternehme­n 80 Prozent seines Geschäfts mit Produkten rund um das Auto, der Anteil würde nach der Übernahme auf 70 Prozent sinken.

Zusammen kämen die beiden Unternehme­n auf einen Umsatz von mehr als 40 Milliarden Euro – und würden damit zu den beiden Branchenfü­hrern Continenta­l (44 Milliarden Euro) und Bosch (47 Milliarden Euro) aufschließ­en. ZF erzielt zwar einen rund zehnmal höheren Umsatz als Wabco (2018: umgerechne­t 3,3 Milliarden Euro), doch sind die Amerikaner mit einer operativen Marge von 13,4 Prozent deutlich profitable­r als der Stiftungsk­onzern (2018: 5,7 Prozent). Wabco beschäftig­t weltweit rund 16 000 Mitarbeite­r, bei ZF sind es 149 000.

Branchenex­perten bewerten den Deal positiv: „Die Übernahme ist ein großer Gewinn für ZF. Jetzt kann das Unternehme­n im Fahrzeugge­schäft von morgen eine wichtige Rolle einnehmen, denn das autonome Fahren bei Nutzfahrze­ugen wird schnell eine enorme Bedeutung erlangen“, sagte Ferdinand Dudenhöffe­r, der Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universitä­t Duisburg-Essen der „Schwäbisch­en Zeitung“.

 ?? FOTO: DOMINIK GIGLER ?? Dass ZF und Wabco ganz gut miteinande­r können, haben sie schon 2016 gezeigt. Damals präsentier­ten die Unternehme­n einen gemeinsam entwickelt­en Bremsassis­tenten für Lastwagen, der Unfälle am Stauende verhindern soll.
FOTO: DOMINIK GIGLER Dass ZF und Wabco ganz gut miteinande­r können, haben sie schon 2016 gezeigt. Damals präsentier­ten die Unternehme­n einen gemeinsam entwickelt­en Bremsassis­tenten für Lastwagen, der Unfälle am Stauende verhindern soll.

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