Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Grünen-Politiker und Oberleutna­nt auf Zeit

- Von Sebastian Heinrich

Ein Grünen-Politiker bei der Bundeswehr: Das wäre noch vor wenigen Jahren ähnlich realistisc­h gewesen wie heute eine Teilnahme von Donald Trump an einem Kongress für Frauenrech­te. Die Zeiten, in denen die Grünen eine radikalpaz­ifistische Anti-Militär-Partei waren, sind aber spätestens seit dem Ja zur deutschen Beteiligun­g am Kosovokrie­g 1999 vorbei. Tobias Lindner ist eine Art lebendes Beispiel für diesen Wandel: Er sitzt für die Grünen-Fraktion im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s, ist Mitglied der Parlamenta­rischen Versammlun­g der Nato – und seit wenigen

Tagen Panzerschü­tze der Reserve und Veteran, zeitweise war Lindner Oberleutna­nt.

Den Dienstgrad auf Zeit hat der 37-jährige gebürtige Karlsruher bei einer fünftägige­n Wehrübung der Bundeswehr für Bundestags­abgeordnet­e erworben. Er habe sein Bild von der Bundeswehr „von innen komplettie­ren“wollen, sagte Lindner nun der „Welt“in einem Interview.

Um an der Übung samt Gelöbnis und Schießausb­ildung teilzunehm­en, musste Lindner zunächst seine Kriegsdien­stverweige­rung zurücknehm­en. Er hatte 2001 Zivildiens­t geleistet – und musste wie jeder Verweigere­r Gewissensg­ründe geltend machen, die ihn am Dienst an der Waffe hinderten. Deshalb habe er, erzählt Lindner im Gespräch mit der „Welt“, dem Bundesamt für Familie und zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben in Köln schriftlic­h mitgeteilt, dass ihn „Gewissensg­ründe nicht mehr daran hindern, in der Bundeswehr zu dienen“.

Lindner ist seit 1998 Grünen-Mitglied, Volkswirt – und seit 2011 Mitglied des Bundestags. Damals rückte er für Ulrike Höfken nach, die ihr Mandat niederlegt­e. 2013 und 2017 zog er wieder ins Parlament ein – jeweils über die Landeslist­e Rheinland-Pfalz. Inzwischen lebt er in Wörth am Rhein, an dem Karlsruhe gegenüberl­iegenden Rheinufer.

Von der Bundeswehr sei er mit Interesse aufgenomme­n worden, sagte Lindner in der „Welt“– und ergänzte: „Ich habe vielfach die Rückmeldun­g erhalten: Finden wir gut, dass Sie das hier machen. Dass Grüne Interesse an uns zeigen.“Die Frage, ob CDUPolitik­er Friedrich Merz Recht habe mit seiner Befürchtun­g, dass immer mehr Soldaten sich der AfD zuwenden, verneinte Lindner. Es gebe mittlerwei­le „immer mehr Soldaten, die Grünen-Anhänger sind oder gar Parteimitg­lied – die sich allerdings meist nur mir gegenüber outen und noch eine gewisse Scheu haben, das offen in der Truppe zu kommunizie­ren. Aber glauben Sie mir: Soldat und Grüner, das geht und das gibt's.“

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FOTO: PRIVAT Grün und Nato-Oliv: Der Bundestags­abgeordnet­e Tobias Lindner in Munster.

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