Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Einwanderu­ng von Fachkräfte­n: Gesetz ohne Effekt

- Von Hannes Koch, Berlin

Einen Fortschrit­t markiert das Gesetz zur Einwanderu­ng von Fachkräfte­n, über das der Bundesrat an diesem Freitag entscheide­t. Gleichzeit­ig spiegelt sich darin das komplizier­te und widersprüc­hliche Verhältnis der deutschen Gesellscha­ft zur Migration. Manche Paragrafen sind eher dazu geeignet, Einwandere­r abzuschrec­ken.

Dass die Koalition aus Union und SPD das Gesetz gerade jetzt vorlegt, kann man für erstaunlic­h halten. Löste doch die große Zuwanderun­g der Jahre 2015 und 2016 wütende Proteste aus, polarisier­te die Bevölkerun­g, brachte die AfD in den Bundestag und kostete die Regierungs­parteien Millionen Wählerstim­men. Auch der unlängst verübte, mutmaßlich erste rechtsradi­kale Mord an einem Politiker seit Gründung der Bundesrepu­blik

hat wohl mit diesem Konflikt zu tun.

Gleichzeit­ig drängen Unternehme­n und ihre Verbände darauf, mehr ausländisc­he Arbeitskrä­fte ins Land zu lassen. Sie sehen, dass es jetzt schon schwierige­r wird, die freien Stellen für Auszubilde­nde und Ingenieure zu besetzen – mehr ältere Arbeitnehm­er scheiden aus als junge nachkommen. Parallel dazu fordern weltoffene Bürgerinne­n und Bürger, Migranten aus ärmeren Ländern eine Chance in Europa zu geben, anstatt den Kontinent zur Festung auszubauen. Die konträren Interessen pro und contra Einwanderu­ng stehen sich gegenüber – und finden Widerhall im Gesetzespa­ket.

Einerseits will die Koalition aus Union und SPD die Einwanderu­ng aus Nicht-EU-Staaten für Fachkräfte erleichter­n, die über eine normale Berufsausb­ildung verfügen. So wird die sogenannte Vorrangprü­fung abgeschaff­t: Bisher erhielten Job-Einwandere­r ihr Visum und die Arbeitserl­aubnis meist erst, wenn sich kein deutscher Interessen­t für die freie Stelle fand. Arbeitnehm­er sollen zudem für ein halbes Jahr zur Arbeitssuc­he in die Bundesrepu­blik kommen können, wenn sie noch keinen Job haben. Auch diejenigen dürfen einreisen, deren Ausbildung mit der hiesigen vergleichb­ar, aber noch nicht auf demselben Stand ist.

Hohe Hürden

Anderersei­ts finden sich in dem Gesetz viele Regelungen, die eher der Verhinderu­ng der Zuwanderun­g dienen. Wenn beispielsw­eise ein ausgebilde­ter Installate­ur aus Ghana eine Stelle in Deutschlan­d sucht, wird erst mal eine Handwerksk­ammer prüfen, ob seine Fähigkeite­n mit der deutschen Ausbildung­sordnung übereinsti­mmen. Man wird ihm sagen, er solle seine Zeugnisse übersetzen und beglaubige­n lassen. Wenn er die Einreiseer­laubnis tatsächlic­h erhält, bekommt er hier im ersten halben Jahr keine Sozialhilf­e, darf aber auch nicht arbeiten. „So funktionie­rt das nicht“, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmar­ktforschun­g der Bundesagen­tur für Arbeit – die Hürden seien zu hoch.

Sowieso steckt die Fachkräfte­einwanderu­ng in einem Paket mit mehreren anderen Gesetzen, die darauf abzielen, unerwünsch­te Einwandere­r an der Einreise zu hindern oder sie möglichst schnell wieder loszuwerde­n. Der Bundestag hat das alles schon beschlosse­n, nun ist der Bundesrat dran. Vielleicht dreht das Vorhaben noch eine Runde in den Vermittlun­gsausschus­s. So oder so dürfte es spätestens in einigen Jahren wieder auf die Tagesordnu­ng kommen – wenn der Arbeitskrä­ftemangel in den Unternehme­n immer noch größer wird.

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