Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Einwanderung von Fachkräften: Gesetz ohne Effekt
Einen Fortschritt markiert das Gesetz zur Einwanderung von Fachkräften, über das der Bundesrat an diesem Freitag entscheidet. Gleichzeitig spiegelt sich darin das komplizierte und widersprüchliche Verhältnis der deutschen Gesellschaft zur Migration. Manche Paragrafen sind eher dazu geeignet, Einwanderer abzuschrecken.
Dass die Koalition aus Union und SPD das Gesetz gerade jetzt vorlegt, kann man für erstaunlich halten. Löste doch die große Zuwanderung der Jahre 2015 und 2016 wütende Proteste aus, polarisierte die Bevölkerung, brachte die AfD in den Bundestag und kostete die Regierungsparteien Millionen Wählerstimmen. Auch der unlängst verübte, mutmaßlich erste rechtsradikale Mord an einem Politiker seit Gründung der Bundesrepublik
hat wohl mit diesem Konflikt zu tun.
Gleichzeitig drängen Unternehmen und ihre Verbände darauf, mehr ausländische Arbeitskräfte ins Land zu lassen. Sie sehen, dass es jetzt schon schwieriger wird, die freien Stellen für Auszubildende und Ingenieure zu besetzen – mehr ältere Arbeitnehmer scheiden aus als junge nachkommen. Parallel dazu fordern weltoffene Bürgerinnen und Bürger, Migranten aus ärmeren Ländern eine Chance in Europa zu geben, anstatt den Kontinent zur Festung auszubauen. Die konträren Interessen pro und contra Einwanderung stehen sich gegenüber – und finden Widerhall im Gesetzespaket.
Einerseits will die Koalition aus Union und SPD die Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten für Fachkräfte erleichtern, die über eine normale Berufsausbildung verfügen. So wird die sogenannte Vorrangprüfung abgeschafft: Bisher erhielten Job-Einwanderer ihr Visum und die Arbeitserlaubnis meist erst, wenn sich kein deutscher Interessent für die freie Stelle fand. Arbeitnehmer sollen zudem für ein halbes Jahr zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik kommen können, wenn sie noch keinen Job haben. Auch diejenigen dürfen einreisen, deren Ausbildung mit der hiesigen vergleichbar, aber noch nicht auf demselben Stand ist.
Hohe Hürden
Andererseits finden sich in dem Gesetz viele Regelungen, die eher der Verhinderung der Zuwanderung dienen. Wenn beispielsweise ein ausgebildeter Installateur aus Ghana eine Stelle in Deutschland sucht, wird erst mal eine Handwerkskammer prüfen, ob seine Fähigkeiten mit der deutschen Ausbildungsordnung übereinstimmen. Man wird ihm sagen, er solle seine Zeugnisse übersetzen und beglaubigen lassen. Wenn er die Einreiseerlaubnis tatsächlich erhält, bekommt er hier im ersten halben Jahr keine Sozialhilfe, darf aber auch nicht arbeiten. „So funktioniert das nicht“, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur für Arbeit – die Hürden seien zu hoch.
Sowieso steckt die Fachkräfteeinwanderung in einem Paket mit mehreren anderen Gesetzen, die darauf abzielen, unerwünschte Einwanderer an der Einreise zu hindern oder sie möglichst schnell wieder loszuwerden. Der Bundestag hat das alles schon beschlossen, nun ist der Bundesrat dran. Vielleicht dreht das Vorhaben noch eine Runde in den Vermittlungsausschuss. So oder so dürfte es spätestens in einigen Jahren wieder auf die Tagesordnung kommen – wenn der Arbeitskräftemangel in den Unternehmen immer noch größer wird.