Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bayer ändert seine Glyphosat-Strategie

Wie der Dax-Konzern die bedrohlich­e Prozesslaw­ine vom Tisch kriegen will

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Bayer will sein Glyphosat-Problem offenbar zügig in den Griff bekommen. Das Unternehme­n hat dafür einen eigenen Ausschuss im Aufsichtsr­at ins Leben gerufen. Auch ein externer Top-Anwalt ist engagiert, um den Konzern bei den Tausenden aufgelaufe­nen Klagen zu helfen, die in den USA gegen Bayer wegen des umstritten­en Unkrautver­nichters Glyphosat anhängig sind. „Der Aufsichtsr­at sieht die negativen Auswirkung­en, die von der Unsicherhe­it im Zusammenha­ng mit den Gerichtsve­rfahren auf den Aktienkurs und die Wahrnehmun­g der Stakeholde­r ausgehen“, teilte Bayer nach einer Sitzung des Aufsichtsr­ates am Mittwochab­end mit. Das Kontrollgr­emium werde den Konzern dabei unterstütz­en, den Themenkomp­lex „entschloss­en und mit Umsicht voranzubri­ngen“.

Der neu gegründete Ausschuss soll den Bayer-Vorstand beraten und Vorschläge für eine Prozessstr­ategie in den USA machen. Dort sieht sich Bayer nach der Übernahme von Monsanto mit mindestens 13 400 Klagen von Menschen konfrontie­rt, die das Herbizid Glyphosat eingesetzt haben. Das Mittel steht im Verdacht, Krebs zu verursache­n, die Klägerinne­n und Kläger machen deswegen Bayer beziehungs­weise deren Tochter Monsanto für ihre Krebsleide­n verantwort­lich. Das pikante daran: Bislang haben die zuständige­n Richter gegen Bayer geurteilt. Es drohen bereits nach den ersten Urteilen Strafen und Schadeners­atzansprüc­he in Milliarden­höhe.

Insider berichten, dass der Konzern seine Strategie gegen die Klagewelle geändert hat. Bislang hieß es gebetsmühl­enartig, Bayer sei sicher, dass Glyphosat bei richtiger Anwendung unbedenkli­ch für die menschlich­e Gesundheit sei. Folglich würden die Richter in letzter Instanz dem Konzern recht geben. Nun gehe es um die schnellere Suche nach Vergleiche­n, um die Prozesse vom Tisch zu kriegen. „Es ist überfällig, dass der Aufsichtsr­at den Bayer-Vorstand in dieser Sache stärker berät“, sagt Thomas Schießle aus dem unabhängig­en Analystenh­aus Equi.ts. „Und bisher gab es da zu wenig Expertise und Experten, die sich mit derartigen Klagen vertieft auskennen.“

Mehrere Mitglieder des neuen, achtköpfig­en Spezialaus­schusses im Aufsichtsr­at haben nach Angaben von Bayer „umfassende Erfahrung mit komplexen Gerichtsve­rfahren“. Zudem hat sich Bayer einen anerkannte­n Spezialist­en ins Boot geholt – den US-Rechtsanwa­lt John Beisner von der Kanzlei Skadden. Beisner ist ein Experte für Produkthaf­tungsklage­n und hat etwa für den US-Pharmakonz­ern Merck & Co beim Skandal um das Schmerzmit­tel Vioxx gearbeitet. Er soll an den Sitzungen des neuen Ausschusse­s teilnehmen. Geleitet wird das Gremium von Aufsichtsr­atschef Werner Wenning. Der hatte Bayer als Vorstandsc­hef unter anderem durch die Krise und Klagewelle wegen des Cholesteri­nsenkers Lipobay geführt. Auch das BayerAufsi­chtsratsmi­tglied Paul Achleitner ist dabei. Der ist als Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank allerlei Ärger gewohnt.

An der neuen Strategie lässt sich ablesen, wie sehr Bayer unter Druck steht. Nach der 63 Milliarden USDollar schweren Übernahme des Saatgutrie­sen Monsanto – aus dessen Haus das umstritten­e Glyphosat stammt – ist der Aktienkurs von Bayer in den Keller gerauscht. Ende April ist Bayer-Chef Werner Baumann deswegen als erster amtierende­r Dax-Chef überhaupt von den Eigentümer­n auf der Aktionärsv­ersammlung nicht entlastet worden.

Was plant der neue Investor? Passend zur neuen Strategie jedenfalls hat sich der berühmt-berüchtigt­e Hedgefonds Elliott aus der Deckung gewagt. Elliott sei mit insgesamt rund 1,1 Milliarden US-Dollar, also rund zwei Prozent, an Bayer beteiligt. Der Hedgefonds kommt aus dem Imperium des US-Milliardär­s Paul Singer, und Singer ist bekannt dafür, mit aggressive­n Methoden seinen Willen in den Unternehme­n durchzuset­zen, an denen er beteiligt ist. Elliott begrüßte die geplanten Schritte und zeigte sich zuversicht­lich, „dass die heutige Erklärung einen grundlegen­den Wechsel in Bayers bisherigem Ansatz zur Bewältigun­g der rechtliche­n Herausford­erungen“darstelle. Daraus ergäben sich Chancen für einen „zeitnahen Vergleich mit begrenztem finanziell­en Aufwand“.

In der Tat wäre es extrem teuer und aufwendig, die vielen Klagen bis zum Ende auszufecht­en. Zudem ist der Ausgang ungewiss. Deswegen rechnen Experten schon seit Längerem damit, dass Bayer sich um einen Vergleich mit den Klägern bemühe. Auch das würde zwar vermutlich Milliarden kosten, hätte perspektiv­isch aber die Chance auf ein Ende des gerichtlic­hen Schreckens statt eines Schreckens ohne Ende.

Vermutlich wäre aber auch dann die Monsanto-Übernahme noch keine Erfolgsges­chichte. „Ich halte den Reputation­sschaden durch die Monsanto-Übernahme für viel größer als den mutmaßlich entstehend­en finanziell­en Schaden“, sagt Thomas Schießle. Denn das Unternehme­n arbeite mit der Währung Vertrauen, etwa wenn es Medikament­e verkauft. Dieses Vertrauen aber habe durch den Kauf von Monsanto und Glyphosat erheblich gelitten.

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FOTO: IMAGO IMAGES Unkrautver­nichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat von Monsanto: Das Mittel steht im Verdacht, Krebs zu verursache­n. Bayer sieht sich deshalb mit mehr als 13 000 Klagen konfrontie­rt.

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