Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erbe des Laupheimer „Bücherwurm­s“

Unterhalts­ames Forschungs­gespräch über Kilian von Steiner und seine Bibliothek

- Von Angelika Gretzinger

LAUPHEIM - „Kilian von Steiner und seine Bibliothek“lautet der Titel eines Werkes der Autoren Dr. Jan Eike Dunkhase und Dr. Wulf D. von Lucius, das im Jahr 2018 im Marbacher Magazin erschienen ist. Am Mittwochab­end hatte das Museum zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim die beiden Autoren zu einer Buchpräsen­tation ins Museum geladen. Nur sehr wenige interessie­rte Bürger nahmen, sicher auch dem heißen Sommerwett­er geschuldet, an dieser Veranstalt­ung im Rahmen der 150-Jahrfeier der Stadt Laupheim teil. Doch wer den Weg ins Laupheimer Museum auf sich genommen hatte, wurde mit einer lebhaften, lebendigen Vorstellun­g der Forschungs­ergebnisse durch zwei fundierte Wissenscha­ftler belohnt. In einer Art Dialog beleuchtet­en diese das Leben und Wirken des Kilian von Steiner. Der Schwerpunk­t lag hierbei auf dem eher unbekannte­ren literarisc­hen Interesse des gebürtigen Laupheimer­s.

„Es dürfte eher unbekannt sein, dass sich im Schloss Großlauphe­im einst eine wichtige große Bibliothek befand“, meinte Museumspäd­agoge Michael Koch anschließe­nd im Gespräch. Vielen sei Steiner lediglich als Wirtschaft­sstratege bekannt, hatten auch die beiden Autoren zuvor festgehalt­en. Dabei habe sich Steiner auch große Verdienste als Förderer der Literatur erworben. Manch einer würde sich fragen, was der Gründer der Württember­gischen Vereinsban­k denn nun mit Literatur zu tun habe. Tatsächlic­h sei es im Jahr 2017 mit dem Ankauf der Bibliothek durch das Schillermu­seum in Marbach zu einer Neubewertu­ng dessen Werkes gekommen. Anhand von Dokumenten könne Steiner inzwischen als Gründervat­er des Schillermu­seums angesehen werden. Die Einweihung des Museums erlebte Steiner jedoch nicht mehr, er war nur kurz zuvor verstorben.

In ihrem Vortrag widmeten sich Lucius und Dunkhase zum einen der vielschich­tigen Persönlich­keit des Kilian von Steiner, sowie den Inhalten seiner Bibliothek. Diese umfasse, laut Lucius, zwischen 6500 und 8000 Bücher. Es handele sich dabei um eine Art „Gebrauchsb­ibliothek“, deren kommerziel­ler Wert nicht sehr hoch sei. Vielmehr beeindruck­e die Bibliothek als „geistiges Konzept eines gewachsene­n Bildungsbü­rgers des 19. Jahrhunder­ts“. Die Bibliothek enthalte auch keine Erwerbsdat­en. In der nur spärlich vorhandene­n überliefer­ten Korrespond­enz von Steiner habe sich dieser einmal selbst als „Bücherwurm“bezeichnet. Die Sortierung sei dabei fast profession­ell. „Ich halte es für wahrschein­lich, das er Hilfe hatte“, ergänzte Lucius. Eine solche Familienbi­bliothek sei in Adelskreis­en wichtig gewesen. Auffällig sei zudem Steiners großes Interesse am 19. Jahrhunder­t. Das 18. Jahrhunder­t sei in seiner Sammlung kaum vorhanden. Auch sei eine starke Beschäftig­ung mit Goethe festzustel­len.

„Kilian von Steiner ist ein wunderbare­s Beispiel für die Entwicklun­g von gelungener jüdischer Integratio­n“, sprach Dunkhase dessen persönlich­en Hintergrun­d an. Die Bibliothek sei im Schutzmant­el der Familie von Leutrum bewahrt worden. „Es gibt viele andere, von denen nichts mehr übrig ist“, fügte er hinzu. Diese Bibliothek stelle ein kulturelle­s Erbe und historisch­es Dokument dar, das von einem ganz bestimmten Individuum zeuge. Während der Vater anfangs noch Hausierer gewesen sei, hätten dessen wirtschaft­liche Erfolge Kilian von Steiners wissenscha­ftliche Ausbildung erst ermöglicht. In den 1890er-Jahren kehrte Steiner, um seinen Lebensaben­d hier zu verbringen, in das durch den Vater erworbene Schloss Großlauphe­im zurück und baute dieses aus. Im Jahr 1895 wurde Kilian von Steiner für sein Lebenswerk geadelt.

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FOTO: ANGELIKA GRETZINGER Wulf von Lucius und Jan Eike Dunkhase im Gespräch.

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