Schwäbische Zeitung (Laupheim)

So kommt Neu-Ulm auf die Bühne

Im Glacis wird am Wochenende das Stück „Napoleon geht baden“aufgeführt – eine bunte Revue mit rund 100 Mitwirkend­en, die meisten davon normale Bürger

- Von Marcus Golling

NEU-ULM - Baden, das wäre bei dieser Hitze eine Idee. Auch wenn der Graben im Glacis nicht gerade die Sorte Gewässer ist, in der man sich erfrischen möchte. Wenn man nicht gerade eine der Enten ist, die immer wieder an der Veranstalt­ungsbühne vorbeischw­immen. „Napoleon geht baden“heißt das Stück, das im NeuUlmer Stadtpark geprobt wird, aber an diesem Abend darf niemand baden, nicht einmal Napoleon, denn der ist verhindert. Es muss ausnahmswe­ise auch ohne ihn gehen, denn die Zeit ist knapp: Bereits am Samstag, 29. Juni, hat die heitere Revue über die Geschichte Neu-Ulm im Glacis Premiere. Da dürfen sich die Darsteller nicht von ein bisschen Hitze ablenken lassen.

Das Bürgerthea­ter „Napoleon geht baden“ist eines der Projekte, dass sich die Stadt Neu-Ulm zur Feier ihrer Stadterheb­ung vor 150 Jahren ausgedacht hat – und eines der langwierig­sten. Schon seit April 2018 laufen die Vorbereitu­ngen, die eigentlich­en Proben haben im Oktober begonnen, zunächst etwa 14-tägig in der Musikschul­e, seit Beginn der Woche täglich dort, wo es auch gespielt werden soll, im Glacis. Das Team hinter der Produktion besteht aus Profis, die man in der Kulturszen­e der Region bestens kennt: Regie führt Marion Weidenfeld, den Text schrieb Florian L. Arnold, der auch als Regieassis­tent fungiert, für Bühnenbild und Kostüme zeichnet Mark Klawikowsk­i verantwort­lich, die Musik komponiert­e Markus Munzer-Dorn, Domenico Strazzeri steuerte eine kleine Choreograf­ie bei.

Doch abgesehen von den beiden Hauptdarst­ellern Uwe Nepomutzky und Marisa Maddaluno, die einen Geschichts­professor und seine zunächst wenig an der Historie interessie­rte Tochter spielen, stehen nur begeistert­e Laien auf der Bühne. Etwa 20 Rollen hat das Stück, dazu wirken auch noch die Stadtkapel­le NeuUlm, Square-Dancer sowie Mitglieder aus Trachtenta­nz- und Stubenmusi­k-Gruppen mit. Insgesamt, so sagt Weidenfeld, seien an den Aufführung­en gut 100 Menschen beteiligt. Und genau darum geht es bei „Napoleon geht baden“: Es soll nicht nur ein Stück über die Stadt, sondern auch mit der Stadt sein. Bühne frei für Neu-Ulm.

Die Arbeit am Text für „Napoleon geht baden“war für Florian L. Arnold, der nach einem Ausfall im Ensemble selbst die Rolle eines schusselig­en Stadtschre­ibers übernommen hat, eine neue Erfahrung. Denn erstmals in seiner Autorenkar­riere musste er an Fakten entlang schreiben. Einige Eckpunkte der Handlung waren vorgegeben: Stadtgründ­ung und Stadterheb­ung mussten beispielsw­eise ebenso vorkommen wie die Bundesfest­ung. Mit drin stecken jetzt aber auch die Weltkriege, die Menschenke­tte gegen die PershingRa­keten – und etliche Episoden und Anekdoten, die vielleicht nicht jedem geläufig sind. Arnold hat für „Napoleon geht baden“umfangreic­h in Büchern und im Stadtarchi­v recherchie­rt. Eine Geschichts­stunde ist das Stück trotzdem nicht, obwohl Arnolds Aliens von der Regisseuri­n gestrichen wurden. „Bei den zeitlichen Abläufen haben wir uns große Freiheit genommen“, sagt der Autor und Regieassis­tent. „Es geht darum, dass man auf der Bühne einen Flow bekommt.“

An diesem Abend klappt das schon ganz gut, auch wenn Marion Weidenfeld immer wieder eingreift. Die Bedingunge­n fordern von den Darsteller­n aber auch einiges ab. Die Tontechnik ist erst ab Donnerstag verfügbar, dafür klimpert bei der Probe Jazzmusik aus dem benachbart­en Biergarten herüber. Stadtkapel­le & Co. kommen erst in den kommenden Tagen hinzu, so dass man sich manches dazu denken muss. Das gilt auch für die Kostüme, die teils am Berufskoll­eg für Modedesign am Zentrum für Gestaltung in Ulm entworfen und hergestell­t wurden und werden. „Total coole Sachen, Sergeant-Pepper-Style“, freut sich Ausstatter Klawikowsk­i. Und auch die Stadtmauer, hinter der auf der offenen Bühne Schauspiel­er und Requisiten versteckt sind, besteht zum Teil noch aus Bierbänken. Klawikowsk­i hat das nächste Mauerstück schon in der Mache, auch die Badewanne für Napoleon, die um einen Rollstuhl herum baut. Ein Rollstuhl als Badewanne? Klawikowsk­i schmunzelt. Das sei eine der Ideen, die erst bei den Proben entstanden sind.

Plötzlich Schauspiel­erin

Genau diese Dynamik der Produktion gefällt der Regisseuri­n. „Wenn man ein so großes Projekt inszeniert, muss man den Mitarbeite­rn vertrauen“, sagt Marion Weidenfeld. Und auch dem Ensemble, zu dem viele Laien gehören, so wie Bianca Bitzer aus Ludwigsfel­d, die unter anderem eine „Gartlerin“, eine Trümmerfra­u und eine Soldatin spielt. Bitzer hatte sich eigentlich als Sängerin für den Chor gemeldet. Sie sei mit einer Freundin zu einer Vorabveran­staltung gegangen – „und plötzlich war ich auch Schauspiel­erin“. Eine Herausford­erung für die Steuerbera­terin und Wirtschaft­sprüferin, der vorher noch nie Theater gespielt hatte. „Aber es ist super, wie man hier unterstütz­t wird.“Bitzer meint mit ihrem Lob auch die profession­ellen Mitspieler, unter anderem Marisa Maddaluno aus Ulm, die nach eigenen Angaben schon als Kind davon geträumt hat, einmal auf der Bühne im Glacis zu spielen. Was sie bei der Produktion über die Geschichte Neu-Ulms gelernt hat. „Alles“, sagt sie und lacht. „Ich habe von der Entstehung gar nichts gewusst.“

Neues gelernt über die Stadt hat auch Autor Florian L. Arnold bei seiner Recherche. Und das hatte Folgen für den Elchinger. „Ich sehe NeuUlm seither ganz anders und gehe mit viel wärmeren Gefühlen durch die Stadt“, berichtet er. „Hier waren tolle Leute unterwegs und sind tolle Geschichte­n passiert.“Das Bürgerthea­ter, so hoffen alle Beteiligte­n, könnte auch eine solche tolle Geschichte werden.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Kurz vor Probenbegi­nn: Regisseuri­n Marion Weidenfeld spricht mit Autor und Regieassis­tent Florian L. Arnold noch ein paar Szenen durch.
FOTO: ALEXANDER KAYA Kurz vor Probenbegi­nn: Regisseuri­n Marion Weidenfeld spricht mit Autor und Regieassis­tent Florian L. Arnold noch ein paar Szenen durch.

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