Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Riesiges Schiff an Land
In den Wäldern Kentuckys liegt eine Arche Noah
WASHINGTON (KNA) - „Die Bibel ist Geschichte; wir nehmen sie wörtlich“, sagt Mark Looy, einer der Initiatoren des Archeprojekts im USBundesstaat Kentucky. Und wie: Für Looy und andere christliche Fundamentalisten ist das Buch Genesis der Schlüssel zum Verständnis von Mensch und Welt. Ihrer Auslegung zufolge entstammen wir alle Noahs Familie. Der rettete sich und die Seinen laut dem Alten Testament vor etwa 6000 Jahren vor der Sintflut. Der Gottesstrafe entkamen, so heißt es im Buch Genesis, auch etliche Tiere. Genau 6744 sollen es gewesen sein, von 1398 Arten. Sie haben nach Berechnungen von Mitgliedern der evangelikalen Organisation „Answers in Genesis“die 150 Tage Sintflut überlebt.
Seit zwei Jahren gibt es die „Arche II“. Der riesige Nachbau ist mehr als 150 Meter lang und ragt sieben Stockwerke hoch gen Himmel. Die Konstruktion gilt als das größte freistehende Holzbauwerk der Welt. Mit rund 16 000 Besuchern täglich erreicht das Arche-Noah-Museum seine maximale Kapazität. Allein in den ersten beiden Jahren nach der Eröffnung bestaunten zwei Millionen Besucher das kuriose Projekt.
Schwimmen kann die 120 Millionen-Dollar-Arche nicht. Die Marketing-Idee dahinter ist einleuchtend: Zwei Drittel der US-Amerikaner können die Attraktion in weniger als einer Tagesreise erreichen. „Wir haben die Arche aber nicht als Disneyland gebaut“, sagte Ken Ham zur Eröffnung. Der 67-Jährige ist quasi Kapitän des Schiffes und Präsident von „Answers in Genesis“.
Dafür haben er und seine Mitstreiter großen Aufwand betrieben. Das Bauholz ließen sie aus Neuseeland einschiffen. In riesigen Zisternen stehen fast 200 000 Liter Löschwasser für alle Fälle bereit. Das Schiff beherbergt ein Restaurant mit 1500 Plätzen; Kleintiere leben im Streichelzoo, Elefanten und Giraffen stehen als kunstvoll in die Natur geschnittene Artefakte neben der Arche. Ken Ham nennt sie „eine der größten Pilgerstätten des Christentums“.
Jede Menge Kritiker
Für Kritiker wie den AtheistenFunktionär Jim Helton ist sie dagegen eine Provokation. „Mit diesem Schiff erziehen sie Kinder zu wissenschaftlichen Analphabeten“, kritisiert der profilierte Religionsgegner und Kentucky-Regionaldirektor der Gruppe „American Atheists“. Um einer breiten Öffentlichkeit den Widersinn einer wortwörtlichen Bibelauslegung zu demonstrieren, forderte der prominente Wissenschaftsjournalist Bill Nye Arche-Chef Ham zu einem Streitgespräch heraus; Millionen verfolgten die Debatte im Netz. Doch am Ende triumphierten keineswegs die Archegegner. Im Gegenteil: Die Spenden für das Projekt schossen in die Höhe. 43 000 ArcheFans öffneten ihre Geldbörsen.