Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zu Fuß auf der Suche nach alter Stärke
Ferrari hofft, dass die Strecke in Spielberg besser zum Fahrzeug passt – Vettel freut sich auf das Panorama
SPIELBERG (dpa/SID) - Andere Strecke und damit bessere Karten? Naturliebhaber Sebastian Vettel bleibt im schlimmsten Fall nur die Freude am Panorama von Bergen und grasenden Kühen. Kurz vor seinem 32. Geburtstag muss sich der deutsche Formel-1-Star in der Steiermark am Wochenende auf die nächste Enttäuschung gefasst machen, das Ende der über 300 Tage währenden Sieglosigkeit im Ferrari ist vorerst nicht in Sicht. „Innerhalb von einer Woche kann man nicht viel machen“, sagt der Hesse, der aber nicht aufgeben will. „Es ist definitiv eines, das ich gewinnen will“, kündigt er vor dem Rennen in Österreich an. „Ich schaue nicht zurück, ich schaue nur nach vorn. Ich weiß, dass das Team stark ist“, beteuerte er am Donnerstag.
Doch die Favoritenrolle liegt eindeutig beim bärenstarken Weltmeister Lewis Hamilton und dessen Kollegen Valtteri Bottas im Mercedes. Acht Rennen, acht Siege lautet die Bilanz der Silberpfeile in dieser Saison. Nach Platz fünf am vergangenen Sonntag in Frankreich liegt Vettel im WM-Klassement bereits 76 Punkte hinter Hamilton. Zumindest an Spielberg und an das Rennen im vergangenen Jahr denkt Mercedes aber nicht so gern. „Unser Abschneiden war der Tiefpunkt der vergangenen Saison“, erinnert sich Teamchef Toto Wolff. Hamilton und Bottas schieden aus. „Das Rennen war eine grausame Erinnerung daran, wie schnell die Dinge in unserem Sport falsch laufen können und dass Zuverlässigkeit sowie Performance in der Formel 1 Hand in Hand gehen“, meinte Wolff.
Kein Sieg seit dem 26. August
Die grausamen Erinnerungen liegen bei Vettel nicht so weit zurück. Das fünfte Ferrari-Jahr sollte zum Triumphjahr werden. Die Realität sieht anders aus: Die Saison wird zur Dauerbelastungsprobe für ihn, weil sich Ferrari bei der Grundabstimmung des Fahrzeuges gewaltig verschätzt hat und jetzt krampfhaft versuchen muss, Stück für Stück nachzubessern und den Boliden umzubauen. Seinen bis dato letzten Sieg feierte Vettel am 26. August vergangenen Jahres in Spa-Francorchamps.
Was auch immer die Scuderia in diesem Jahr probiert, es klappt nicht. „Das ist ein größeres Problem“, räumte Vettel zuletzt in Le Castellet ein. Hilflosigkeit macht sich breit. „Der Druck, der Ehrgeiz und die Leidenschaft sind da, uns weiter zu verbessern. Aber wenn es so einfach über Nacht gehen würde, hätten wir es schon gemacht“, betonte Vettel. Eine wundersame Schnellheilung des Ferrari wäre vonnöten, um wieder vorne zu sein. Die Minimalhoffnung, dass die Streckencharakteristik des Red Bull Rings mit seinen längeren Geraden dem SF90 entgegenkommen könnte, dürfte nicht ausreichen. Seit der Rückkehr 2014 auf den Kurs gewann Mercedes dort vier der fünf Rennen. Zweimal war es Nico Rosberg, einmal Hamilton, einmal Bottas.
Klarer Favorit in diesem Jahr ist Seriengewinner Hamilton. Sechs Saisonerfolge in acht Rennen, vier zuletzt nacheinander – und das Gegenteil von satt. „Es gibt keinen Moment, in dem man sich nicht anstrengen sollte. Der Augenblick, in dem man sich zurücklehnt, ist der Moment, in dem man verliert. Und das ist nicht meine Absicht“, betonte der 34 Jahre alte fünfmalige Weltmeister.
Was bleibt Vettel da noch? Zunächst die Schwärmerei für die Kulisse: „Eine einzigartige Landschaft mit den Bergen drum herum. Wenn du Glück hast, siehst du Schnee auf den Gipfeln in der Ferne. Außerdem ist es schon etwas ungewöhnlich, wenn du mit einem Formel-1-Auto fährst und Kühe in der Nähe der Strecke siehst.“Vor einem Jahr wurde er Dritter, geschlagen von Red-Bull-Pilot Max Verstappen und seinem damaligen Teamkollegen Kimi Räikkönen.
Die Hitze und die etwas dünnere Luft im rund 600 Meter hoch gelegenen Spielberg werden jedoch allen Teams zu schaffen machen. „Das Reifenmanagement wird schwierig“, befürchtet Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Ein Sieg für Ferrari wäre vor allem für das Selbstbewusstsein des Teams aus Maranello wichtig, eine Art Antrieb, es in diesem schwierigen Jahr weiterhin zu probieren. Kurz vor der Saisonhalbzeit befindet sich die Scuderia in einer Phase, die im Idealfall schon früh im Jahr abgeschlossen ist. Ferrari versucht noch immer krampfhaft, das eigene Auto zu verstehen. Fast kleinlaut räumt denn auch Vettels Teamkollege Charles Leclerc mit Blick auf die so dominanten Mercedes ein: „Es wird sehr schwer, ihr Level zu erreichen.“