Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die Alternativen zur Nato fehlen
Vor etwas mehr als neun Jahren ist Frankreich als Vollmitglied in die Nato zurückgekehrt. Am Donnerstag bezeichnete nun der amtierende französische Präsident das transatlantische Bündnis als „hirntot“. In einem Interview mit dem britischen „Economist“beklagte sich Emmanuel Macron darüber, dass weder die USA noch die Türkei verlässliche Bündnispartner seien. Statt sich mit ihren Nato-Alliierten abzusprechen, träfen sie ihre Entscheidungen selbstherrlich, wie man aktuell in Nordsyrien beobachten könne.
Die Kritik Macrons ist nachvollziehbar. Weder die USA unter Präsident Donald Trump noch die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan verhalten sich gegenüber den anderen Nato-Mitgliedern wie zuverlässige Verbündete es tun sollten. Weder der Rückzug der US-Truppen noch der Einmarsch türkischer Soldaten in die autonome kurdische Zone Syriens wurden zuvor mit den Alliierten abgeklärt. Die Frage ist allerdings, welche Alternativen der französische Präsident im Sinn hat, wenn er die Nato für tot erklärt. Dem Interview ist zu entnehmen, dass er sich von Europa wünschen würde, sich auf seine eigenen Verteidigungskräfte zu besinnen und das Gespräch mit Russland wieder zu intensivieren.
Ersteres hat die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fest vor. Der Aufbau eigener europäischer Kapazitäten war ihr schon als Verteidigungsministerin ein wichtiges Anliegen. Wer allerdings in den vergangenen Jahren verfolgt hat, wie sämtliche Bemühungen, länderübergreifende Streitkräfte in der EU aufzubauen, im Sand verlaufen sind, der wird auch bei diesem neuen Anlauf nicht allzu optimistisch sein.
Was die engere Bindung an Russland angeht, so ist dessen derzeitiger Präsident Wladimir Putin mit Sicherheit kein besserer Bündnisgenosse als die Herren Erdogan und Trump. Und so dürfte der EU nichts übrig bleiben, als auf einen Machtwechsel in Washington, Ankara und vielleicht sogar Moskau zu hoffen und sich in der Zwischenzeit mit einer hirntoten Nato und einem auch nicht gerade lebendigen EU-Bündnis durchzuschlagen so gut es eben geht.