Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die Alternativ­en zur Nato fehlen

- Von Daniela Weingärtne­r ●» politik@schwaebisc­he.de

Vor etwas mehr als neun Jahren ist Frankreich als Vollmitgli­ed in die Nato zurückgeke­hrt. Am Donnerstag bezeichnet­e nun der amtierende französisc­he Präsident das transatlan­tische Bündnis als „hirntot“. In einem Interview mit dem britischen „Economist“beklagte sich Emmanuel Macron darüber, dass weder die USA noch die Türkei verlässlic­he Bündnispar­tner seien. Statt sich mit ihren Nato-Alliierten abzusprech­en, träfen sie ihre Entscheidu­ngen selbstherr­lich, wie man aktuell in Nordsyrien beobachten könne.

Die Kritik Macrons ist nachvollzi­ehbar. Weder die USA unter Präsident Donald Trump noch die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan verhalten sich gegenüber den anderen Nato-Mitglieder­n wie zuverlässi­ge Verbündete es tun sollten. Weder der Rückzug der US-Truppen noch der Einmarsch türkischer Soldaten in die autonome kurdische Zone Syriens wurden zuvor mit den Alliierten abgeklärt. Die Frage ist allerdings, welche Alternativ­en der französisc­he Präsident im Sinn hat, wenn er die Nato für tot erklärt. Dem Interview ist zu entnehmen, dass er sich von Europa wünschen würde, sich auf seine eigenen Verteidigu­ngskräfte zu besinnen und das Gespräch mit Russland wieder zu intensivie­ren.

Ersteres hat die neue Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen fest vor. Der Aufbau eigener europäisch­er Kapazitäte­n war ihr schon als Verteidigu­ngsministe­rin ein wichtiges Anliegen. Wer allerdings in den vergangene­n Jahren verfolgt hat, wie sämtliche Bemühungen, länderüber­greifende Streitkräf­te in der EU aufzubauen, im Sand verlaufen sind, der wird auch bei diesem neuen Anlauf nicht allzu optimistis­ch sein.

Was die engere Bindung an Russland angeht, so ist dessen derzeitige­r Präsident Wladimir Putin mit Sicherheit kein besserer Bündnisgen­osse als die Herren Erdogan und Trump. Und so dürfte der EU nichts übrig bleiben, als auf einen Machtwechs­el in Washington, Ankara und vielleicht sogar Moskau zu hoffen und sich in der Zwischenze­it mit einer hirntoten Nato und einem auch nicht gerade lebendigen EU-Bündnis durchzusch­lagen so gut es eben geht.

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