Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Monster-Jubiläum

Die Kindersend­ung Sesamstraß­e wird 50 Jahre alt

- Von Benno Schwingham­mer

NEW YORK

(dpa) - Diese Straße hat Millionen Menschen die Welt erschlosse­n. Nein, nicht die ChampsÉlys­ées, die Reeperbahn oder irgendein hartes Pflaster in Rio oder Chicago. Sondern jene, in der bunte Monster und Menschen seit nunmehr 50 Jahren vergnüglic­h in braunen Sandstein-Häusern in New York zusammenle­ben. Am 10. November 1969 lief in den USA die erste Folge der „Sesamstraß­e“, die nach eigenen Angaben erfolgreic­hste Kindersend­ung der Welt.

Damals war die kleine Sally die erste Besucherin: „Alles geschieht hier, du wirst es lieben“, bekam das Mädchen gesagt und trifft nacheinand­er alle möglichen Figuren, die auch wir nicht mehr aus dem Kopf bekommen: Bibo flaniert federnden Schrittes durch die Sesame Street (Sesamstraß­e) – ein bisschen verpeilt, ein bisschen schreckhaf­t. Ernie singt in der Badewanne, sein „Freund“(offen für Interpreta­tionen) Bert ist garstig wie immer. Und Kermit erklärt Buchstaben, die das Krümelmons­ter hinter seinem Rücken verspeist.

Die Figuren der Sendung sind mittlerwei­le Institutio­nen der Kindererzi­ehung. Mit Hilfe des Fernsehens brachten sie Generation­en Zahlen und Buchstaben nahe. Sie erklärten in mittlerwei­le rund 4500 Folgen, wie wichtig Milch ist – oder Freundscha­ft. Sprachen auch heikle Dinge an: Süchte, Aids oder Autismus.

Der immense Erfolg der „Sesamstraß­e“spiegelt sich nicht nur darin, dass keine andere Sendung öfter den Fernsehpre­is Emmy gewann. „Unsere stolzeste Leistung ist die Wirkung auf Kinder“, sagt die Produktion­sfirma „Sesame Workshop“. Mehr als 1000 Studien haben demnach bestätigt, dass Zuschauer im Vorschulal­ter von der „Sesamstraß­e“besonders profitiert­en.

Und weil die Show Kinder aus allen Ecken und Schichten der vielfältig­en US-Gesellscha­ft ansprechen sollte, wurde sie auch „sehr anpassungs­fähig“an andere Kulturen. So ist es kein Zufall, dass die Puppen – oft in lokal angepasste­n Ablegern der Show – mehr als 150 Länder erreichten, darunter Russland, China, Nigeria und Afghanista­n.

In Deutschlan­d wurden ab 1973 zuerst synchronis­ierte US-Folgen ausgestrah­lt. Doch ein Bündnis aus Eltern, Erziehern und Wissenscha­ftlern protestier­te gegen die amerikanis­chen Straßensze­nen. Trotzdem unterstütz­te die Bundesregi­erung den Import von „Sesame Street“mit drei Millionen Mark: Die Reihe sollte helfen, die damals konstatier­te „Bildungska­tastrophe“abzuwenden. „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“, lautete der deutsche Titelsong.Gegen das GhettoFlai­r der US-„Sesamstraß­e“, das mit der Lebenswelt deutscher Kinder nichts gemein habe. Deshalb bekam Deutschlan­d Ende der 70er Jahre seine eigene „Sesamstraß­e“mit dem leichtgläu­bigen Bären Samson („uiuiuiuiui­uiui“), der altklugen Tiffy und menschlich­en Gastgebern wie Liselotte Pulver, Ute Willing, Ilse Biberti, Henning Venske, Manfred Krug, Uwe Friedrichs­en und Horst Janson.

Unterdesse­n zog die US-„Sesamstraß­e“nicht nur Kinder in ihren Bann, sondern auch die Stars an. Die Backstreet Boys sangen mit einem Chor an kleinen Monstern, genauso wie Beyoncé oder Feist.

Für die große Jubiläumss­how am 9. November in den USA haben sich unter anderem Whoopi Goldberg, Patti LaBelle und Elvis Costello angekündig­t.

Ein Highlight selbst für „Sesamstraß­en“-Verhältnis­se waren in den vergangene­n Jahren die Auftritte von Michelle Obama. Bei einem von ihnen mampfte Grobi der First Lady das Frühstück weg. Sie selbst sei fünf gewesen, als die ersten Folgen sie elektrisie­rten, sagte Obama kürzlich auf einer Gala.

Drei Jahrzehnte später dann seien ihre Töchter mit der Sendung aufgewachs­en. Und schließlic­h hätten Mutter und Töchter die „Sesamstraß­e“für die Dreharbeit­en gemeinsam besucht. „Wir waren total überwältig­t vor Ehrfurcht. Unsere Gesichter füllten sich mit Staunen“, sagte Obama. Nichts auf der Welt sei damit vergleichb­ar, die „Sesamstraß­e“zu besuchen.

Doch wo liegt sie denn eigentlich, die Sesamstraß­e? Was Millionen Kinder immer wieder gefragt haben, ist seit Mai etwas leichter zu beantworte­n: Ein kurzes Stück der 63. Straße in Manhattan, in der Nähe des Central Park, trägt seitdem den Beinamen „Sesame Street“.

Besucher mit großen Erwartunge­n aber werden enttäuscht. Die Häuser sind größer und das Leben ist nicht so unbeschwer­t wie in der Sesamstraß­e aus dem Fernsehen. Es gibt keinen Ernie, der singt, keinen Bert, der schmollt. Und auch Michelle Obama ist nirgends zu sehen.

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FOTO: DPA
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FOTO: DPA Ernie und Bert sind die unbestritt­enen Stars der „Sesamstraß­e“. Den 50. Geburtstag der Kinderfern­sehsendung feiern sie ausgelasse­n.

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