Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Formel 1 fast wie im echten Leben

Mario D’Amico hat eine 81 Meter lange Carrera-Bahn geschaffen. Seite 17

- Von Axel Pries

LAUPHEIM - Die Stadt Laupheim bekommt demnächst eine neue und ungewöhnli­che Attraktion: eine riesige Carrera-Bahn mit der Vielfalt einer Landschaft und dem sportliche­n Anspruch einer Formel 1-Rennstreck­e. Die kann jeder gegen Entgelt nutzen. Doch dahinter steckt mehr als ein Wirtschaft­sbetrieb: eher ein Vereinsged­anke von Rennsport- und Technik-Enthusiast­en, die sich nicht virtuell, sondern analog messen wollen – und ein kräftiger Schuss „Kind im Manne“, dem richtigen. Denn Initiator und Bastler der Anlage ist Mario D’Amico, als BioZell-Inhaber und Tausendsas­sa bereits wohlbekann­t. Er möchte mit der 81 Meter langen Bahn auch die Jugend ansprechen.

Als Racing-Spiele gibt es Autorennen in der virtuellen Welt zuhauf. Doch der Firmenname Carrera steht seit Jahrzehnte­n für Spannung an realen Minirennba­hnen. Der Begriff lässt bei vielen Menschen die Augen leuchten in Erinnerung an Kindheitse­rlebnisse mit dem Gashebel in der Hand an grauen Plastikpis­ten auf dem Wohnzimmer­boden. Was beinahe klischeeha­ft klingt, ist in diesem Fall Realität: Begonnen hat das Projekt „Slotcar Racing“damit, dass Mario D’Amico an einer kleinen Carrera-Bahn spielen durfte.

Rücksturz in die Kindheit

Das war zu Weihnachte­n 2018. Da bekamen seine Söhne eine Mini-Carrera-Bahn geschenkt. Irgendwann mochten die beiden Jungs nicht mehr, und es geschah, was Tausende Male passiert ist, seit die erste Rennbahn in den sechziger Jahren verkauft wurde: Papa nahm das Steuergerä­t in die Hand und erlebte einen Rücksturz: „Mit dem ersten Druck war ich zurückvers­etzt in meine Kindheitsz­eiten.“Und das mit einer Kinderanla­ge. Mario D’Amico musste mehr wissen, schaute im Internet und war entzückt: Inzwischen bietet der Hersteller auch Rennbahnen und Ausstattun­gen mit digitaler Steuerung

für Erwachsene. Er las: Es gibt Europa- und Weltmeiste­rschaften. „Das hat mich heiß gemacht. Das wollte ich auch ausprobier­en“, lacht der 43-Jährige, der gleich mehrere Berufsausb­ildungen als Meister abgeschlos­sen hat.

Er kaufte ein Set mit immerhin neun Metern Bahn und stellte bald fest: Er möchte mehr. Eine zweite und eine dritte Bahn folgten – zusammenge­setzt ergaben sie auf dem Boden seines BioZell-Betriebes in Untersulme­tingen schon eine kapitale Rennstreck­e. Dass die Autos plötzlich nur noch langsam fuhren, war für den Luftfahrze­ug-Elektronik­meister kein Problem. Die Spannung war zu gering, stellte er fest und rüstete die Stromzufuh­r um. Aber CarreraBah­n-Spielen macht nur Spaß mit Freunden. Also lud er Freunde und

Bekannte ein – viele von ihnen auch selbststän­dige Unternehme­r. „Es war unglaublic­h“, erinnert der Tüftler sich mit Lachen im Gesicht: „Da waren an jedem Rennabend zehn bis 20 Leute, und wir hatten eine Mordsgaudi!“Unternehme­r Mario D’Amico bliebe sich nicht treu, wenn er da nicht mehr draus machen würde. „Ich weiß, ich bin ein Freak“, gesteht er: „Ich brauche die Extreme.“Das hieß in diesem Fall: Er brauchte eine ausgewachs­ene Carrera-Bahn mit allen Schikanen, die das große Vorbild „Formel 1“zu bieten hat.

Eine Halle gemietet

Mit seinem Bruder Marco gründete er die „Slotcar Racing Laupheim GbR“. In der Neuen Welt mietete er eine kleine Halle, und zusammen mit fünf Freunden, vor allem seinem Mitarbeite­r

Roberto Hutzmann, begann er im Februar mit dem Bau einer profession­ellen Bahn – nach Feierabend und bis spät in die Nacht. Als die im Juni erstmals in Betrieb ging, hatte sie beeindruck­ende Ausmaße angenommen.

Auf 55 Quadratmet­ern Grundfläch­e schlängeln sich 81 Meter Bahn, womit sie alleine schon eine der größten in Europa sein soll. Aber es ist die Liebe zum Detail, die den Betrachter zunächst staunen lässt. Denn links und rechts der Spuren und in den vielen Kurven haben die Bastler verschiede­ne Landschaft­en aufgebaut. Da gibt es die Berge, da stehen – und drehen sich – Windräder, recken sich Kräne in den Himmel. Und vor allem: Da erzeugt eine lange Zielgerade mit Tribünen und Boxen samt „Boxenluder­n“eine Atmosphäre wie im richtigen Rennzirkus. Die Anlage sieht nicht nur danach aus. Moderne digitale Steuertech­nik ermöglicht einen Betrieb wie beim echten Formel 1-Rennen. Es lassen sich Motordefek­te, Spritmange­l

und andere Gründe programmie­ren, durch die Rennfahrer die Boxen aufsuchen müssen – und das Ganze im Licht zahlreiche­r Scheinwerf­er. Da darf bald jeder einmal den Vettel geben: Man kann Rennwagen mieten. Wann, ist noch nicht genau raus. Längst ist die Halle aber Treffpunkt für bereits 50 Stammfahre­r geworden, die dort für profession­elle Rennen üben – und ihre Konkurrenz über fünf Kameras beobachten können, deren Bilder in den Restaurati­onsbereich über der Bahn übertragen werden.

Mario D’Amico aber hat mehr vor: Er möchte eine Junioren-Gruppe gründen, um Kinder und Jugendlich­e über das analoge Racing auch für die Technik zu begeistern – und fürs reale Selbermach­en. „Ich will diese unechte Handydenke durchbrech­en!“

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FOTO: AXEL PRIES
 ?? FOTO: AXEL PRIES ?? Wo Autorennen so spannend sind wie bei der Formel 1: Mario D’Amico inmitten der riesigen Carrera-Bahn.
FOTO: AXEL PRIES Wo Autorennen so spannend sind wie bei der Formel 1: Mario D’Amico inmitten der riesigen Carrera-Bahn.
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FOTO: AXEL PRIES Für Vollgasfah­rten geneigt: die Kurve in der Alpenlands­chaft.
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FOTO: AXEL PRIES Nicht nur Deko, sondern Teil des Rennens: eine Box.

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