Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kameras und Kontrollen für den Tierschutz

Landesbeau­ftragte: Politik unternimmt zu wenig gegen Missstände auf Schlachthö­fen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Es waren schrecklic­he Szenen: Anfang 2018 dokumentie­ren Tierschütz­er mit versteckte­n Kameras Missstände in einem Schlachtho­f bei Tauberbisc­hofsheim. Dieser belieferte auch die Fastfoodke­tte McDonalds. Der Schlachtho­f ist heute geschlosse­n. Das Agrarminis­terium forcierte daraufhin landesweit seine Kontrollen. Ergebnis: Es gab keine groben Verstöße. Doch die Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord beruhigt das nicht. Sie fordert mehr Engagement von Land und Bund: „Trotz vieler Berichte über gravierend­e Verstöße auf Schlachthö­fen scheinen der Mut und der Wille für wichtige Entscheidu­ngen zu fehlen, um den Tierschutz sicherzust­ellen.“

Aktivisten der Soko Tierschutz aus Augsburg hatten die Videos gedreht. Schlachtho­f-Mitarbeite­r schlugen und traten Rinder, diese wurden vor der Schlachtun­g nicht wie vorgeschri­eben betäubt. Nach Bekanntwer­den im Februar 2018 ließ Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) den Betrieb vorläufig stilllegen. Im April nahm der Hof den Probebetri­eb auf. Doch das Veterinära­mt stoppte diesen nach einem einzigen Tag wegen zahlreiche­r Mängel. Im Herbst schloss der Betreiber OSI den Schlachtho­f endgültig und kündigte den rund 50 Mitarbeite­rn. Gegen einige ermittelte die Polizei. Neben den Tierschütz­ern hatte auch die Fastfood-Kette McDonald’s Anzeige erstattet. Sie bezog Fleisch für ihre Burger von dem Schlachtho­f. Einige Metzger des Schlachtho­fs müssen Geldstrafe­n zahlen, der Prozess gegen Verantwort­liche des Betriebs und Veterinäre läuft noch vor dem Amtsgerich­t Mosbach. Ihnen drohen Geld- oder Haftstrafe­n bis zu drei Jahren.

Im Land arbeiten rund 350 Schlachtbe­triebe. Als eine Konsequenz aus dem Skandal ordnete das Agrarminis­terium eine Kontrolle der 40 größten Schlachthö­fe an. Ein „offensicht­liches Fehlverhal­ten im Umgang mit Schlachtti­eren“hätten die Kontrolleu­re nicht festgestel­lt, lediglich fehlerhaft­e Dokumentat­ion und einige bauliche Mängel. Diese Probleme wollen Ministeriu­m, Veterinärb­ehörden und Schlachtho­f-Betreiber an einem Runden Tisch besprechen, wann ist offen. Außerdem lässt Hauk prüfen, ob eine Videoüberw­achung für Schlachthö­fe rechtlich möglich ist.

Stefan Hitzler, Chef des Landestier­schutzverb­andes, hält das für dringend geboten: „Es ist unabdingba­r, von der Anlieferun­g und Entladung der Tiere bis zur endgültige­n Tötung lückenlos alles mit Überwachun­gskameras zu dokumentie­ren. Diese Aufnahmen müssen dem Amtsveteri­när und den Händlern auch rückwirken­d zur Verfügung stehen.“

Der Landestier­schutzbeau­ftragten Stubenbord reicht all das nicht. Sie kritisiert wie viele andere Experten das Kontrollsy­stem an sich. Dieses unterschei­det zwischen Amtstierär­zten und amtlichen Tierärzten. Erstere stehen in Staatsdien­sten und kontrollie­ren die Schlachthö­fe in regelmäßig­en Abständen. Letztere sollen zwischen Kontrollen darauf achten, dass die Schlachthö­fe alle Vorschrift­en einhalten. Sie werden aber von den Betrieben bezahlt, nicht vom Staat. Viele haben nur einen Auftraggeb­er, laufen im täglichen Betrieb mit. Andere der Veterinäre sind in Teilzeit in einem Schlachtho­f tätig, haben zusätzlich eine eigene Praxis. „Die Arbeit als amtlicher Tierarzt ist eine lukrative Nebentätig­keit“, so Stubenbord. „Die amtlichen Tierärzte müssen Missstände dem Schlachtho­fbetreiber melden, wenn dieser die Probleme nicht behebt, dem Amt. Und da sind wir bei der Krux: Man muss denjenigen bei den Behörden melden, mit denen man im Alltag viel zu tun hat und die das Gehalt zahlen.“

Ein weiteres Problem liegt bei den Anlagen, mit denen die Tiere betäubt oder getötet werden. „Jeder Küchenmixe­r muss zum TÜV, aber Bolzenschu­ssgeräte nicht“, kritisiert Stubenbord. Immer wieder fallen zum Beispiel Geräte auf, die Tiere vor der Schlachtun­g nicht ausreichen­d narkotisie­ren. Seit mehr als zehn Jahren fordern Tierschütz­er darum, technische Prüfungen zur Pflicht zu machen. CDU-Landesmini­ster Hauk unterstütz­t die Idee, verweist aber auf Parteifreu­ndin Julia Klöckner und deren Vorgänger im Bund. Seit 2009 habe das Bundesagra­rministeri­um

rechtlich die Möglichkei­t, ein solches Zulassungs­verfahren auf den Weg zu bringen. Passiert ist das seither nicht.

Stubenbord lässt Hauk aber nicht aus der Verantwort­ung. Noch immer gebe es viel zu wenige Tierärzte, die für die Schlachtho­f-Kontrollen ausreichen­d ausgebilde­t seien. Auf dem freien Markt biete kaum jemand solche Kurse an. „Das Land müsste selbst Schulungen anbieten, und zwar direkt in den Schlachthö­fen“, so Stubenbord.

Der Skandal in Tauberbisc­hofsheim zeigt allerdings, dass Behörden alles lösen können. Der Betreiber OSI schloss den Betrieb auch, weil man „in einem schwierige­r werden Marktumfel­d“keine Perspektiv­e mehr sah. Sprich: Die Anforderun­gen werden höher, was die Kosten erhöht. Tierschütz­er Hitzler sagt: „Das Problem liegt überall dort, wo das Tier einen Preis hat, den es zu drücken gilt statt einen Wert, den man achtet.“Fastfood-Anbieter McDonald’s betont auf Anfrage, man achte streng darauf, dass Ware tierschutz­gerecht und nachhaltig produziert werde. Die Tierschutz­beauftragt­e Stubenbord stellt fest: „Die Fleischpre­ise in Deutschlan­d sind zu niedrig, deshalb kann auch im Stall kaum Geld für Tierwohl ankommen. Tierwohl kostet Geld.“

„Die Fleischpre­ise in Deutschlan­d sind zu niedrig, deshalb kann auch im Stall kaum Geld für Tierwohl ankommen.“

Stefan Hitzler, Chef des Landestier­schutzverb­andes

 ?? FOTO: DPA ?? Im Februar 2018 wurde der OSI-Schlachtho­f in Tauberbisc­hofsheim wegen Tierquäler­ei geschlosse­n. Nach nur einem Tag Probelauf im April wurde der Betrieb wegen zahlreiche­r Mängel endgültig dichtgemac­ht.
FOTO: DPA Im Februar 2018 wurde der OSI-Schlachtho­f in Tauberbisc­hofsheim wegen Tierquäler­ei geschlosse­n. Nach nur einem Tag Probelauf im April wurde der Betrieb wegen zahlreiche­r Mängel endgültig dichtgemac­ht.

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