Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Aldi-Effekt

Brexit-Sorgen spielen in Großbritan­nien vor allem den deutschen Discounter­n in die Karten

- Von Benedikt von Imhoff

LONDON (dpa) - Hohe Einkaufspr­eise, weniger Kunden, Angst vor leeren Regalen: Der Brexit macht den Händlern in Großbritan­nien zu schaffen. Vier von fünf Briten sorgen sich, dass die Preise für Lebensmitt­el und Getränke nach dem Brexit weiter steigen. „Es gibt kaum Zweifel unter Einzelhänd­lern, Hersteller­n und Landwirten, dass der Brexit zu einer erhebliche­n Störung der britischen Lebensmitt­elversorgu­ng führen wird“, stellte das Forschungs­institut Kantar Anfang Oktober fest. Die Sorgen spielen vor allem zwei Unternehme­n in die Karten: Den deutschen Discounter­n Aldi und Lidl.

„Wir halten es für vorstellba­r, dass wegen des Brexits die Verbrauche­r auch in Großbritan­nien noch mehr auf die Preise schauen“, sagt Kai Falk, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bands Deutschlan­d (HDE). „Die Resonanz der britischen Kunden ist sehr positiv. Es sind gute Zeiten für Discounter.“Das bestätigt Ulrich Hoppe, Hauptgesch­äftsführer der Deutsch-Britischen Handelskam­mer in London: Die Discounter würden mittlerwei­le auch von der breiten Mittelschi­cht äußerst positiv wahrgenomm­en.

Bald 30 Jahre nach ihrem Markteintr­itt haben Aldi und Lidl die Supermarkt­landschaft in Großbritan­nien umgekrempe­lt. Das Billigkonz­ept wird von Verbrauche­rn und Presse als „The Aldi effect“gefeiert. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei im Vergleich mit den alteingese­ssenen Ketten deutlich besser, sagt Hoppe.

Und im Gegensatz zur Konkurrenz wachsen Lidl und Aldi weiter kräftig. Einer aktuellen Kantar-Studie zufolge konnten die deutschen Unternehme­n ihren Marktantei­l deutlich auf mittlerwei­le insgesamt 14 Prozent ausbauen. „Das Plus ist fast eine Milliarde Pfund (1,16 Milliarden Euro) jährlich wert“, urteilte das Institut. Aldi UK lockte zwischen Juli und Oktober 689 000 neue Kunden an und damit mehr als alle andere Ketten, in der Liste der beliebtest­en Supermärkt­e liegt das Unternehme­n

auf Rang zwei. Lidl UK kündigte jüngst eine Investitio­nsoffensiv­e über 15 Milliarden Pfund in den kommenden fünf Jahren an. Beide Ketten wollen Dutzende neue Filialen im Land eröffnen und Tausende Jobs schaffen.

Dass die niedrigen Preise und hohen Infrastruk­turkosten auf den Gewinn drücken, ficht Aldi-UK-Chef Giles Hurley nicht an. Das Unternehme­n blicke nicht auf kurzfristi­ge Profite, sagte er jüngst. „Unser Fokus liegt auf Wachstum; auf Verkäufen,

Filialen und Kundenzahl­en.“Nachdem der von Premiermin­ister Boris Johnson wiederholt versproche­ne Austrittst­ermin am 31. Oktober nicht eingehalte­n wurde, soll Großbritan­nien die EU nun spätestens am 31. Januar 2020 verlassen. Die genauen Umstände sind aber weiter unklar, viele Kunden haushalten deswegen. Das drückt bei den britischen Einzelhänd­lern auf die Stimmung.

Beispiel Asda: Der drittgrößt­e britische Einzelhänd­ler hat Tarif-Ärger

mit den Beschäftig­ten, Umsatz und Marktantei­l gingen zuletzt zurück, die Wettbewerb­sbehörde verbot die Fusion mit Konkurrent Sainsbury's.

Die anderen Branchengr­ößen plagen ähnliche Probleme, selbst Marktführe­r Tesco kommt nicht zur Ruhe. Erst vor kurzem kündigte überrasche­nd Chef Dave Lewis seinen Rücktritt an. Nicht nur bei Lebensmitt­eln sind die Probleme groß – der Einzelhand­elsriese Marks & Spencer musste im ersten Halbjahr erhebliche Einbußen in den Segmenten Bekleidung und Haushaltsw­aren hinnehmen. Analysten hatten bereits vorab vor einem „Blutbad“in den Sparten gewarnt.

Vorteil Aldi und Lidl: Die Discounter gelten als gut gerüstet für ein mögliches Chaos nach dem EUAustritt. „Der Brexit führt zu einem reduzierte­n Wirtschaft­swachstum, der Druck auf die Konsumente­n wird größer. Und ein Verbrauche­r, der stärker auf das Pfund achten muss, geht dann eher dahin“, sagt AHK-Chef Hoppe.

Außerdem, so betonte es AldiChef Hurley, biete das Unternehme­n eine kleinere Produktpal­ette als die Konkurrenz. Drei Viertel des Angebots stammten von Hersteller­n und Lieferante­n aus Großbritan­nien. Das ist ein deutlicher Unterschie­d zum Gesamtmark­t – denn laut Kantar werden 62 Prozent aller Lebensmitt­el importiert, der Großteil aus der EU. Ein Aldi-UK-Sprecher kündigte an, das Unternehme­n werde weiterhin die niedrigste­n möglichen Preise anbieten – „was auch immer die Zukunft bereithält“.

 ?? FOTO: DPA ?? Eine Aldi-Filiale in der Innenstadt von Manchester in Großbritan­nien: Rund 30 Jahre nach ihrem Markteintr­itt haben die deutschen Discounter Aldi und Lidl die Supermarkt­landschaft in Großbritan­nien verändert.
FOTO: DPA Eine Aldi-Filiale in der Innenstadt von Manchester in Großbritan­nien: Rund 30 Jahre nach ihrem Markteintr­itt haben die deutschen Discounter Aldi und Lidl die Supermarkt­landschaft in Großbritan­nien verändert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany